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Kovac unter Druck

100 Tage im Amt: Die Bilanz von Niko Kovac beim FC Bayern

  • Aktualisiert: 08.10.2018
  • 13:37 Uhr
  • ran.de
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© 2018 Getty Images
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Niko Kovac ist beim FC Bayern 100 Tage Cheftrainer. Der Kroate erlebt Höhenflüge und einen tiefen Fall - eine Bilanz seiner Anfangszeit. 

München - Niko Kovac bekleidet das höchste Amt im deutschen Vereinsfußball, mehr als Trainer des FC Bayern zu sein, geht nicht in der Bundesliga. Am Montag hat er diese prestigeträchtige, aber auch tückische Position 100 Tage inne. In der Politik ist es üblich, nach diesem Zeitraum der Eingewöhnung eine erste Bilanz zu ziehen. Wie hat sich der 46-Jährige geschlagen?

Wer auf die vergangenen Tage zurückblickt, fühlt sich an die Zeit erinnert, als Kovac als neuer Bayern-Trainer bekannt gegeben wurde. Heute wie damals sah er sich skeptisch beäugt - heute vermutlich noch etwas negativer. Seine Ernennung verlief schon wenig vorteilhaft.  Er war ja nur die zweite, wenn nicht sogar dritte Wahl, nach dem denkmalartigen Jupp Heynckes und dem denkenden Thomas Tuchel. Kovac hatte bis zu seinem Engagement beim FC Bayern noch keinen großen Verein trainiert. Aus Frankfurt eilte ihm aber der Ruf eines Spielerverstehers voraus, der den bunten Haufen der Eintracht zu einer verschworenen Einheit geformt hatte.

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Lothar Matthäus, Jupp Heynckes, Stefan Effenberg & Co.

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Kovac lässt aufhorchen

Als Siegertyp zu den Bayern zu kommen, ist immer von Vorteil, in dieses Sammelbecken von großen Egos. Kovac kam als DFB-Pokalsieger. Bei seinem Antritt agierter er mit rhetorischem Geschick und charismatisch. "Ich möchte versuchen, zusammen mit meinem Trainerteam, jeden einzelnen Spieler besser zu machen", sagte Kovac und erinnerte unabsichtlich an die Worte von Jürgen Klinsmann. "Was unter dem Strich rauskommt, werden wir sehen. Aber klar ist auch, dass wir hier sind, um Titel zu holen." Kovac zeigte sich auch selbstbewusst genug, um sich dem sensiblen Renato Sanches anzunehmen. Dem jungen Portugiesen fehlte die Ruhe im Spiel wie im Leben. Kovac war sich sicher, er werde ihn hinbekommen.

Beim Trainingslager am Tegernsee ließ er erstmals aufhorchen. Vergleiche zu einem kompromisslosen Schleifer wurden herangezogen. Magath nannten ihn die Spieler zwar nicht hinter seinem Rücken, sie berichteten aber von intensiven und ungewohnt langen Einheiten. Mit einer ausgeprägten Fitness gingen sein Team ins erste Pflichtspiel. Eintracht Frankfurt unterlag seinem Ex-Trainer Kovac im Supercup deutlich. Beim 0:5 verpuffte die erhoffte Dramaturgie zügig.

Beim Ligastart gegen Hoffenheim zeigte der Trainer, dass er seinen Reformauftrag begriffen hatte. Beim FC Bayern soll es in dieser Saison eine Art sanften Umbruch geben, weg von der Abhängigkeit von Arjen Robben und Franck Ribéry, hin zur Jugend von Kingsley Coman und Serge Gnabry. Für Arjen Robben fühlte sich das im ersten Ligaspiel unsanft an, nach einer "Riesenenttäuschung". Dem Niederländer wurde Coman vorgezogen, der sich tragisch am Syndesmoseband verletzte – ein Ausfall, der noch Auswirkungen auf den weiteren Saisonverlauf haben sollte. Die Münchner gewannen mit etwas Glück 3:1.

