Formel 1
Kein Land gegen Leclerc: Das große Rätsel um Sebastian Vettel
- Aktualisiert: 09.08.2020
- 10:56 Uhr
- ran.de / Andreas Reiners
Sebastian Vettel sieht in Silverstone kein Land gegen seinen Ferrari-Teamkollegen Charles Leclerc. Spekuliert wird jetzt bereits, ob die Scuderia das Auto des Deutschen absichtlich vernachlässigt.
München – Am Funk sind die Fahrer gerne mal emotional. Traurig, oder enttäuscht. Sauer.
In jedem Fall sind sie in dem Moment ungefiltert. Man erhascht in ihren ersten Reaktionen einen ehrlichen Blick in ihre Gefühlswelt, es geht etwas unverfälschter zu.
Wie bei Sebastian Vettel. So hat sein 17-sekündiges Schweigen nach den beschwichtigenden Floskeln von Ferrari-Teamchef Mattia Binotto nach dem ersten Formel-1-Rennen in Silverstone mehr gesagt als 1000 Worte.
Unangenehme Stille
"Radio check?", zweifelte der Renningenieur nach der unangenehmen Stille an der Verbindung. Vettel blieb höflich. "Ich hatte sehr wenig Vertrauen ins Auto, es war Runde für Runde ein Kampf, nichts hat geholfen."
Nach dem Qualifying zum zweiten Lauf am Sonntag ließ er einmal mehr durchblicken, dass es nicht an ihm liegt, dass der viermalige Weltmeister nicht auf Touren kommt.
"Das war alles, was ich hatte. Alles, was in diesem Auto steckte. Ich hab's versucht. Danke." Ende der Durchsage. Auch diese Worte wirken nach.
Es ist ja kein Geheimnis, dass der Ferrari 2020 schwach auf der Brust und im Normalfall im Kampf um den Sieg chancenlos ist. Für Vettel ist daher vor allem Teamkollege Charles Leclerc die Benchmark, und da sieht der Deutsche inzwischen kein Land mehr.
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"Habe alles versucht"
"Wir sind genau da, wo wir letzte Woche waren", sagte der Heppenheimer. "Ich habe alles versucht, mehr kann ich im Moment nicht machen. Ich versuche, jedes Mal bevor ich einsteige, den Resetknopf zu drücken und das Beste herauszuholen." Da spricht der Frust, gepaart mit Resignation. Und wohl auch dem Wissen, dass es gut möglich ist, dass es nicht mehr besser werden wird.
Auf den Einwand, dass es bei seinem Teamkollegen deutlich besser läuft, antwortete er: "Wie gesagt, ich denke, ich bin jetzt lange genug dabei und ich habe sehr viel probiert, aber wir sind in den zwei Wochen bis jetzt auf keinen grünen Zweig gekommen."
Mit seinem Quali-Auftritt war er zufrieden. Er glaube nicht, dass da noch viel Luft gewesen sei: "Ich bin natürlich nicht zufrieden mit dem zwölften Platz, aber mehr war heute bei mir nicht drin."
Was Leclerc betrifft, weiß Vettel: "Der Abstand war immer relativ konstant."
Abstand konstant
Konstant rund eine halbe Sekunde. Wo sich zurecht die Frage stellt: Ist der Deutsche tatsächlich so viel langsamer als Leclerc, und das im gleichen Auto?
"Sebastian fährt keine halbe Sekunde langsamer als sein Teamkollege. Da ist ganz klar: Sein Ferrari kann nicht schneller", sagt Sky-Experte Ralf Schumacher.
"Ich hätte schon längst mal das Chassis gewechselt", konstatierte Ex-F1-Pilot Christian Danner bei "Auto Bild Motorsport". Und deutete an, dass es gar keine so große Überraschung sein muss, dass Vettel langsamer als Leclerc ist. "Ich habe in meiner Karriere oft erlebt, dass Autos, die hätten identisch sein sollten, nicht identisch waren", sagte der 62-Jährige.
Absicht also?
Das wird spekuliert, ist aber natürlich kaum nachzuweisen. Klar ist aber, dass Vettel durch die feststehende Trennung nach der Saison sowieso die "Lame duck" ist.
Ferrari sieht generell kein Land gegen Mercedes oder Red Bull, setzt in Zukunft auf Leclerc und muss die Trennung von Vettel irgendwie rechtfertigen können: Da würde es nicht verwundern, wenn das Auto des Deutschen vernachlässigt wird, während sein Teamkollege einen Boliden hingestellt bekommt, mit dem er zumindest halbwegs arbeiten kann. Sinn macht es angesichts der Konstrukteurs-Wertung, für die es schließlich Geld gibt, aber nicht, dass Ferrari Vettel hängen lässt und sein Auto schlechter vorbereitet.
Ehe ist vorbei
So oder so: Sein früherer Teamkollege leidet mit. Mark Webber wusste im Juli im Podcast "In the Fast Lane" bereits: "Die Beziehung ist zu Ende, die Chemie weg, die Ehe ist vorbei."
Man sieht es nicht nur, man hört es inzwischen auch.
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