Leverkusen auf dem Vormarsch
Bayer vor Pokalduell mit Bayern: Endlich wieder Vizekusen?
- Aktualisiert: 17.04.2018
- 18:55 Uhr
- Marco Kieferl
Wenn Bayer Leverkusen den FC Bayern zum Halbfinale des DFB-Pokals empfängt, treffen die derzeit wohl beiden besten Mannschaften Deutschlands aufeinander. Auch wenn Schalke 04 derzeit Bayern-Verfolger Nummer eins ist, schickt sich Bayer an, das alte Image von "Vizekusen" langfristig zurückzuerobern.
Leverkusen/München – Heiko Herrlich schien es schon vorher gewusst zu haben. "Unser Ziel muss sein, dass wir in dieser Saison noch einmal gegen Bayern spielen – und bis dahin so weit sind, dass wir sie schlagen können", sagte er nach der 1:3-Niederlage seiner Leverkusener am 18. Spieltag.
Drei Monate später bekommt sein Team die Chance, sich in einem der wichtigsten Spiele der jüngeren Leverkusener Vereinsgeschichte zu revanchieren. Um das zu schaffen, braucht Bayer ein nahezu perfektes Spiel.
"Gegen die Bayern reichen sicherlich nicht 99 Prozent, dann sind 100 Prozent zwingend notwendig", hielt Herrlich vor dem DFB-Pokal-Halbfinale (ab 20:30 Uhr im Liveticker auf ran.de) fest, betonte aber auch: "Wenn wir alles abrufen, was uns an Potenzial zur Verfügung steht, dann können wir jede Mannschaft in der Liga schlagen."
Bayer und Schalke: Best of the rest
Es sind angenehm forsche Töne, die Bayer fernab der üblichen Lobeshymnen an den Gegner vor dem Duell mit den Bayern anschlägt. Und das Selbstbewusstsein der Werkself kommt nicht von ungefähr.
Mit zwei beeindruckend deutlichen 4:1-Siegen gegen die Champions-League-Anwärter aus Leipzig und Frankfurt hat Bayer zuletzt zwei deutliche Ausrufezeichen an die Liga gesendet. Neben Schalke 04 ist es das Team von Heiko Herrlich, das sich momentan um Position zwei im deutschen Fußball bewirbt. Anders gesagt: Bayer will zurück zum einst so ungeliebten Vizekusen.
In der Liga trennen die Leverkusener derzeit noch vier Punkte von den Schalkern. Dennoch gibt es einige Gründe, die den Tabellendritten schon jetzt als stärksten Bayern-Herausforderer legitimieren.
Youngster-Offensive begeistert
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Bayer bewies vor allem in den jüngsten Spielen, welch außerordentlich spielerisches Potenzial in der jungen Offensive steckt. Individuell stellt man nach den Bayern und dem BVB wohl den stärksten Angriff der Liga. Die drittmeisten Tore hinter den beiden anderen Kandidaten bestätigen diese Annahme.
Vor allem im Umschaltspiel beweisen Leon Bailey, Kai Havertz, Julian Brandt und Kevin Volland ihre technische Klasse. Trotz des jungen Alters verfügt das Quartett bereits jetzt über extrem hohe spielerische Klasse und Tempo. Im bundesligaweiten Vergleich ist Leverkusen in den Kategorien der Sprints und intensiven Läufe sogar Ligaspitze.
Qualitäten, die man selbst bei den beiden 1:3-Niederlagen gegen Bayern andeuten, aber nicht konsequent genug ausspielen konnte. Ein Grund, warum das Ergebnis in beiden Duellen deutlicher war als der Spielverlauf.
Heynckes: "Ein Leckerbissen"
Jupp Heynckes scheint in jedem Fall gewarnt: "Leverkusen ist eine exzellente Kontermannschaft mit viel Fantasie und technischer Finesse. Im Pokal entscheidet immer die Emotion - das wird ein Leckerbissen."
