Motorsport DTM
Nach HWA-Aus: Droht AMG schwieriger Neustart mit Affalterbach Racing GmbH?
Mercedes-AMG steht vor einer riesigen Herausforderung: Nach mehreren Jahrzehnten geht Ende November die Zusammenarbeit mit der HWA AG zu Ende. Das Unternehmen von Hans-Werner Aufrecht setzte bisher für die Marke mit dem Stern nicht nur alle Werksengagements abseits von Formel 1 und Formel E um, sondern ist seit 2010 auch als Partner für das komplette GT3-Programm zuständig.
Wie man hört, verläuft der Wechsel von HWA zur hauseigenen Affalterbach Racing GmbH, die seit 2024 aufgebaut wird und eine 100-Prozent-Tochter von AMG ist, nicht gerade reibungslos. "Dort ist man erst in der Findungsphase", sagt ein Branchenkenner. "Das sind alles neue Leute, es mangelt an Organisation."
All das darf nicht überraschen. Denn die Affalterbach Racing GmbH (kurz AFB) steht vor einer Herkulesaufgabe: Sie soll ab 2026 nicht nur den Bau aller Mercedes-AMG-Kundensportautos inklusive Support und Revisionen umsetzen, sondern ist auch für die Entwicklung des ambitionierten neuen GT3-Autos von Mercedes-AMG zuständig.
"Vielen wird bewusst, was HWA alles für Mercedes gemacht hat"
Und das in einer Zeit, in der AMG-Geschäftsführer Michael Schiebe die Performanceschmiede von Mercedes verlässt und noch kein Nachfolger präsentiert wurde. "Vielen wird erst jetzt bewusst, was HWA eigentlich alles für Mercedes gemacht hat", sagt eine weitere Quelle aus dem Mercedes-Umfeld.
Aber ist Mercedes-AMG auf den Umbruch vorbereitet? "Seit der Gründung der Affalterbach Racing GmbH im letzten Jahr läuft der Aufbau kontinuierlich weiter", beschreibt Christoph Sagemüller, der bei Mercedes-AMG den Motorsportbereich leitet, den aktuellen Stand. "Wir sind sehr zufrieden, liegen im Zeitplan und sind stolz auf die Mannschaft, die wir bislang aufgebaut haben."
Affalterbach Racing GmbH: Benötigt AMG mehr Personal als gedacht?
Diese bestehe "überwiegend aus sehr erfahrenen Mitarbeitenden aus dem Motorsportbereich". Man hört von inzwischen bereits über 100 Mitgliedern - plus Subunternehmer. Aus gut informierten Kreisen ist zu hören, dass man zunächst mit viel weniger Personal geplant hatte. Und: Die Firma schreibt nach wie vor Stellen aus. Etwas weniger als 40 Personen sollen von HWA stammen, was Sinn ergibt, da diese im Kundensport-Bereich eingearbeitet sind.
"Wir sind bei der Affalterbach Racing GmbH so gestafft, wie wir es für den jetzigen Zeitpunkt geplant haben", will Sagemüller nichts von einer Fehleinschätzung der angepeilten Personalzahl wissen. Er bittet aber um Verständnis dafür, "dass wir die exakten Zahlen für uns behalten".
Über 10.000 Teile müssen bis 2026 den Standort wechseln
Wie man hört, könnte es durch den Umstieg von der HWA AG zur AFR GmbH in den kommenden Monaten zu Engpässen kommen, was die Ersatzteilversorgung für die rund 300 AMG-Kundensport-Fahrzeuge angeht, die aktuell im Einsatz sind. Daher wurden die Teams bereits im Vorfeld darüber informiert, sich mit ausreichend Teilen auszustatten, damit der Betrieb aufrecht erhalten wird.
"Es ist normal, dass es am Anfang ein bisschen Reibungsverluste geben wird", relativiert Thomas Jäger, der bei Mercedes-AMG sportlicher Leiter für den DTM-Bereich ist. "Es sind sehr viele Teile, es muss eine Inventur gemacht werden. Wir reden von wahrscheinlich 14.000, 15.000 Sachnummern. Das dauert, bis das mal gezählt ist."
