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Darum kauft noch kaum jemand das DFB-Trikot

EM 2016: Darum ist das Trikot der deutschen Nationalmannschaft noch ein Ladenhüter

  • Aktualisiert: 10.06.2016
  • 15:40 Uhr
  • Andreas Reiners
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© imago/Chai v.d. Laage
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Die EM-Trikots der deutschen Nationalmannschaft sind im Moment noch ein Ladenhüter. Und das, obwohl die Händler die Preise vor dem EM-Auftakt am Freitag erheblich gesenkt haben. Ein Grund zur Panik besteht aber eigentlich noch nicht.

München - Als der Vorhang fiel, war der Jubel groß. Da stand Panda-Rapper Cro in der Fußballhalle "The Base" auf der Bühne, umrahmt von den Nationalspielern Lukas Podolski, Emre Can und Jonas Hector. Konfettiregen ging nieder, die Bässe dröhnten.

Die Präsentation des neuen Nationalelf-Trikots war eine kleine Inszenierung. Jugendlich. Hip. Cool. Die Location, das Ambiente, die Protagonisten: adidas hatte sich etwas einfallen lassen, um die Zielgruppe für das neue Stück Stoff zu begeistern.

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Teaser-EM-Trikots

EM 64-16: Trikots der Deutschen Nationalmannschaft

"Die Mannschaft" hat in der langjährigen EM-Geschichte bereits die verschiedensten Trikot-Variationen getragen. ran.de zeigt euch alle Modelle des dreifachen Europameisters.

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  • 11.11.2015
  • 18:02 Uhr

"Das Design des neuen Heimtrikots ist sehr edel, zugleich ist es klassisch und klar. Das Trikot steht damit auch dafür, wie wir die Mannschaft bei der EM in Frankreich erleben wollen: zielstrebig, gradlinig und klar", hatte Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff damals im November 2015 erklärt. Der übliche Marketing-Singsang. Natürlich ist die DFB-Elf längst eine Marke, medienwirksam inzwischen ja auch "die Mannschaft" genannt. Und die Marketing-Maschine für das neue Trikot läuft deshalb auch seit nunmehr bereits rund sieben Monaten.

Denn die Messlatte liegt hoch. Der Titelgewinn 2014 hatte den damaligen Trikotverkauf, erst mit drei, nach dem 13. Juli dann mit vier Sternen bestickt, extrem angetrieben. Über drei Millionen Jerseys wurden damals an die glückseligen Fans gebracht, die Produktion wurde nach dem Triumph noch einmal angekurbelt.

Von 400.000 bis drei Millionen

Unter dem Strich stand ein absoluter Rekordwert. Wie adidas auf Anfrage von ran.de bestätigte, lagen die Verkaufszahlen bei der EM 2004 noch bei etwas mehr als 400.000 Trikots. Beim Sommermärchen 2006 schoss die Verkaufszahl wenig überraschend auf 1,5 Millionen.

Danach pendelten sich die Absatzzahlen ein: Bei der EM 2008 waren es etwas mehr als eine Million, bei der WM 2010 in Südafrika rund 1,2 Millionen verkaufter Jerseys, bei der EM 2012 dann wieder etwas mehr als eine Million. Bis Mario Götze in der Verlängerung des WM-Finales gegen Argentinien der Welt zeigte, dass er besser als Lionel Messi ist. Und adidas damit neue Traumwerte bescherte. Doch das ist erst einmal Vergangenheit.

Denn das aktuelle Trikot ist im Moment noch ein Ladenhüter. Schlimmer noch. Ramschware, würden böse Zungen anhand aktueller Zahlen wohl behaupten.

Denn während Hersteller adidas die unverbindliche Preisempfehlung auf 85 Euro angehoben hat und damit fünf Euro teurer ist als 2014, bieten zahlreiche Shops im Internet das Replica-Trikot für weniger als 60 Euro an. Wie der Name schon sagt, sind die 85 Euro unverbindlich, ganz im Gegensatz zu den Abgaben des Händlers beim Einkauf. "Natürlich sind wir nicht glücklich, wenn der Handel die Preise so stark drückt. Andererseits haben wir keinerlei Einfluss darauf, wir können und dürfen lediglich eine Empfehlung abgeben", sagte adidas' Fußball-Chef Markus Baumann dem Handelsblatt.

