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Jörg Böhme zum Derby Schalke 04 - Borussia Dortmund

Ex-Schalker Jörg Böhme im ran.de-Interview: "Nie verstanden, warum uns Huub verlassen hat"

  • Aktualisiert: 25.10.2019
  • 11:06 Uhr
  • ran.de / Mike Stiefelhagen
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© Getty Images
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Im zweiten Teil des ran-Interviews spricht Jörg Böhme über seinen bittersten Schalke-Moment, die "Meister der Herzen" und seine Zukunft. Und er verrät, was passierte, als er versuchte, Roberto Carlos Sensations-Freistoß zu imitieren.

München - Vor dem Revier Derby zwischen dem FC Schalke 04 und Borussia Dortmund (Sa., 15:30 Uhr im Liveticker auf ran.de) blickt Jörg Böhme im zweiten Teil des ran.de-Interviews (zu Teil 1) auf seine Derby-Erfahrungen zurück und verrät, mit wem er das eine oder andere Mal aneinander geriet.

Er durchlebt noch einmal den Moment, als Patrik Andersson die Schalker zum "Meister der Herzen" schoss und spricht über seinen besten Mitspieler bei Schalke.

ran.de: Herr Böhme, Sie haben selbst genug Derbys gegen Dortmund gespielt - was war denn Ihr schlimmster Derby-Moment?

Jörg Böhme: Ich hatte keinen. Ich habe nie ein Derby verloren.

ran.de: Gab es denn einen BVB-Spieler mit dem Sie gar nicht konnten?

Böhme: Das nicht. Aber es gab mehrere BVB-Spieler, mit denen ich öfter mal aneinandergeraten bin. Ich lieferte mir häufig harte, aber immer auch faire Duelle mit Dede oder Christian Wörns. Klar kracht es da mal, trägt man eine Schramme davon, aber das gehört dazu. Nach dem Spiel gibt man sich dann wieder die Hand.

ran.de: Und was war Ihr schönster Derby-Moment?

Böhme: Unser 4:0-Sieg in Dortmund in der Saison 2000/2001. Du gewinnst auswärts gegen den Rivalen, der vor eigener Kulisse vorgeführt wird. Ich mache noch die erste Bude per Elfmeter. Die Saison war eh die schönste meiner Karriere.

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Böhme
News

Böhme exklusiv: "Es wird ein megageiles Derby"

Vor dem Revier-Derby ordnet der Ex-Schalker Jörg Böhme das Duell zwischen Schalke und Borussia Dortmund im Interview mit ran.de ein.

  • 26.10.2019
  • 12:51 Uhr

ran.de: Trotz des Endes?

Böhme: Klar, wurden wir "nur" Meister der Herzen, aber vor der Saison hatte niemand auf uns gesetzt. Huub Stevens hatte bei den Buchmachern die schlechteste Quote auf den ersten Rausschmiss aller Bundesliga-Trainer. Davor waren wir auch nur knapp dem Abstieg entkommen. In der Vorbereitung brannte es schon lichterloh, Andreas Möller wurde aus Dortmund geholt, da gab es tausende von Fan-Austritten und Wutproteste. Die Vorbereitung war eine einzige Katastrophe. Und das wir dann so eine Saison hinlegen als tragischer Vize-Meister, Pokalsieger, 0:4-Derbysieger ... was Geileres gibt es nicht!

ran.de: Aber tat diese tragische Meisterschaftsentscheidung nicht unglaublich weh? Wie erging es Ihnen in diesem Moment?

Böhme: Es war bitter. Letzter Spieltag im ausverkauften Parkstadion gegen Absteiger Unterhaching. In der 70. Minute liegen wir 2:3 hinten, ich erziele einen Doppelpack innerhalb von weniger als zwei Minuten, dann knipst nochmal Ebbe Sand, wir gewinnen 5:3. Abpfiff. Und dann sagt uns ein TV-Reporter auf dem Platz, dass die Partie Hamburg gegen Bayern München vorbei ist und wir Meister sind. Es geht natürlich ab ohne Ende. Auf dem Weg in die Kabine entdecke ich dann einen kleinen Fernseher, dort läuft dann noch das Spiel! Ich sehe wie Schiedsrichter Markus Merk die Situation mit HSV-Keeper Matthias Schober - der ja auch noch von uns an Hamburg verliehen war - als Rückpass wertet und Patrik Andersson für Bayern zum Freistoß im Strafraum geht. Tomasz Hajto steht neben mir und sagt direkt: "Das war's, der macht den rein." So kam es dann leider auch.

ran.de: Wenn wir gerade schon in der Wunde stochern: Was war der größte Fehler den Schalke in Ihren Augen je getan hat?

Böhme: Der dunkelste Moment war die Krankheitsdiagnose und das Ableben von Rudi Assauer. Das hat uns alle schwer getroffen. Es stimmt mich bis heute traurig.

ran.de: Und sportlich?

Böhme: Sportlich habe ich nie verstanden, warum Huub Stevens uns 2002 in Richtung Hertha BSC verlassen hat. Die Entlassungen danach von Frank Neubarth und Jupp Heynckes haben wir als Team verstanden und mitgetragen. Aber die Stevens-Geschichte hat von uns niemand kapiert. Unter ihm waren wir auf dem Weg zum Spitzenteam und Hertha war auch für ihn kein Aufstieg. Es war uns unverständlich, warum Rudi nicht alles in der Machtstehende versucht hat, Huub zu halten. Und Huub wollte sich auch irgendwie verändern damals. Ich glaube, heute denkt er anders darüber.

ran.de: Neben Ihrer Schusstechnik und Schlitzohrigkeit waren Sie als aktiver Spieler vor allem für ihre Standards berüchtigt. Hatten Sie dahingehend ein Vorbild?