Bayern profitierte gegen Bayer (anders als in den Spielen gegen Schalke) von fünf Standardtoren. Ein Fakt, der zeigt, warum die defensiv disziplinierteren Schalker noch vor der jungen Werkself stehen, aber auch das große Verbesserungspotenzial in Leverkusen zeigen. Nimmt man diese Fehler aus, versteht man, warum Heiko Herrlich positive Schlüsse aus den ersten beiden Duellen gegen den Rekordmeister zieht.
"Wir haben zweimal ganz ordentlich gespielt, hatten sowohl im Hin- als auch im Rückspiel Phasen, in denen wir gut ins letzte Drittel gekommen sind, dann aber unsere Torchancen nicht nutzen konnten", fasst Herrlich die bisherigen Begegnungen zusammen: "Und auch gegen den Ball hatten wir Phasen, in denen wir sehr gut verteidigt haben und das Spiel gut im Griff hatten."
Defensive Disziplin gegen Bayern gefordert
Chancen und Torschüsse erarbeitete sich Bayer vor allem am 1. Spieltag in München en masse. Auch im weiteren Saisonverlauf bewies die Werkself mit den zweitmeisten Torschüssen der Liga ihr spielerisches Potenzial. Dabei belegt Bayer mit 53,3 Prozent Ballbesitz auch Rang vier in puncto Ballbesitz, läuft dafür aber deutlich mehr als die genannte Konkurrenz.
Während Schalke 04 in dieser Saison über Disziplin und Kampf kommt, setzt Leverkusen größere spielerische Glanzlichter mit einer noch jüngeren Mannschaft. Herrlich lässt seine Offensiven frei aufspielen und wird mit Toren belohnt. Lehrgeld zahlt man ab und an noch mit defensiven Fehlern, auch das zwischenzeitlich 1:1 gegen Frankfurt war am Wochenende ein Beispiel dafür.
Doch in Leverkusen bekommt Heiko Herrlich die Zeit und das Spielergerüst, um seinem Team diese Fehler auszutreiben und es langfristig zu entwickeln. Trotz der einst so unglücklichen Trainerpräsentation durch Rudi Völler, der Herrlich offen als Ersatzkandidat verkaufte, blickt Bayer von allen Bayern-Konkurrenten wohl am entspanntesten in die Zukunft.
Herrlich: Vom Ersatz- zum Wunschkandidat
Aus der B-Lösung ist der Wunschtrainer für die kommenden Jahre geworden. Die Spieler honorieren die Entwicklung und verlängern anders als beispielsweise in Gelsenkirchen langfristig beim Klub.
Die neuen Verträge von Jonathan Tah und Julian Brandt garantieren keineswegs Vereinstreue bis ans Karriereende, waren in den letzten Wochen jedoch ein seltenes Ausrufezeichen inmitten eines Verfolgerfelds, das mit Niko Kovac und Leon Goretzka bereits wieder wichtige Stützen an den FC Bayern verliert oder wie der BVB vor einem größeren sportlichen Umbruch steht.
"Natürlich kann Bayer Titel gewinnen"
In den kommenden Wochen kann Bayer beweisen, dass man bereits jetzt erster Bayern-Herausforderer sein kann. Nicht nur im DFB-Pokal gegen den FCB und womöglich im Finale gegen Schalke, sondern auch am Wochenende im Bundesliga-Duell gegen Borussia Dortmund.
Wie schön, dass die Werkself gerade in dieser Phase sogar ein wenig die unsägliche Kultur des allgemeinen Understatements beendet. "Natürlich kann man mit Bayer 04 auch Titel gewinnen", betont Heiko Herrlich.
Er selbst muss es wissen, immerhin war der 46-Jährige Spieler bei zwei DFB-Pokalsiegern - unter anderem der Bayer-Helden des letzten Titels von 1993.
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