Vom Verkaufspreis gehen bestimmte Beträge an adidas, so zum Beispiel 16 Euro (18,7 Prozent) bei einem Verkauf für 85 Euro. 13,60 Euro (16 Prozent) geht als Mehrwertsteuer an den Fiskus. An den Hersteller für den Stoff und die Näharbeiten sowie an den Logistiker für den Transport der Trikots von Asien nach Europa gehen rund 8 Euro (9,7 Prozent). Der DFB kassiert als Lizenzgeber 5,10 Euro (6 Prozent), die übrigen 4,42 Euro (5,2 Prozent) gehen an Marketing sowie den Vertrieb.

Bedeutet im Umkehrschluss: Senkt der Händler den Preis, sinkt gleichzeitig nur seine eigene Marge. Bekommen die Händler also derzeit kalte Füße? "Wir sehen gerade, dass der Einzelhandel in Panik gerät. Dadurch wird zwangsläufig eine Preislawine in Gang gesetzt, bei der sich der Handel allerdings ins eigene Fleisch schneidet", sagte Peter Rohlmann, Inhaber des Beratungsunternehmens PR Marketing, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Offenbar hat der Handel den Handel mit den neuen Trikots falsch eingeschätzt und die Nachfrage überschätzt.

Grund zur Panik?

Allerdings sind die Gründe für den schleppenden Verkauf vielfältig, ein Grund zur Panik besteht eigentlich noch nicht.

"Generell ist es so, dass großes Interesse erstmals besteht, wenn das neue Trikot vorgestellt wird. Zu Beginn des Turniers setzt dann die Begeisterung ein", teilte eine adidas-Sprecherin mit. Zu den aktuellen Absatz- und Umsatzzahlen äußert sich der Hersteller aus Herzogenaurach am 16. Juni, einen detaillierten Überblick, wann wie viele Trikots rund um ein Turnier verkauft werden, veröffentlicht adidas hingegen nicht.

Parallel trägt der Ausrüster-Riese noch einen weiteren Kampf aus. Den um die Gunst des DFB. Denn als Weltmarktführer arbeitet Nike akribisch am Machtwechsel. Frankreich als langjähriges adidas-Team hat vor der EM 2012 die Seiten gewechselt, nun ist Deutschland (Vertrag mit adidas bis 2018) das Ziel. Angeblich hat Nike dem Deutschen Fußball-Bund 70 Millionen Euro pro Jahr geboten, um adidas nach der WM in Russland abzulösen. adidas selbst hat allerdings das verbriefte Recht, jedes Angebot zu überbieten. Puma zum Beispiel ist in den Poker gar nicht erst eingestiegen.

Doch das ist erst einmal Zukunftsmusik. Klar ist beim aktuellen Kampf um die Gunst der Fans: Nur die wenigsten Anhänger dürften sich immer wieder aufs Neue mit dem aktuellsten Trikot einkleiden, erst recht nicht im Vorfeld des Turniers. Daneben ist so ein Trikot auch oft eine Frage des Geschmacks, vor allem das tarnfarbene Auswärtstrikot kommt nicht bei allen Fans gut an. Dazu sorgen Terror-Gefahr rund um die EM, mäßige Auftritte der Nationalmannschaft und das sowieso erst mit dem Verlauf des Turniers steigende Wir-Gefühl dafür, dass das EM-Fieber noch nicht wirklich ausgebrochen ist. Angesichts der 31-tägigen Dauerpräsenz bei der EURO kämpfen die Marken allerdings bald auf allen Kanälen um die Gunst der potenziellen Käufer.

Doch die Erfahrung zeigt: Mit jedem Spiel, mit jedem Sieg steigt traditionell auch die Nachfrage. Dann werden viele Vorsätze, viele Ressentiments gegen Preise und Ästhetik über Bord geworfen. Letztendlich ist also die deutsche Nationalmannschaft selbst maßgeblich dafür verantwortlich, wie groß der Boom diesmal sein wird.

Und weniger Cro, Konfettiregen oder irgendwelche Marketing-Maßnahmen.

Andreas Reiners


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