Fragwürdige finanzielle Unterstützung in der Corona-Krise
ranSicht zu Schalke 04: Eine Bürgschaft durch das Land NRW wäre ein fatales Signal
- Aktualisiert: 30.06.2020
- 20:25 Uhr
- ran.de / Marcus Giebel
Der FC Schalke 04 steckt in finanziellen Nöten. In der Corona-Krise noch tiefer als ohnehin schon. Nun winkt offenbar Hilfe in Form einer Bürgschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Für ran-Reporter Marcus Giebel wäre dieser Schritt mehr als nur fragwürdig. Eine ranSicht.
München - Neuigkeiten zu Schalke 04 lösen bei mir derzeit auch immer Bestürzung aus. Denn eigentlich reiht sich seit Monaten - ganz abgesehen von der längsten Durststrecke der Klubgeschichte auf dem Platz - eine Schreckensmeldung an die nächste.
Nun soll also das Land Nordrhein-Westfalen dem klammen Kumpel-Klub unter die Arme greifen. So berichtet es das "Handelsblatt", das von einer Bürgschaft in Höhe von 40 Millionen Euro erfahren haben will.
Bürgschaft auch beim Bau der Veltins-Arena
Es wäre nicht das erste Mal, dass die Politik als Bürge der "Knappen" auftritt. Dies war etwa auch beim Bau der Veltins-Arena nötig. Und Ministerpräsident Armin Laschet, der den aktuellen Deal noch nicht bestätigte, erklärte bereits: "Immer wieder wurde Vereinen, die auch Wirtschaftsunternehmen sind, Hilfen gegeben."
Und doch ist diesmal einiges anders. Denn der Vorstoß der Schalker, das Land um frische Millionen anzupumpen, fußt eben nicht auf einem konkreten Projekt, das zunächst fremdfinanziert werden müsste. Anlass dürfte allem Anschein nach einzig die dringend notwendige Schuldentilgung sein.
Schon vor Corona-Krise fast 200 Millionen Euro Verbindlichkeiten
Das Geschäftsjahr 2019 schloss S04 mit Verbindlichkeiten von 197,9 Millionen Euro ab. Nun schlägt auch noch der Corona-Effekt durch, der auch andere Klubs arg in Schieflage brachte. Wie sehr die Schuldensumme auf Schalke hochschnellen wird, lässt sich nur mutmaßen.
Die angeblich 40 Millionen Euro könnten da eigentlich nur der vielzitierte Tropfen auf den heißen Stein sein. Und so stellt sich auch angesichts der offensichtlich gewordenen Fehlkalkulationen in der Chefetage der "Königsblauen" die Frage, ob die Bürgschaft durch das Land überhaupt erteilt werden dürfte.
Externer Inhalt
"Ordnungsgemäße Rückzahlung der Kreditmittel muss zu erwarten sein"
Immerhin wird im NRW-Bürgschafts-Programm gleich im ersten Satz die Grundvoraussetzung erwähnt, "dass zum einen das Unternehmen ein tragfähiges Geschäftsmodell aufweist, das heißt mit einer hohen Wahrscheinlichkeit eine ordnungsgemäße Rückzahlung der Kreditmittel zu erwarten ist".
Ob diese hohe Wahrscheinlichkeit angesichts der bereits angehäuften Verbindlichkeiten wirklich gegeben ist? Da ist eigentlich nur zu hoffen, dass dieser Aspekt unter die Lupe genommen wird und dabei niemand in der Reihe der Entscheider die königsblaue Brille aufsetzt.
Im Notfall haftet quasi der Bürger als Steuerzahler
Denn eines ist auch klar: Geht es schief und Schalke 04 kann die Millionen nicht zurückzahlen, haftet das Land und damit de facto der Bürger als Steuerzahler. Dass das Geld ausschüttende Kreditinstitut "mindestens 20 Prozent des Risikos der Kreditvergabe" übernehmen muss, sollte da kein Trost sein. 80 Prozent von 40 Millionen Euro sind halt immer noch 32 Millionen Euro.
Die mögliche Finanzspitze auf Zeit wirft jedenfalls eine Menge Fragen auf. So sah sich Landesvater Laschet auch bereits gezwungen, zu verdeutlichen, dass es "mit Sicherheit keine Lex Schalke geben" werde.
