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Großes Exklusiv-Interview mit David Haye

David Haye im Interview: "Die Klitschko-Ära ist vorbei!"

  • Aktualisiert: 18.12.2015
  • 10:14 Uhr
  • ran.de
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© 2012 Getty Images
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Nach seiner rund dreijährigen Verletzungspause will David Haye wieder in den Ring steigen. Im Interview mit ran spricht der ehemalige WBA-Weltmeister im Schwergewicht über seine weiteren Karrierepläne für die kommenden Jahre.

München - Im Interview mit ran spricht David Haye über den Plan für sein Comeback. Nach der längeren Verletzungspause will der 35-Jährige noch einmal angreifen und sich alle Gürtel erkämpfen. Außerdem verrät er, was er von seinem Konkurrenten Tyson Fury hält. 

ran.de: David Haye, im Schwergewicht ist gerade jede Menge los. Tyson Fury hat mit seinem Sieg gegen Wladimir Klitschko alle überrascht. Sie auch?

David Haye: Absolut. Ich bin fest davon ausgegangen, dass Klitschko Weltmeister bleibt. Tyson Fury ist nicht gerade der talentierteste Boxer. Aber Klitschko hat einfach nicht geschlagen. Das war schon sehr seltsam. Ich habe ihn noch nie so eingeschüchtert erlebt. Es sah fast so aus, als hatte er Angst.

Können Sie sich das irgendwie erklären? Hier in Deutschland wird jetzt diskutiert, ob es einfach ein schlechter Tag war oder er dem Alter Tribut zollen muss.

Haye: Wer weiß, er ist fast 40 und hat unzählige Titelkämpfe und Trainingslager hinter sich. Es ist schon möglich, dass der Geist will aber der Körper nicht mehr kann. Aber vielleicht kann Klitschko grundsätzlich nur gewinnen, wenn er körperlich überlegen ist und klammern kann. Plötzlich steht da einer wie Fury mit einer größeren Reichweite, und er ist völlig hilflos. Ich verstehe mittlerweile sehr gut, warum er sich nie gegen Nikolay Valuev in den Ring getraut hat. Der hätte ihn vernichtet.

Hat Sie Furys Leistung gar nicht beeindruckt? Immerhin ist ihm etwas gelungen, woran Sie vor fünf Jahren gescheitert sind.

Haye: Die Tatsache, dass er gewonnen hat, hat mich in jedem Fall beeindruckt. Ich weiß selbst, wie schwierig es ist, in Wladimirs Vorgarten zu boxen. Es werden dir nur Steine in den Weg gelegt. Und Fury hat es trotz Klitschko-Punktrichtern, Klitschko-Ringrichter, Klitschko-Handschuhen, Klitschko-Ring und den ganzen Störfeuern drum herum geschafft, den Kampf für sich zu entscheiden. Das ist sicher einer der größten Erfolge im Boxen seit langer, langer Zeit.

Das klingt nach einem "Aber"…

Haye: Ja, denn seine boxerische Leistung, seine Schläge waren kein bisschen beeindruckend. Er hat eigentlich nur im Ring herumgekaspert. Ein großer Klotz mit den Fäusten hinter dem Rücken, von dem sich Klitschko hat vorführen lassen. Aber die Art und Weise spielt am Ende keine Rolle. Der Sieg zählt. Und dafür verdient er Respekt.

Tyson und Sie, sie sind nicht gerade die besten Freunde. Trotzdem haben Sie ihm die Daumen gedrückt. Warum?

Haye: Es war einfach höchste Zeit für eine Veränderung. Wladimir Klitschko ist so unglaublich langweilig. Tyson Fury mag ein Idiot sein, aber er ist unterhaltsam. Er singt im Ring. Und er verkleidet sich bei der Pressekonferenz als Batman und rennt herum wie ein Verrückter. Das ist lustig.

Momentan bekommt er für einige Äußerungen aber ziemlich Gegenwind.