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Kovac mit glücklichem Händchen

Eine Woche später in Stuttgart zeichnete sich Kovac' Handschrift schon deutlicher ab. Thiago dirigierte den bayerischen Spielaufbau als einziger Sechser - und machte das mit einem Selbstverständnis, das sich in München viele von dem Spanier wünschen. Die Achter mit Leon Goretzka und Thomas Müller stießen klug in die gefährlichen Räume. Mit einer beängstigenden Kühle besiegten die Bayern den VfB 3:0. Gegen Leverkusen gewann Kovac zwar ein weiteres Spiel (3:1), verlor aber Rafinha, den es am Fußgelenk erwischte, und Weltmeister Corentin Tolisso der einen Kreuzbandriss erlitt.

Zusammen mit Coman fehlten Kovac drei Personalien schon früh in der Saison. Ein dünner Bayern-Kader wurde weiter ausgedünnt. Kovac bewies in dieser Zeit allerdings ein glückliches Händchen. Er traf stets die richtigen Entscheidungen, als hätte er selbst das Drehbuch für seine Erfolgsgeschichte geschrieben. Der heroische Heimkehrer Sanches traf beim Champions-League-Spiel in Lissabon, Leon Goretzka half beim beängstigend souveränen Sieg gegen Schalke. In der Liga unkten manche, die Bayern seien in dieser Saison gar nicht zu schlagen. Und damit ernannten sie auch Kovac zum Unbesiegbaren. Stimmen zu den Unkonzentriertheiten, die es gegen Stuttgart und Schalke schon gab, wurden durch das Rauschen des Höhenflugs übertönt.

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Sieben Spiele hatten die Bayern bis zu diesem Zeitpunkt gewonnen, Kovac war nach dem 2:0 gegen Schalke 84 Tage im Amt und besser in die Saison gestartet als Pep Guardiola. Das Risiko mit dem international wenig erfahrenen Kroaten und dem etwas altersschwachen Kader schienen die Münchner beeindrucken zu kontrollieren. Die Meisterschale war sozusagen schon auf dem Weg nach München.

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Bayern wie ein alternder Boxer

Doch irgendetwas muss Kovac in dieser Phase entglitten sein. Beim 1:1 zu Hause gegen Augsburg rotierte er unter anderem Goretzka auf die Linksverteidigerposition. Es war die symbolische Personalie für ein fehlgeschlagenes Wechselspiel. In Berling zog ein noch deutlicherer Bruch durchs Bayern-Spiel. Sie bäumten sich nach dem 0:2 zwar auf, doch es zeigte sich, dass den Bayern wie einem alternden Schwergewichts-Champion ergeht: Ihnen fehlten Durchschlagskraft und Schnelligkeit.

In der Champions League, auf dieser prestigeträchtigen Bühne, sollte gegen Ajax Amsterdam alles wieder klappen. "Man sollte jetzt nicht alles hinterfragen", erklärte Kovac und kündigte an: "Wir werden nicht die nächsten zehn Spiele verlieren – das kann ich versprechen." Eine Aussage, die nicht zum Selbstverständnis der Münchner passt. Mia san schließlich mia. Es wird nicht in Niederlagen gedacht, sondern in Siegen. Gegen das junge Ajax gab es dann ein 1:1, das sich wie ein Misserfolg anfühlte. Die Mannschaft funktionierte nicht, die Abstände zwischen den einzelnen Teilen waren zu groß. Die Bälle landeten schnell auf den Flügeln, weil dem Mittelfeld im Aufbau nichts Besseres einfiel. Vor vier oder fünf Jahren hätte das vielleicht gereicht, Ribéry hätte einem Ajax-Jungspund eine Lehrstunde im Dribbling erteilt. Robben wäre wackelnd nach innen gezogen, um dann den Ball in den Winkel zu schlenzen. Damals.