BVB-Boss Watzke erwartet "sorgfältige Einzelprüfung"
Nicht nur Schalkes Erzrivale wird wohl sehr genau hinschauen, sollte die Bürgschaft wirklich zustande kommen. Hans-Joachim Watzke, der Borussia Dortmund selbst aus dem tiefsten Schlammassel herausziehen musste und mittlerweile einen der finanzstärksten Klubs Europas führt, forderte in der Causa Schalke "eine sehr sorgfältige Einzelprüfung", ob Anlass des Antrags auch wirklich "Corona-Effekte" seien.
Falls ja, könnte man sagen: alles gut soweit. Nordrhein-Westfalen gilt als finanzstärkstes Bundesland, hier wird mehr als ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Doch ganz so einfach ist die Sache eben nicht: Denn das Schalker Modell könnte schnell Nachahmer auf den Plan rufen.
Schalker Weg könnte Nachahmer finden
Im Ruhrpott tummeln sich Traditionsklubs an allen Ecken und Enden. Von denen jeder unter der Corona-Krise zu ächzen hat. Da braucht es nicht viel Fantasie, sich vorzustellen, dass deren Verantwortliche sich fragen werden: Warum sollen wir nicht auch auf die Folgen der Spielausfälle oder zumindest entgangenen Zuschauer- und Merchandising-Einnahmen verweisen, um zumindest vorübergehende Einnahmen zu generieren?
Dass dieser mögliche finanzielle Vorteil gegenüber der Konkurrenz aus anderen Bundesländern dann zum Anlass genommen wird, um auch den schnellen sportlichen Erfolg anzuvisieren, liegt da quasi auf der Hand. Stellt sich dieser jedoch nicht wie erhofft ein, könnte so manche vom Land gewährte Million auf Nimmerwiedersehen von der Corona-Welle davongeschwemmt werden.
Bürgschaft für Schalke 04 nicht mehr als ein Vabanquespiel
Es gibt also genug Argumente, die kurzfristige Finanzhilfe für die "Knappen" für ein reines Vabanquespiel zu halten. Das Risiko, damit ordentlich auf die Nase zu fallen, ist nicht wegzudiskutieren.
Wie die Bürgschaft dem völlig unverschuldet und allein durch die Corona-Krise in finanzielle Nöte geratenen NRW-Bürger zu vermitteln wäre, sollten die Entscheidungsträger auch nicht außer Acht lassen. Denn zu allem kommt ja noch hinzu, dass rund um Schalke 04 derzeit mit einer besonderen Emotionalität diskutiert wird.
Corona-Ausbruch in Tönnies-Fleischfabrik nach Missachtung der Hygieneregeln
Spätestens seit der jahrzehntelang allmächtige Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, der nun von allen Vereinsämtern zurücktrat, mit der Missachtung der Hygieneregeln in seiner Fleischfabrik einen immensen Corona-Ausbruch begünstigte. Woraufhin die Landesregierung zwei komplette Landkreise in den Lockdown schickte.
Diese Entwicklung schadete nicht nur dem Land Nordrhein-Westfalen. Sondern speziell eben jenen Bürgern, die nun tagelang nicht arbeiten dürfen und auch als Urlauber in vielen Teilen der Bundesrepublik unerwünscht sind.
Zeitpunkt von Tönnies-Rücktritt wohl nicht zufällig
Mit seinem Abschied aus der Schalker Führungsriege versucht der auch bei den Fans in Ungnade gefallene Tönnies nun weiteren Schaden vom Verein abzuwenden. Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass dieser Schritt just erfolgt, als sich nicht nur Fußball-Deutschland die Köpfe über die Bürgschaft heißredet.
Dennoch darf kein Zweifel bestehen: Die Vorgänge rund um Tönnies' Fleischfabrik müssen auch bei der Entscheidung über eine Finanzspritze mithilfe der Landesregierung auf den Tisch kommen. Ebenso wie alle anderen finanziellen Fehltritte der Schalker Macher, die dieses Anbetteln überhaupt nötig gemacht haben.
Muss der kleine Mann die Fehler der Mächtigen ausbaden?
Denn ansonsten drängt sich der Eindruck auf: Wer genug Macht besitzt, kann sich fast alles erlauben. Da wird über so manche Fehlleistung hinweggesehen und am Ende hilft eben die Politik. Ausbaden muss es zur Not der kleine Mann.
Das darf nicht sein! Deshalb wäre eine Bürgschaft für Schalke 04 nicht nur höchst fragwürdig, sondern ganz einfach ein fatales Signal.