Die größte Herausforderung sei es, "die Systeme wieder zum Laufen zu bringen", stellt Jäger klar. Die Affalterbach Racing GmbH, die ab Januar 2026 nach einem Monat Übergangszeit zuständig ist, übernimmt auch die Ersatzteil-Lkw von HWA, was einen geordneten Übergang ermöglichen soll.
Büros und Werkstätten aktuell als Übergangslösung
Bis wann man mit einer Rückkehr zur Normalität rechnen kann? "Ich denke, dass das System zur Europasaison wieder tipptopp läuft", antwortet Jäger. "Wir möchten auf alle Fälle in Zukunft genau den gleichen Topservice liefern wie bisher - wie es die Kunden gewohnt sind und auch verdient haben."
Aber gibt es aktuell überhaupt die nötigen Lager und Werkstätten für Ersatzteile und Support? In Affalterbach, wo die AFR GmbH ihren Sitz haben soll, sucht man diese aktuell vergeblich. Dennoch meint Sagemüller, dass die Firma "hinsichtlich Räumlichkeit sehr gut ausgestattet" sei.
"Es stehen rund 2.000 Quadratmeter Werkstattfläche für Service und Reparaturen, sowie 600 Quadratmeter Büroarbeitsplatz zur Verfügung. Und dazu gehören natürlich auch die nötigen Werkzeuge, um einen entsprechenden Service für die bestehenden Fahrzeuge zu gewährleisten."
Allerdings nicht in Affalterbach, sondern im rund 20 Kilometer entfernten Untertürkheim, wo das Mercedes-Benz-Werk beheimatet ist und das Team der AMG-Tochter derzeit untergebracht ist. Das soll - wie man hört - auch noch über ein Jahr lang so bleiben, bis die vorgesehenen Gebäude gebaut und bezugsfertig sind. Das neue Ersatzteil-Lager soll sich in Magstadt befinden - also rund 25 Kilometer von Untertürkheim und 40 Kilometer von Affalterbach entfernt.
Bleibt HWA trotz Trennung Mercedes-AMG-Dienstleister?
Aber wo werden nach der HWA-Trennung Motor- und Getrieberevisionen durchgeführt? "Diese Dienstleistungen werden von der Affalterbach Racing GmbH gesteuert", antwortet Sagemüller, der die gewohnte Qualität verspricht. Zudem offenbart er, dass "die Motorrevisionen direkt bei Mercedes-AMG selbst umgesetzt" werden. Ein Bereich, für den auch HWA als Kandidat galt.
Für Getrieberevisionen sucht die Affalterbach Racing GmbH allerdings noch einen Dienstleister - und HWA ist laut Informationen von Motorsport-Total.com trotz des AMG-Bruchs einer der potenziellen Kandidaten für den Auftrag.
HWA bietet Hilfe an: "Stehen unseren Nachbarn zur Verfügung"
Das Unternehmen von Hans-Werner Aufrecht, dem in den vergangenen Jahren seit dem Werksausstieg aus der DTM Ende 2018 immer mehr Aufträge von Mercedes-AMG entzogen wurden, obwohl man das inzwischen mit anderen Aufträgen kompensiert hat, zeigt sich nach wie vor offen für eine weitere Kooperation.
"Wir bedauern, den Kundensport nicht mehr für AMG ausrichten zu können, schließlich haben wir den Bereich von 2010 bis 2025 mit sehr erfolgreichen und zuverlässigen Fahrzeugen und einem meiner Meinung nach vergleichslosen Aftersales- und Kundensupport-System entwickelt und sind gemeinsam gewachsen", sagt HWA-Geschäftsführer Martin Marx im Gespräch mit Motorsport-Total.com.
"Es gibt zwar jetzt keine vertragliche Basis mehr, aber wir stehen unseren Nachbarn als Partner und Dienstleister weiter für Unterstützungsleistungen zur Verfügung. Wir arbeiten gerne weiter für AMG, schließlich haben wir den gleichen Namensgeber."