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Keller: "Boateng hat Fokus von Draxler genommen"

  • Aktualisiert: 18.10.2013
  • 19:06 Uhr
  • Interview: ran.de / Andreas Kötter
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© getty
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Nach anfänglichen Startschwierigkeiten hat sich der FC Schalke 04 stabilisiert. Aber obwohl sieben Siege aus neun Pflichtspielen diese Einschätzung stützen, wird die Arbeit von Trainer Jens Keller von einigen Medien immer noch in Frage gestellt. Im Exklusiv-Interview mit ran.de spricht Keller über den Umgang mit dieser Kritik, über die Verletztenmisere bei Schalke und über seine Stars, Kevin-Prince Boateng und Julian Draxler.

ran.de: Herr Keller, was macht ein Klub-Trainer während der Länderspiel-Woche, wenn ein Drittel seiner Mannschaft bei den Nationalteams und ein zweites Drittel verletzt sind?

Jens Keller: Trainieren mit denen, die da sind...

ran.de: Wie groß ist eine solche Gruppe dann?

Keller:In den vergangenen anderthalb Wochen bestand die Trainingsgruppe aus sechs Feldspielern und drei Torhütern aus dem Bundesliga-Kader. In solchen Phasen nehmen wir aber auch Spieler aus dem Nachwuchsbereich dazu, so dass wir in der Regel auf eine Gruppe von 14, 15 Leuten kommen. Das macht Sinn, weil sich so auch die Spieler aus der A-Jugend oder der U23 präsentieren können.

ran.de: Nach etwa einem Viertel der Saison lässt sich auch ein erstes Zwischenfazit ziehen; wie fällt Ihres aus?

Keller: Aus den ersten drei Bundesligaspielen haben wir zu wenig Punkte geholt. Mittlerweile aber sehe ich uns auf einem sehr guten Weg. Wir haben zuletzt erfolgreich gespielt, sind im DFB-Pokal eine Runde weiter und vor allem auch gut in die Champions League gestartet.

ran.de: Tatsächlich hat Schalke nach eher mäßigem Saisonstart zuletzt von neun Pflichtspielen nur eins verloren und ist in der Champions League noch verlustpunktfrei; trotzdem versuchen einige Medien immer wieder ein Bild zu zeichnen, als wäre der Absturz nur eine Frage der Zeit - wie erklären Sie sich das?

Keller: Das ist auch für mich nur schwer zu erklären angesichts einer Bilanz von sieben Siegen, einem Unentschieden und nur einer Niederlage in neun Spielen. Und diese Niederlage gab es gegen den FC Bayern München, was durchaus mal passieren kann. Aber so ist hier nun mal die Stimmung. Vielleicht erwarten manche, dass wir die Gegner mit 4:0 oder 5:0 aus dem Stadion schießen. Fakt ist, wir sind mit den Ergebnissen der vergangenen neun Spielen zufrieden, mit Ausnahme der zweiten Halbzeit in Hoffenheim...

ran.de: ...wo Schalke 3:1 führte, am Ende aber mit einem 3:3 gut bedient war.

Keller: Genau. Und selbstverständlich waren auch 70 Minuten gegen die Bayern nicht okay. Aber die Bayern haben in den vergangenen Wochen gezeigt, dass gegen sie auch Mannschaften chancenlos sind, die noch ein weit größeres Potenzial haben als wir, etwa Manchester City.

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Timo Hildebrand erleidet einen Hexenschuss
News

Schalke: Hexenschuss bei Hildebrand

Timo Hildebrand hat sich einen Hexenschuss zugezogen und wird dem FC Schalke bei Eintracht Braunschweig wohl fehlen. Zudem stehen hinter zwei weiteren Spielern Fragezeichen.

  • 17.10.2013
  • 14:45 Uhr

ran.de: Die Bayern sind auf dem Weg zum Titel also kaum zu stoppen?

