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WM 2018

WM-Fahrer Paolo Guerrero: Vom Bad Boy zum Nationalheld

  • Aktualisiert: 02.06.2018
  • 11:00 Uhr
  • ran.de/Marco Kieferl
Article Image Media
© imago/Agencia EFE
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Paolo Guerrero schien wegen einer positiven Dopingprobe die WM zu verpassen. Erst ein sportjuristischer Kraftakt mit Hilfe des Verbands ermöglicht es Perus Kapitän, eine Karriere voller Aufs und Abs nun doch zu krönen.

Bern/Lima – Man stelle sich vor, Manuel Neuers Mittelfuß oder Michael Ballacks Wade der Nation 2006 wären über Nacht geheilt. So ähnlich und wahrscheinlich noch viel besser dürfte es sich für die Peruaner am Mittwoch angefühlt haben, als der Präsident des landeseigenen Fußballverbandes die verschobene Dopingsperre von Nationalmannschaftskapitän und Rekordtorschütze Paolo Guerrero verkündete.

Von einer "Freude für das ganze peruanische Volk" sprach FPF-Präsident Edwin Oviedo, nachdem er gemeinsam mit Guerrero nach über einem halben Jahr einen beispiellosen juristischen Kampf um dessen WM-Teilnahme schlussendlich doch noch gewonnen hatte.

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Guerrero bringt Peru auf den Weg

Für Europäer lässt sich kaum nachvollziehen, wie wichtig den fußballverrückten Peruanern ihre erste WM-Teilnahme seit 1982 und ihr Anführer auf dem Platz ist.

Guerrero selbst war es nämlich, der die "Blanquirroja" im letzten WM-Qualifikationsspiel gegen Kolumbien mit seinem Freistoßtreffer zum 1:1 den entscheidenden Punkt für die Teilnahme an den Playoffs rettete.

Kokain-Abbauprodukt im Körper

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Paolo Guerrero darf doch zur WM
News

Gericht entscheidet: Guerrero darf mit zur WM

Nun also doch: Paolo Guerrero darf nach wochenlangem Rechtsstreit doch an der Weltmeisterschaft teilnehmen. Das Schweizer Bundesgericht entschied für eine Aufschiebung seiner Dopingsperre.

  • 31.05.2018
  • 17:15 Uhr

Knapp drei Wochen später brachte ihn ein auffälliger Dopingtest um die wohl wichtigsten Spiele der jüngeren peruanischen Fußballgeschichte in den Playoffs gegen Neuseeland. Bei Guerrero war ein auffällig hoher Wert an Benzoylecgonin, einem Abbauprodukt von Kokain, in der Urinprobe festgestellt worden.

Was zunächst in einer 30-tägigen Sperre mündete, entwickelte sich zu einem regelrechten Hin und Her von sportgerichtlichen Urteilen. Auf Drängen der WADA wurde Guerreros Fall wieder aufgerollt und endete in einer einjährigen Sperre, die kurze Zeit darauf auf ein halbes Jahr verkürzt wurde.

Mate-Tee als Ursprung allen Übels?

Guerrero war also binnen zwei Monaten vom WM-Held und Teilnehmer zum Gesperrten und wieder zurück mutiert. Besser sollte es auch im Anschluss nicht werden. Der 34-Jährige verpasste gemäß dem Beschluss der FIFA sämtliche Pflichtspiele in den folgenden sechs Monaten, kämpfte aber parallel vor dem Internationalem Sportgerichtshof CAS gegen seine Verurteilung.

Er bestand darauf, dass er "niemals irgendeine Art von Drogen oder verbotenen Substanzen konsumiert" habe. "Ich war immer ein Profi", hielt Guerrero fest und argumentierte, dass das Benzoylecgonin durch einen verunreinigten Mate-Tee in seinen Körper gelangt sei. Sein Anwalt begründete die positive Probe mit der Einnahme eines Hustenmittels.

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"Haben meine Karriere gestohlen"

Die WADA hielt ihrerseits völlig korrekt fest, dass ein Dopingverstoß eben ein Dopingverstoß ist, völlig unabhängig von der Schuldfrage. Diese ist erst dann von Belang, wenn es darum geht, wie lange eine Sperre erfolgt. Ein verunreinigter Mate-Tee überzeugte die WADA dabei keinesfalls, von ihrer Forderung einer üblichen ein- bis zweijährigen Dopingsperre Abstand zu nehmen.

Und so trafen sich beide Seiten Mitte Mai erneut vor dem Sportgerichtshof, der Guerrero zu einer 14-monatigen Sperre verurteilte. Eine Katastrophe für den 34-Jährigen, der angesichts seiner letzten WM-Chance klagte: "Für die Menschen, die zu dieser beschämenden Ungerechtigkeit beigetragen haben, die die WM und vielleicht auch meine Karriere gestohlen haben, hoffe ich, dass sie in Ruhe schlafen können."