Niko-Kovac
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Keine Kovac-Frage, sondern Frage von Qualität und Einstellung

Der FC Bayern schlittert nach dem vierten Spiel ohne Sieg tief in die Krise. Doch liegt es wirklich am Trainer, wenn zur gleichen Jahreszeit gleiche Symptome eines gleichen Gebrechen auftreten? Ein Kommentar.

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Nicht nur die Spieler haben etwas von ihrer Qualität eingebüßt, auch Bayern-Präsident Uli Hoeneß ließ Gespür für die Wucht öffentlicher Aussagen vermissen. Einen Tag nach dem Ajax-Spiel merkte er an, dass aufgrund der Rotation etwas der Wurm drin sei. "Aber das ist Sache des Trainers, der muss das entscheiden. Am Ende muss er ja auch den Kopf dafür hinhalten." Wumms. Der Druck auf Kovac erhöhte sich durch wenige Silben enorm.

Der Kroate antwortete vor dem Gladbach-Spiel aber bedacht, das sei nur eine Feststellung gewesen. Kovac wehrte sich auch gegen die Anschuldigung der Ratlosigkeit. Er wollte nach dem Ajax-Spiel "nicht die Keule gegen die Spieler rausholen", sondern alles erst einmal analysieren.

Unzufriedene Spieler?

In dieser Situation zeigte er Stärke, blieb klar in seiner Kommunikation. Obwohl er auch Berichte über angeblich unzufrieden Spieler wie James Rodriguez kommentierte. "Die Stimmung in der Kabine ist positiv", meinte Kovac, dem – das zur Erinnerung – der den Ruf eines Spielerverstehers hat. "Natürlich gibt es Spieler, die enttäuscht sind, wenn sie nicht spielen. Das es jetzt brodelt, das ist nicht so", sagte Kovac und war immer darum bemüht, "meine Spieler" zu sagen und niemanden beim Namen zu nennen, der unglücklich sein könnte. Die Kabine gegen sich zu haben, ist das Schlimmste, was einem Trainer passieren kann. Das musste schon Carlo Ancelotti erfahren. Kovac versuchte, die Deutungshoheit zu behalten – und wirkte zumindest äußerlich souverän.  

Gegen Gladbach waren sie wieder da, die Bayern, die alles kaputt spielen und dem Gegner keine Chance lassen. Zehn Minuten lang. Dann: Zack. Zack. Zwei Tore innerhalb von sechs Minuten. 2:0 für Gladbach nach Fehlern, die für Bayern ungewohnt sind. Es schlich sich ein Gefühl ein, dass es sonst nicht gibt: Verunsicherung. Nach dem 0:3 reagierte Joshua Kimmich angefressen auf süffisante Kommentare der Gladbacher: "Schön, dass die anderen jetzt auch ein bisschen Selbstbewusstsein haben." Bayern ist angesäuert, Bayern wirkt im Moment wie ein normaler Bundesligist. 16 Tage nachdem sie der Liga schon wieder entwachsen schienen. Niko Kovac trägt als Trainer die Verantwortung für vier Spiele ohne Sieg (zwei mehr als Ancelotti zum selben Zeitpunkt vor einem Jahr) und Platz sechs (!) in der Liga.

Nach 100 Tagen im Amt musste Kovac erfahren, wie wichtig das Gut Zeit ist. In der englischen Woche ging bei seiner Mannschaft etwas verloren, er hat kaum Möglichkeit korrigierend einzugreifen. Nun gehen viele Spieler in die Länderspielpause und wieder kann Kovac nicht so ausführlich mit seiner Mannschaft arbeiten, wie es nötig wäre. Zumindest Rückhalt aus der Führung bekam er auf dem obligatorischen Besuch des Oktoberfests. Präsident Hoeneß sagte der "Süddeutschen Zeitung", er stehe "wie eine Eins" für Kovac ein. "Egal, was in den nächsten Wochen passiert." Etwas Positives sollte dann schon passieren, sonst erlebt Kovac keine weiteren 100 Tage im Amt.

Tim Brack


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