Keller: Jeder, der etwas anderes sagt, ist wahnsinnig. Wenn man allein sieht, welches Potenzial diese Mannschaft hat: wenn dort zehn Spieler ausfallen, hat man zehn nahezu gleichwertige in der Hinterhand. Das ist bei keinem anderen Klub der Fall. Man sieht das aktuell beim BVB, der einige Verletzte hat. Selbst dort kann man das nicht so auffangen wie in München.

ran.de: Zurück zu Schalke: Sie wurden von Anfang in eine Verteidigungsstellung gedrängt, was macht das mit einem Menschen?

Keller: Ich bin seit mittlerweile zehn Monaten Trainer auf Schalke. Wir reden jetzt aber über etwas, das sich vor allem in den ersten zwei, drei Monaten so dargestellt hat.

ran.de: Sie empfinden den Umgang mit Ihnen nun anders?

Keller: Ich empfinde es auf jeden Fall anders und glaube, dass ich mittlerweile ein anderes Ansehen in der Öffentlichkeit genieße. Es mag immer noch Kritik geben, die bezieht sich aber weniger auf meine Person denn auf die Art und Weise wie wir manche Spiele angehen. Grundsätzlich sehe ich mich angekommen auf Schalke und bei den Menschen.

ran.de: Haben Sie das Gefühl, dass einzelne Medien Sie unfair behandelt haben?

Keller: Ob das so war oder nicht, das sollen andere beurteilen. Ich habe mich dazu auch oft genug geäußert in den vergangenen zehn Monaten und bin es Leid, darüber zu sprechen. Es gibt jetzt auch Wichtigeres.

ran.de: Zum Beispiel?

Keller: Unsere Spiele, die jetzt kommen. Also Braunschweig, Chelsea und Dortmund. Das sind unsere Aufgaben, nicht die ständige Vergangenheitsbewältigung.

ran.de: Was die Verletzungsmisere betrifft, hat sich die Lage aber nicht unbedingt entspannt - wie reagiert man auf Hiobsbotschaften wie die vom erneuten Ausfall Huntelaars?

Keller: Man kann den Kopf jetzt in den Sand stecken und sich selbst bemitleiden. Oder aber man sagt "wir machen jetzt das Beste aus dieser Situation und setzen noch mehr auf unsere jungen Spieler!" Max Meyer hat schon bewiesen, dass er es kann. Auch Leon Goretzka ist einer, der jetzt am Zug ist. Was hätte es auch für einen Sinn, sich selbst zu bemitleiden?! Davon würde unsere Situation kaum besser.

ran.de: Wie ist die Situation bei Boateng?

Keller: Wir haben die Hoffnung, dass Kevin eventuell noch diese Woche wieder zur Mannschaft stößt. Der Heilungsverlauf sieht ganz gut aus; dennoch man muss erst einmal warten, bis er wieder im Mannschaftstraining steht.

ran.de: Fehlt Boateng vor allem als Fußballer oder als Führungsfigur?

Keller: Fakt ist: Wir sind froh, dass Kevin hier ist. An ihm hat sich die Mannschaft ausgerichtet. Aber wir müssen auch mit der Situation umgehen können, wenn er uns – wie aktuell – nicht zur Verfügung steht. Und ich glaube, dass die gesamte Mannschaft jetzt gefestigter und stabiler wirkt, auch wenn Kevin nicht spielt.

ran.de: Fast schon verwunderlich ist, mit welcher Reife der gerade einmal 20-jährige Julian Draxler immer wieder Verantwortung übernimmt...

Keller: Was heißt verwunderlich?! Julian hat bereits weit über 100 Pflichtspiele absolviert. Er ist viel weiter als  ein typischer 20-Jähriger, der vielleicht gerade einmal so reinschnuppert. Und Julian ist ein intelligenter Junge, der die Situation auch sehr gut annimmt.

ran.de: Besteht dennoch die Gefahr, dass er sich selbst irgendwann zu sehr unter Druck setzt?