Haye: Klar gibt er auch völlig verrückte Dinge von sich. Wenn er zum Beispiel sagt, dass Frauen in die Küche gehören oder auf den Rücken, kannst du nur den Kopf schütteln. Aber er sorgt für Aufmerksamkeit im Schwergewichtsboxen. Mehr Leute sprechen darüber, mehr Leute interessieren sich dafür. Boxen ist Theater. Und es braucht Persönlichkeiten, die polarisieren. Deshalb ist mir Tyson Fury als Weltmeister tausendmal lieber als Wladimir Klitschko.

Aber ist es nicht traurig, dass Fury gerade den größten sportlichen Erfolg gefeiert hat und alle Welt nur darüber spricht, dass er angeblich homophob und frauenfeindlich ist?

Haye: Boxen und Skandale gehören scheinbar zusammen. Aber es ist ja auch so: Je umstrittener du bist, desto populärer bist du. Floyd Mayweather zum Beispiel war im Gefängnis. Daran kann man nichts Positives finden. Aber dennoch wollten die Fans ihn weiterhin boxen sehen. Und jetzt ist er der reichste Sportler aller Zeiten. Natürlich wirft das nicht unbedingt ein gutes Licht auf den Sport. Aber die Leute fühlen sich offenbar eher zu den Skandal-Boxern hingezogen.

Haben Sie sich deshalb selbst auch häufig daneben benommen?

Haye: (lacht)... Ich habe in meiner Karriere immer Grenzen überschritten, immer provoziert. Aber ich habe zumindest versucht, nicht zu viele Menschen zu beleidigen, eigentlich immer nur meine Gegner. Ich bereue nichts. (lacht)

Da waren aber schon auch ein paar Aktionen dabei, die unter die Gürtellinie gingen. Wenn ich da zum Beispiel an das T-Shirt denke, auf dem Sie die Köpfe der Klitschko-Brüder in den Händen halten.

Haye: (lacht)… Boxen ist großes Kino. Da geht es um Emotionen und Leidenschaft.  Wenn du dir einen Kampf ansiehst, bei dem dir beide Boxer völlig gleichgültig sind, dann wird es für dich niemals ein wirklich aufregender Kampf. Egal, wie gut er auch technisch sein mag. Aber wenn du mit einem Boxer mitfiebern kannst oder ihn hasst, dann entsteht Leidenschaft. Und genau dafür lieben die Menschen das Boxen.

Ihre Liebe zum Boxen ist offenbar auch ungebrochen. Sonst würden Sie nach dreieinhalb Jahren Auszeit nicht nochmal den mühsamen Weg zurück wagen. Der Zeitpunkt für Ihr Comeback könnte ja nicht besser sein. Im Schwergewicht ist wieder jede Menge Bewegung.

Haye: Ich würde gerne sagen, das war alles strategisch geplant. Aber es ist einfach nur Zufall. Ich habe erst vor gut zwei Monaten von den Ärzten grünes Licht bekommen. Nach meiner Schulter-OP vor zwei Jahren wusste ich nicht, ob ich jemals wieder das tun kann, was ich liebe. Es ist absolut frustrierend, von seinem eigenen Körper ausgebremst zu werden. Ich musste viel Geduld aufbringen. Aber jetzt kann ich es kaum erwarten, wieder im Ring zu stehen.

Sie haben damals vor Ihrer OP drei Kämpfe hintereinander platzen lassen. Gegen Manuell Charr und zweimal gegen Tyson Fury. Es gab einige Leute, die Ihre Verletzungen angezweifelt haben. Haben Sie das verstanden?

Haye: Wenn Leute sagen, du drückst dich vor irgendeinem Gegner oder täuschst sogar eine Operation vor, dann ist das natürlich nicht schön zu hören. Ich habe es versucht auszublenden.

Also hat es Sie schon getroffen?

