Hoeneß mit Wutrede
ranSicht zu Uli Hoeneß und dem FC Bayern: Die Abteilung Attacke hat ihr Timing verloren
- Aktualisiert: 19.09.2019
- 14:06 Uhr
- ran.de/Tim Brack
Bayern-Präsident Uli Hoeneß äußert sich zur Torwartdiskussion in der deutschen Nationalmannschaft. Sein Standpunkt ist verständlich - seine Argumente und der Zeitpunkt seiner Wutrede nicht. Ein Kommentar von ran.de-Mitarbeiter Tim Brack.
München - Es ist noch gar nicht so lange her, da ruhte Uli Hoeneß entspannt wie ein Buddha vor den versammelten Journalisten. Ende August hatte er ganz offiziell seinen Rückzug beim FC Bayern bestätigt. Bei der entsprechenden Pressekonferenz wirkte der Vereinspräsident zufrieden, schien mit sich und der Welt im Reinen zu sein.
Keine drei Wochen später war Hoeneß' buddhistische Gelassenheit bereits ins Nirwana übergegangen, geblieben war der altbekannte Hoeneß, der seit eh und je der sogenannten Abteilung Attacke vorsteht. Nach dem Champions-League-Auftakt der Münchner gegen Roter Stern Belgrad (3:0) diktierte er wieder markige Hoeneß-Worte in die Mikrofone und Blöcke der Journalisten.
Anlass für seinen Wutausbruch nach einem eigentlich erfreulichen Abend war die Diskussion um die Torhüterposition in der deutschen Nationalmannschaft. Seine aufbrausende Rede kam zu diesem Zeitpunkt allerdings zu spät und zeigte, dass ihm das Gespür für Attacken abhandengekommen ist.
Hoeneß hält einen großangelegten Gegenangriff für nötig
Die Torhüter-Diskussionen gibt es natürlich, spätestens seit die deutsche Nummer zwei Marc-Andre ter Stegen sich getraut hatte, seinen Unmut über seine Nicht-Berücksichtigung öffentlich zu machen. Auch hatte dies zu einem Hin-und-zurück aller nennenswerten und nicht nennenswerten Protagonisten geführt.
Allerdings kühlte der Disput schon wieder ab. Manuel Neuer hatte ihm selbst die Schärfe entzogen. "Von mir aus wird es keine Aussagen mehr dazu geben", hatte Neuer vor dem Spiel gegen Belgrad gesagt.
Hoeneß aber hielt einen großangelegten Gegenangriff für nötig. Er ist der Patron des FC Bayern und wer einem seiner Spieler in seinen Augen Unrecht antut, der tut auch indirekt ihm Unrecht an. Natürlich ist es Hoeneß' gutes Recht, ja fast schon seine Pflicht, sich in der Angelegenheit auf Neuers Seite zu schlagen.
Doch seiner Schimpftirade mangelte es nicht nur an Timing, ihre Argumente waren teilweise unseriös. Das alles erinnerte doch sehr an die berüchtigte Grundgesetz-PK, in der er im Oktober vergangenen Jahres unter anderem den früheren Bayern-Profi Juan Bernat attackiert hatte.
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Hoeneß unterteilt Presse in zwei Lager
Von einem offenen Konkurrenzkampf zwischen Neuer und ter Stegen wollte Hoeneß erst gar nichts wissen. Neuer könne "so lange spielen, so lange er gesund ist. Der wird immer der Beste sein". Dass ter Stegen diese Diskussion nicht nur mit Worten, sondern auch mit sehr, sehr starken Leistungen heraufbeschwört hat, vernachlässigte Hoeneß. Er stellt die fixe Hierarchie in einem Fußball-Tor über ein offenes (und faires) Duell, in dem sich zwei Konkurrenten auch zu höheren Leistungen antreiben könnten.
Hoeneß beanstandete zudem, ter Stegen werde öffentlich unterstützt. Die Presse unterteilte er in Lager: süddeutsche Presse gegen westdeutsche Presse. In Hoeneß' Verständnis haben die Medienhäuser im Süden zu einem Bayern-Spieler wie Manuel Neuer zu halten, die westdeutsche Presse ist selbstredend auf Seite des Ex-Gladbachers ter Stegen. Der Westen macht dabei in Hoeneß' Augen einen besseren Job.
Der Bayern-Präsident verwechselt dabei allerdings den freien Journalismus (siehe Artikel 5 im Grundgesetz, Rummenigge hat bestimmt ein Exemplar) mit der Medienabteilung des FC Bayern.
Hoeneß: Echo immer größer
Nun könnte man sagen, Hoeneß polarisiert schon immer, ganz wie der FC Bayern, der auch in diesem Sinn ein Abbild seines Präsidenten ist. Aber Hoeneß' Bauchgefühl liegt bei seinen Attacken zunehmend daneben. Das mag auch daran liegen, dass sich die Zeiten durch die sozialen Medien verändert haben.
Bei seiner Rücktritts-PK Ende August hatte er durchblicken lassen, dass er dieser Welt, in der ein Shitstorm den nächsten jagt, nicht immer folgen kann und will: "Ich habe ja schon im vergangenen Jahr kaum Presseerklärungen abgegeben, weil es zunehmend schwieriger geworden ist, Presseerklärungen abzugeben, ohne danach eine Woche Ärger zu haben."
Vielleicht sollte er sich seine eigenen Vorsätze noch einmal ins Gedächtnis rufen.
Tim Brack
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