Misere mit 17 sieglosen Bundesliga-Spielen
Wagners Dilemma auf Schalke: Fatale Fehler aus der Vergangenheit
- Aktualisiert: 26.09.2020
- 09:33 Uhr
- ran.de/Julian Huter
Der FC Schalke 04 setzt seinen Negativtrend auch bei der peinlichen 0:8-Pleite gegen den FC Bayern München fort. David Wagner wird schon wieder angezählt. Doch Schalkes Probleme gehen weitaus tiefer. Bei ran.de spricht Ex-Trainer und Schalke-Mitglied Peter Neururer Klartext.
München - Die Zahlen sind verheerend: 17 Spiele ohne Sieg, in dieser Zeit nur zwei Bundesliga-Tore geschossen und zuletzt 0:8 beim FC Bayern München verloren.
In der jungen Bundesliga-Saison ist gerade mal ein Spieltag absolviert und die Verantwortlichen und Spieler des FC Schalke 04 müssen sich schon wieder unangenehmen Fragen stellen.
Beim amtierenden Triple-Sieger zu verlieren, ist an sich sicher keine Schande. Doch es ist vor allem die Art und Weise, wie sich die Akteure in Königsblau zum Saisonauftakt präsentierten, die alarmierend ist. Überfordert, ideenlos, kraftlos. Ein Auftritt, der kein gutes Licht auf Trainer David Wagner wirft.
Schnell wurden die Rufe nach dessen Entlassung wieder laut - selbst unter dein eigenen Anhängern. "Wieso hat Schneider (Sportvorstand, Anm. d. Redaktion) Wagner die Vorbereitung gegeben und einen Neustart damit verhindert?", fragte etwa ein aufgebrachter Fan auf Twitter.
Schalke 04: Wagner spielt gegen Werder wohl um seinen Job
Laut eines Berichts der "Bild" wird die nächste Bundesliga-Partie für Wagner zum Spiel um seinen Job. Bei einer Niederlage würden die Verantwortlichen in Gelsenkirchen die Reißleine ziehen. Der angesprochene Jochen Schneider stellt sich zumindest öffentlich vor seinen angezählten Coach. "Er ist der richtige Trainer für Schalke", betonte Schneider stets.
Jens Keller, von Dezember 2012 bis Oktober 2014 Cheftrainer auf Schalke, lobt die Entscheidung, trotz schwieriger Lage an Wagner festzuhalten. "In den letzten Jahren wurde auf der Trainerposition immer wieder gewechselt und es wurde nicht deutlich besser. Deshalb finde ich es gut, wenn man jetzt eine gewisse Zeit am Trainer festhält", sagte Keller im Gespräch mit ran.de.
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Mit Kritik in Gelsenkirchen kennt sich Keller bestens aus. Er wurde während seiner Amtszeit immer wieder von Medien und Anhängerschaft angezählt. Und das, obwohl er Schalke zweimal in die Champions-League-Ränge führte - davon ist Schalke derzeit Lichtjahre entfernt.
Schalke: Vom Champions League-Anwärter zum Spott-Objekt
In den späten 1990ern und frühen 2000er Jahren galt Schalke sogar als Dauerkandidat für die Champions-League-Plätze. Wie konnte ein Klub, der über Jahre in der Bundesliga um die vorderen Plätze mitspielte, in eine derartige Abwärtsspirale geraten?
Die sportliche Inkonstanz gibt es in Gelsenkirchen nicht erst seit der Ankunft von David Wagner. Selbst nach erfolgreichen Spielzeiten wie unter Keller oder auch Domenico Tedesco, der 2018 mit Schalke die Vizemeisterschaft erreichte, wird nach ausbleibendem Erfolg schnell die Reißleine gezogen. Der FC Schalke 04 verkommt immer mehr zum neuen HSV - Spott-Objekt der Fans und Medien.
Laut Peter Neururer hielt mit den Erfolgen auch ein Anspruchsdenken auf Schalke Einzug: "Daraus resultierten auch Gehaltsstrukturen, die nicht dem Leistungsvermögen der Mannschaft entsprochen haben. Wenn ich über Jahre den zweit- oder dritthöchsten Etat der Liga habe, erwarte ich auch, dass der Verein auch den zweiten oder dritten Platz erreicht", sagte Neururer, von April 1989 bis November 1990 ebenfalls Trainer auf Schalke und heute immer noch Mitglied gegenüber ran.de.