Haye: Es hat mich getroffen, dass ich nicht kämpfen konnte. Was irgendwelche Leute von mir halten, ist mir eigentlich egal. Ich denke, ich habe längst bewiesen, dass ich niemandem aus dem Weg gehe. Ich habe zu jedem Zeitpunkt meiner Karriere immer die größten und schwierigsten Kämpfe angestrebt. Aber es wird immer Leute geben, die dir etwas unterstellen. Das darf man sich nicht so zu Herzen nehmen.

Ihr erster Gegner am 16. Januar wird der Australier Mark de Mori sein. Die Nummer zehn bei der WBA aber trotzdem ein recht unbeschriebenes Blatt. Warum haben Sie sich für ihn entschieden?

Haye: Es waren viele Dinge ausschlaggebend. Er sieht beeindruckend athletisch aus, hat einen guten Ranglistenplatz, eine hohe K.o.-Quote, kann verbal ganz gut austeilen, und er ist seit elf Jahren ungeschlagen. Das war mir besonders wichtig. Ich wollte auf keinen Fall gegen jemanden kämpfen, der schon von Deontay Wilder oder Wladimir Klitschko ausgeknockt wurde. Ich will ein Statement abliefern und zeigen, dass ich wieder da bin. Und ich denke, gegen die Nummer zehn der WBA zu beginnen, ist nicht so schlecht.

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David Haye, 940

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  • 22.10.2015
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Peter Fury, Tyson Furys Trainer, hat in einem Interview gesagt, de Mori sei kein ernst zu nehmender Gegner. Wie kommt er darauf?

Haye: Nur weil de Mori bislang keinen großen Namen in seiner Kampfbilanz hat? Bevor Wilder um den WM-Titel geboxt hat, hat man dasselbe über ihn gesagt. Jetzt ist er Weltmeister. De Mori hat einfach noch nicht die Gelegenheit bekommen. Das heißt nicht, dass er es nicht kann.

Sie haben einmal gesagt, Sie glauben nicht an Ring-Rost. Aber selbst wenn Sie nach der langen Pause körperlich wieder in Topform sind, kann man das Wettkampfgefühl nicht trainieren. Mental ist man doch zwangsläufig eingerostet, oder?

Haye: Da stimme ich zu 100 Prozent zu. Es dauert eine Zeit wieder Ringerfahrung zu sammeln. Genau deshalb ist es gut, dass ich nicht gleich bei meinem ersten Kampf gegen Deontay Wilder in den Ring steige.

Glauben Sie, Sie würden gegen ihn verlieren?

Haye: Ich fühle mich zwar stark genug, aber ich habe aus der Box-Geschichte gelernt. Muhammad Ali, der größte Boxer aller Zeiten, hatte auch eine dreieinhalbjährige Pause. Er ist ziemlich schnell gegen Joe Frazier angetreten und hat prompt verloren. Aber nachdem er wieder Wettkampfpraxis gesammelt hatte, konnte er Frazier zweimal besiegen. Das beweist mir, dass du bei deinem Comeback nichts überstürzen solltest. Du musst dich Stück für Stück wieder nach oben arbeiten.

Und wie lange soll es dauern, bis Sie für einen WM-Kampf bereit sind?

Haye: Ich habe keine Ahnung. Vielleicht sechs Monate, vielleicht zwei Jahre. Ich weiß nur, es wird passieren. Und dann hole ich mir das, was mir meiner Meinung nach zusteht: alle Gürtel.

Auf dem Weg dahin werden Sie wohl Fury, Wilder und sicher auch Anthony Joshua begegnen. Wie schätzen Sie die drei ein?

Haye: Wilder hat richtig Punch. Ich kenne ihn sehr gut, er war 2013 schon zum Sparring in meinem Trainingslager. Er schlägt verdammt hart und ist unglaublich athletisch. Wahrscheinlich würde er Fury platt machen. Vielleicht auch Klitschko. AJ hat ähnliche Power. Er hat schon als Amateur mit Fury gesparrt und ihn fertig gemacht. Wenn er seinen Weg so weitergeht wie bisher, wird er bald um einen WM-Titel kämpfen. Aber ich bin überzeugt, dass keiner der drei besser ist als ich.

