Balotelli und die Suche nach der Ausgeglichenheit

Aktualisiert: 13.11.2013
18:17 Uhr
SID

Im vergangenen Sommer machte Mario Balotelli der DFB-Elf im EM-Halbfinale das Leben noch zur Hölle. Vor dem Wiedersehen am Freitag (ab 20:15 Uhr im Liveticker auf ran.de) befindet sich Italiens Muskelpaket nun aber in einer schwierigen Phase.

Mailand - Das Bild ging um die Welt und dürfte Joachim Löw noch heute Albträume bereiten. Nach seinem zweiten Tor im EM-Halbfinale 2012 (2:1) warf Mario Balotelli sein italienisches Nationaltrikot auf den Boden der Arena in Warschau, spannte seinen muskelbepackten und tätowierten Oberkörper an und schaute unter der Irokesenfigur grimmig und entschlossen ins Weite.

Psychologen werteten die archaische Pose des dunkelhäutigen Stürmers wochenlang aus und sprachen von "einer Markierung des Reviers", Medien fanden Übereinstimmungen zu Michelangelos Skulptur "David" oder Ridley Scotts Film-"Gladiator". Balotelli selbst gab eine Statue der Szene in Auftrag. "Muskeln als Beweis und Ausdruck der Herausforderung für die Gegner" sei die Vorgabe gewesen, sagte der auserwählte Künstler Livio Scarpella.

Eine Herausforderung ist dieser Exzentriker Mario Balotelli aber nicht nur für seine Gegner, sondern auch für alle, die mit ihm arbeiten. Vor allem Trainer und Sportchefs verzweifeln manchmal an dem 23-Jährigen, der für Bundestrainer Löw und die deutsche Nationalmannschaft am Freitag in Mailand (ab 20:15 Uhr im Liveticker auf ran.de) wieder zum Schreckgespenst werden will.

"Trap" unterstützt Balotelli

Damit dies gelingt und der seit über einem Monat torlose Balotelli vor allem bei der WM wieder zum "Super-Mario" wird, sind die Rollen in der Erziehung des Widerspenstigen offenbar klar verteilt. Zuckerbrot vom Verband, die Peitsche vom Verein. "Der Druck auf Balotelli ist stark", sagte Verbandspräsident Giancarlo Abete und bat um Geduld und Nachsicht: "Man muss ihn in Ruhe lassen. Er ist erst 23 Jahre alt. Er ist ein extrovertierter Stürmer mit außerordentlichen Qualitäten. Und für die Nationalmannschaft hat er stets Positives geleistet."

Ihm zur Seite sprang der frühere Nationalcoach und Bayern-Trainer Giovanni Trapattoni. "In einem gewissen Alter überwiegt die jugendliche Überschwänglichkeit", äußerte der 74-Jährige fast schon großväterlich: "Das ist vielen anderen Spielern auch so ergangen. Irgendwann erreicht man eine gewisse Ausgeglichenheit. Auch Balotelli wird diese noch finden."

Beim AC Mailand versuchen sie derweil mit aller Macht, Balotelli die Extravaganzen und Skandale auszutreiben. Auf Druck des Vereins rasierte er den "Iro" ab und versprach, die Diamenten-Ohrringe abzulegen, seine Luxusvilla außerhalb der Stadt zu verlassen, den schwarzen Ferrari zu verkaufen und mehr Zeit mit den Mannschaftskollegen zu verbringen. Gerüchte, wonach ihm ein ehemaliger Elitesoldat als Aufpasser zur Seite gestellt wurde, wurden jedoch dementiert.

Rossi als Sturmpartner

Nur zwei Tage nach dem öffentlichen Bekenntnis zierte Balotelli wieder die Schlagzeilen, als er mit seinem (nur) etwas bescheideneren Audi direkt einen Autounfall verursachte. In der Liga stehen für den zuletzt oft auf der Bank sitzenden Torjäger bisher mehr Gelbe Karten (4) als Treffer (3) in der Statistik.

Nationalcoach Cesare Prandelli setzt gegen Deutschland dennoch auf Balotelli, will ihm aber auf dem Feld einen "Aufpasser" zur Seite stellen. Auf Giuseppe Rossi, dessen "großartige menschliche Qualitäten" Prandelli explizit lobte, wird er dabei aber nicht bauen können. Der Torjäger, der für Mario Gomez' Verein AC Florenz bereits elf Saisontore erzielte, wurde wegen einer Mandelentzündung aus dem Kader gestrichen.

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Prandelli: "Er ist ein Teamspieler"

"Er ist ein Teamspieler", betonte Prandelli und verband dieses Lob gleich wieder mit einer Mahnung an Balotelli: "Große Stars müssen das Team nicht alleine zum Sieg schießen, sie müssen zum Erfolg der Mannschaft beitragen." Balotelli erlebe gerade "eine besondere Phase. Aber wenn man Charakter hat, kann einen eine solche Phase stärken."

Den ersten Beweis seines Charakters will Balotelli am Freitag gegen Deutschland antreten.