Neureurer über Schalke: Riesenloch zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Mit diesen Gehältern und Abfindungen für Manager und Trainer und den hohen Spielergehältern hätte sich Königsblau selbst "gefesselt". Neururer meint: "Es ist ein Riesenloch entstanden zwischen Anspruch und Wirklichkeit."
Managen muss dieses Loch aktuell eben Trainer Wagner. In der vergangenen Rückrunde erlitt Schalke zudem extremes Verletzungspech, auch ein Grund für die lange Negativserie.
Wagner kritisierte angesichts der vielen Ausfälle immer wieder die fehlende Breite des Kaders, das Team wäre "nicht konkurrenzfähig" gewesen. Für Neururer ein fataler Satz: "An sich hatte er mit der Aussage sicherlich recht, aber was die Wirkung auf die eigene Mannschaft angeht, ist das natürlich ein großer Fauxpas."
Ansonsten stellt sich Neururer aber ebenfalls vor Wagner. Für das Dilemma könne dieser nämlich gar nichts: "Er muss mit Spielern in die Saison gehen, die sich nicht sicher sind, ob sie bei Schalke bleiben oder nicht. Er muss auch mit Spielern klarkommen, die jetzt nach einer Leihe wieder zurückkommen und die wissen, dass Schalke sie loswerden wollte." Aktuelle Beispiele sind Sebastian Rudy und Mark Uth.
Wagner muss mit Profis arbeiten, die Schalke wegschicken wollte
Die Ursache dafür ist laut Neururer wieder die unproportionale Gehaltsstruktur: "Die sind ja nicht zurückgekommen, weil sie Gelsenkirchen so schön finden, sondern weil sie dort ein Gehalt bekommen, das deutlich höher ist. Das sind die Leihvereine dann nicht bereit zu bezahlen."
Wagner muss mit Profis arbeiten, die er nicht haben wollte und die wahrscheinlich lieber woanders spielen würden. Keine guten Voraussetzungen - und ein fatales Signal an den Rest der Mannschaft. Im letzten Sommer war Rudy nicht gut genug für den Kader, jetzt soll er im Mittelfeld die Fäden ziehen. Doch für Neuverpflichtungen ist ohnehin nicht viel Budget verfügbar - ein Teufelskreis.
Neururer kritisiert Schalker Führung
Den Grund für Schalkes Absturz in den letzten Jahren macht Neururer vor allem an der Vereinsführung fest: "Die Leute, die diese Entwicklung jahrelang hingenommen haben, sollten sich mal Gedanken machen. Wenn ich mich hinstelle und sage 'Ich habe kein Geld', stecke ich das Geld in meine Jugendabteilung, die Kanppenschmiede. Wir haben mit Norbert Elgert den erfolgreichsten Nachwuchstrainer Europas. Stattdessen stecken sie das Geld in die Infrastruktur. Darüber wollte sich der eine oder andere, glaube ich, profilieren. Das sieht auch großartig aus, wenn das alles mal fertig ist. Aber die Dinge, die den Sport eigentlich ausmachen, werden vernachlässigt."
Aus diesem Teufelskreis auszubrechen, dürfte für Königsblau ein langer und schwieriger Prozess werden. Für Wagners-Schicksalsspiel gegen Werder Bremen nimmt Neururer aber die Mannschaft in die Pflicht: "Gegen Bremen müssen sie gewinnen., Leidenschaft und Herzblut demonstrieren. Die Spieler müssen zeigen, dass sie gemeinsam aus dieser Sch***e raus wollen. Jetzt, wenn endlich ein Trainer die Möglichkeit bekommt, eine Krise zu bewältigen. Das wäre ein Signal."
Es wird höchste Zeit, dass die Mannschaft dieses Signal endlich mal sendet. Sonst wird sie sich (mal wieder) auf einen neuen Trainer einstellen müssen.
Julian Huter
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