Und Wladimir Klitschko? Haben Sie kein Interesse mehr daran, die offene Rechnung zu begleichen?

Haye: Es wäre eine größere Genugtuung, Tyson Fury auszuknocken. Er ist jung und ungeschlagen. Es ist doch viel interessanter den aktuellen Champion zu besiegen als den Verlierer.

Also glauben Sie, dass Fury auch den Rückkampf für sich entscheiden wird?

Haye: Ich denke schon. Die Klitschko-Ära ist vorbei. Wladimir hatte nicht das kleinste Erfolgserlebnis im ersten Kampf. Ich kann mir sogar vorstellen, dass es beim zweiten Mal noch schlechter für ihn läuft. Aber im Schwergewicht ist alles möglich. Das haben wir ja erst gesehen.

Zum Showdown zwischen Ihnen und Fury wird es so schnell auf jeden Fall nicht kommen. Angeblich will er lieber seinen Titel niederlegen, sollten Sie bei irgendeinem Verband Pflichtherausforderer sein. Er sagte, er will Ihnen keine Chance auf einen großen Zahltag geben. Wie denken Sie darüber?

Haye: Hm, den IBF-Gürtel ist er ja schon los. Wenn er weitere Titel niederlegt, dann könnte er am Ende mit leeren Händen da stehen. (lacht)… Er hat auch gesagt, er kämpft nicht gegen Wilder, weil der nur ein Basketballspieler sei. Es ist schon ein bisschen verwunderlich, wenn der neue Weltmeister ankündigt, dass er ausgerechnet gegen die zwei gefährlichsten Schwergewichtler der Welt nicht antreten will. Das sagt doch viel über ihn als Mann aus.

Für Ihre Mission zurück an die Spitze haben Sie so gut wie alles verändert. Sie haben sich von Ihrem langjährigen Trainer Adam Booth getrennt, Ihr Gym geschlossen und sogar Ihren Boxring verkauft. Warum diese Runderneuerung?

Haye: Ich wollte einen kompletten Neustart mit einem ganz neuen Team. Mein neuer Trainer ist Shane McGuigan. Er ist sehr jung, erst 27, aber unglaublich gut in dem, was er tut. Ich war selbst überrascht, was er mir altem Hasen noch beibringen kann. Wir arbeiten jetzt seit zwei Monaten miteinander, und ich fühle mich wie neu geboren.

Was gibt Ihnen die Sicherheit, dass Sie sich nicht wieder verletzen?

Haye: Wir haben mein gesamtes Trainingsprogramm umgestellt, so dass es eine viel geringere Chance gibt, sich zu verletzen. Du kannst mit 35 nicht mehr so trainieren wie mit 25. Ich mache beispielsweise heute viel weniger Krafttraining mit schweren Gewichten. Und es funktioniert. Ich hatte bislang nicht die kleinste Schramme und bin besser in Form denn je.

Eigentlich wollten Sie doch mit 30 Jahren zurücktreten. Was sagt eigentlich Ihre Familie dazu, dass Sie jetzt mit 35 noch einmal angreifen?

Haye: Sie stehen voll hinter mir, weil sie sehen, dass es mich glücklich macht. Du kannst nicht aufhören, wenn du weißt, dass du noch viel erreichen kannst. Ich wäre wahrscheinlich zurückgetreten, wenn ich vor fünf Jahren gegen Wladimir gewonnen hätte. Aber so habe ich meine Ziele noch nicht zu 100 Prozent erreicht. Das letzte Kapitel meines Hayemaker-Buchs muss noch geschrieben werden.

Das Interview führte: Carolin Blüchel


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