Staatspräsident und Konkurrenz unterstützt

Es sollte bei Weitem nicht die letzte Maßnahme sein. Guerreros Schicksal machte mobil. Er selbst traf sich mit FIFA-Präsident Gianni Infantino und zog in nächster Instanz vor das Schweizer Bundesgericht, Verbandspräsident Oviedo stellte in einer eidesstattlichen Erklärung die Wichtigkeit Guerreros für die Nationalmannschaft heraus.

Sogar Staatspräsident Martin Vizcarra, die Spielervereinigung FIFPro sowie die Kapitäne von Perus Vorrundengegnern Frankreich, Dänemark und Australien - Hugo Lloris, Simon Kjaer und Miles Jedinak - machten sich für eine WM-Teilnahme Guerreros stark.

WM "stellt Krönung der Karriere dar"

Letztlich scheint es geholfen zu haben, schließlich begründete das Bundesgericht, man habe bei der Aussetzung der Sperre "den diversen Nachteilen Rechnung getragen, die der bereits 34 Jahre alte Fußballspieler erleiden würde, wenn er nicht an einer Veranstaltung teilnehmen könnte, welche die Krönung seiner Fußballer-Karriere darstellen wird."

Guerrero ließ in einer Pressemitteilung verlauten, er empfinde das Urteil als "pure Gerechtigkeit". Tatsächlich kann man das Ergebnis eines monatelangen Prozessmarathons durchaus anders betrachten. Guerrero wurde nicht von seinem Vergehen freigesprochen, die Strafe wurde lediglich verschoben.

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Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

"Zu berücksichtigen ist, dass er nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat", ließ das Bundesgericht in der weiteren Urteilsbegründung verlauten. Selbst WADA und FIFA hätten "beide ein Verhalten gezeigt, aus dem geschlossen werden darf, dass sie nicht kategorisch gegen eine Teilnahme des Beschwerdeführers an der WM sind."

Zweifellos Aussagen, die Guerrero entlasten, aber eben nicht freisprechen. Dafür müsste er stichhaltig nachweisen können, wie die verbotene Substanz in seinen Körper gelang. Tennis-Profi Richard Gasquet gelang das 2009, als er einen positiven Kokaintest etwas kurios mit einer Knutscherei mit einer offenbar drogenkonsumierenden Frau in einem Nachtklub von Miami begründete.

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Reicht Mate-Tee als Begründung?

Ob Guerrero eines Tages mit der Begründung eines verunreinigten Mate-Tees ebenso einen erfolgreichen Freispruch erwirken kann, wie die südamerikanischen Ex-Nationalspieler Armelino Donizetti und Miguel Rimba 1993, muss die Zukunft klären.

Im Moment dürfte Guerrero dieses Thema kaum beschäftigen. Für ihn zählt schließlich nur die WM und vielleicht ist mit 34 Jahren und einem auslaufenden Vertrag bei Flamengo ja ohnehin nach diesem Kalenderjahr Schluss.

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Justiz-Prozess als Spiegelbild der Karriere

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Festhalten lässt sich zumindest, dass der juristische Kampf auf seine ganz eigene Art zu Guerreros Karriere passt: streitbar, mit unzähligen Aufs und Abs.

Der Mann, dessen Nachname auf Deutsch mit "Krieger" übersetzt werden kann, begann einst als hoffnungsvolles Talent beim FC Bayern, wo er zwischen 2004 und 2006 als Edeljoker mit neun Treffern von der Bank auf sich machte.

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Aus Bad Boy wird Nationalheld

Sechs Jahre beim HSV ließen Guerrero vom Leistungsträger zum Bad Boy inklusive Horrorgrätsche und Flaschenwurf werden. Auch in der Nationalmannschaft lief es in dieser Zeit kaum besser. Flugangst, Prügelaufforderungen an gegnerische Fans und eine Sechs-Spiele-Sperre nach der Beleidigung eines Schiedsrichters machten ihm 2009 zu schaffen.

Erst drei Jahre später sollte Guerrero seiner Karriere mit seinem Wechsel nach Brasilien eine Wendung geben, wo er seinen Ruf bei Corinthians und Flamengo fernab der deutschen Wahrnehmung wiederherstellte.

WM-Teilnahme noch nicht fix

Guerrero schoss Corinthians 2012 mit Siegtreffern im Halbfinale und Finale gegen Chelsea zum Titel bei der Klub-WM. Ein Jahr später gewann er das südamerikanische Pendant zur Europa League. Als Torschützenkönig der Copa America 2011 und 2013 legte er den Grundstein, um Perus Rekordtorschütze und Nationalmannschaftskapitän zu werden, für den ein ganzes Land bereit zu sein scheint, gegen die FIFA Sturm zu laufen.

Noch ist Guerrero im Übrigen nicht Teil des endgültigen WM-Aufgebots. Durch den überraschenden Freispruch muss Nationaltrainer Ricardo Gareca noch einen Spieler aus dem 24-Mann-Kader streichen.

Kaum vorstellbar, dass er Guerrero heimschicken wird. Sonst laufen der Krieger und ganz Peru erneut heiß.

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