Keller: Ich denke, dass das möglicherweise zu Saisonbeginn der Fall war. Das ganze Theater in der Vorbereitung um einen etwaigen Wechsel oder eine entsprechende mögliche Ablösesumme hat ihn vielleicht doch etwas beeindruckt, und er ist nicht so richtig in Gang gekommen. Mittlerweile ist er darüber aber hinweg. Und ich denke, dass ihm dabei auch Boateng geholfen hat, der den Fokus etwas weggenommen hat von Julian.

ran.de: Boateng hält Draxler für den in seiner Altersklasse und auf seiner Position Weltbesten - sehen Sie das ähnlich?

Keller: Weltweit vermag ich das nicht zu beurteilen. Aber bezüglich dessen, was ich auf europäischer Ebene sehe, gehört Julian ganz sicher zu den interessantesten Spielern.

ran.de: Und wie lange haben Sie noch Spaß an ihm?

Keller: Das sind Dinge, die ich nicht beeinflussen kann. Julian muss das selbst entscheiden. Wenn es aber einen Verein gibt, der bereit ist, die festgesetzte Ablösesumme zu bezahlen, und wenn Julian dann irgendwann vielleicht wechseln möchte, haben wir das nicht mehr in der Hand. Aber es ist doch auch klar, dass ich sehr gerne noch lange mit ihm zusammen arbeiten möchte. Wenn es nach mir geht, kann Julian auf Schalke alt werden.

ran.de: Vor der Saison wurden in der Kabine auf zwei Aushängungen Ziele und Verhaltensmaßregeln fixiert, die kürzlich aber in "Sportbild" abgebildet waren - wie kann so etwas passieren?

Keller: Bei uns haben mehrere Leute Zugang zur Kabine, wohl um die 30, 40 Personen. Wir wissen nicht, ob das aus der Mannschaft kam oder aus einer anderen Quelle. Es stehen auch keine Geheimnisse auf diesen Plakaten, das bringt uns also nicht um. Ärgerlich ist es trotzdem.

ran.de: Weil die Veröffentlichung einiger dieser Ziele das Team unnötig unter Druck setzt, wie die Marke von nicht mehr als 35 Gegentoren bis zum Saisonschluss. Aktuell sind es schon 17 - hat Schalke ein Abwehrproblem?

Keller: Ich kann nicht sagen, dass ich ein Abwehr- oder ein Angriffsproblem sehe. Nicht die Abwehr allein trägt Schuld an Gegentoren. Die ganze Mannschaft ist dann Schuld, genauso wie die ganze Mannschaft auch für geschossene Tore verantwortlich ist. Prügelt ein Abwehrspieler die Bälle nur über die Linie, bekommen Stürmer und Offensivspieler nicht einen einzigen Ball und damit auch nicht die Chance, Tore zu erzielen. Bis auf das Spiel gegen die Bayern und die drei Tore gegen Hoffenheim haben wir es in den vergangenen neun Spielen gut gemacht und auch des Öfteren zu Null gespielt. Trotzdem ist richtig, dass es insgesamt zu viele Gegentore sind.

ran.de: Wie schwierig ist es in diesem Zusammenhang, einen Torwart moralisch zu stärken, der an kaum einem Gegentreffer die Schuld trägt, dennoch in den Medien aber immer wieder in Frage gestellt wird?

Keller: Diese Unruhe um Timo (Hildebrand; d. Red.) ist für mich unerklärlich. Es gibt – wenn überhaupt – höchstens zwei, drei Treffer, bei denen man überhaupt diskutieren könnte, ob er vielleicht einen davon hätte verhindern können. Es wird ein Druck ausgeübt, der in keiner Weise gerechtfertigt ist. Ich würde ganz sicher reagieren, wenn ich das Gefühl hätte, dass Timo seine Leistung nicht mehr bringt. Aber das kann ich nicht erkennen.

ran.de: Zum allem Überfluss hat er jetzt auch noch einen Hexenschuss und fällt gegen Braunschweig womöglich aus. Wie nimmt Hildebrand das auf?

Keller: Ich rede viel mit Timo. Es ist sicherlich nicht angenehm für einen Spieler, wenn er immer wieder zu Unrecht kritisiert wird. Timo macht sich natürlich seine Gedanken, aber er ist 34 Jahre alt und lange genug im Geschäft. Er kann damit umgehen und steckt das auch weg.


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