Böhme: Roberto Carlos. Von ihm habe ich mir einiges versucht abzuschauen. Sein Freistoß gegen Frankreich mit dieser irren Kurve bleibt unvergessen. Das ging gar nicht. Ich habe das paar Mal im Training versucht. Mir sind fast die Außenbänder weggeflogen.

ran.de: Wer war zu Ihrer aktiven Zeit der beste Mitspieler, den sie jemals hatten?

Böhme: Jiri Nemec. Mein Zimmerkollege. Wir nannten ihn auch "den Schweiger". Er hat nie gesprochen, nie Interviews gegeben. Und jedes Mal, wenn ich ihn sah, hatte ich Angst, er würde gleich einschlafen. Egal, ob im Bus auf dem Weg zum Spiel, in der Kabine oder privat: Er sah immer lethargisch aus. Wir haben uns immer gefragt: "Wie kann der jetzt Bundesliga spielen? Das geht doch gar nicht!". Was mich aber an ihm so beeindruckt hat und warum ich ihn aufzähle: sobald der Schiedsrichter angepfiffen hat, war er sofort voll da. Er war nicht der auffälligste Kicker, aber der wichtigste im ganzen Team. Er hat Räume zugelaufen, antizipiert, Bälle abgefangen wie ein Wahnsinniger. Er war wirklich Weltklasse.

ran.de: Wir hätten jetzt eher Ebbe Sand oder Emile Mpenza gerechnet.

Böhme: Ebbe war der kompletteste Stürmer, mit dem ich je zusammenspielt hab. Emile war zwar schnell und kopfballstark, aber Ebbe war beidfüßig, abschlussstark, ausdauerstark, er konnte fast alles.

ran.de: Wenn Sie schon so ins Schwärmen kommen - wenn sich das damalige Schalke-Team und das aktuelle jetzt auf dem Platz treffen, wer ginge als Sieger hervor?

Böhme: Mit einer gewissen Fitness und mit den Typen, die wir damals hatten, wird das ein knapper Sieg für die Meister-der-Herzen-Elf.

ran.de: Sie waren Co-Trainer für Bielefeld und Schalke sowie Cheftrainer bei Energie Cottbus. Jetzt haben wir Sie schon länger nicht mehr an der Seitenlinie gesehen ...

Böhme: Es gibt viele gute Trainer, aber zu wenig Mannschaften. Mir lag damals eine Vertragsverlängerung auf Schalke als Co-Trainer der U23 vor, da ich gute Arbeit geleistet hatte. Ich habe abgelehnt, eine Auszeit von zwei Jahren genommen und meine Frau unterstützt, da wir nochmal Eltern von zwei Mädchen wurden und ich mehr Zeit für die Familie haben wollte. Seit einem halben Jahr schaue ich mir regelmäßig viele Spiele von der ersten bis zur vierten Liga, Spiele der A- und B-Jugendbundesliga. Ich warte noch auf das passende Angebot.

ran.de: Wie würden Sie denn ihren Spielstil beschreiben, den Sie als Trainer umgesetzt haben möchten?

Böhme: Offensiv! Eine Mischung aus aggressiven und attraktiven Fußball. Der erste Blick meiner Spieler soll immer nach vorne gehen. Vertikales Spiel, schnelles Kombinationsspiel, flexibles Positionsspiel - mein Team soll schwer auszurechnen sein. Gegen den Ball erwarte ich dominante Zweikämpfe und schnelle Ballgewinne.

ran.de: Haben Sie denn ein bevorzugtes System?

Böhme: Ja und nein. Ich passe mein System immer auf meine Spieler an, alles andere wäre Quatsch. Ich würde gerne 4-1-3-2 mit einem echten Zehner und nur einem Sechser spielen lassen. Aber ich hatte auch schon Mannschaften, da gab es zum Beispiel keinen Zehner im Kader und dafür vier gleichwertige Sechser. Allerdings war nur einer der vier Sechsern fähig, meine Idee vom vertikalen, schnellen Spiel umsetzen zu können. Problem: Er hatte keine gute Ausdauer und die brauchst du als alleiniger Sechser. Daher musste ich das System adaptieren und auf zwei Sechser stellen. Daher kann ich das so pauschal nicht sagen.

ran.de: Gibt es denn noch etwas, in dem Sie sich selbst verbessern wollen als Trainer?

Böhme: Aktuell möchte ich mich natürlich immer weiterbilden. Im Fußball geht es schnell. Mal ist die "Falsche Neun" in, dann wieder out. Man muss auf dem Laufenden bleiben, deswegen besuche ich auch viele Fortbildungen, nicht nur in der Trainerweiterbildung, sondern auch in den Bereichen Medizin oder Ernährung.

ran.de: Und beim Training der Standardsituationen macht Trainer Jörg Böhme dann die Aktionen noch selbst vor?

Böhme: Nein, die Jungs sind selbstständig genug. Außer Sie fragen mich. Dann würde ich Ihnen mal zeigen, wie es geht.

Das Interview führt Mike Stiefelhagen

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