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Angelique Kerber: "Der Druck war immer spürbar"

  • Aktualisiert: 21.10.2013
  • 19:46 Uhr
  • ran.de / Dominik Hechler
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© Getty
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Angelique Kerber hat sich mit dem Sieg beim WTA-Turnier in Linz auf der Zielgeraden noch für das Championship-Turnier der acht besten Spielerinnen in Istanbul qualifiziert. Im exklusiven Interview spricht die deutsche Nummer eins über ihre durchwachsene Saison, den immensen Druck auf der Profitour, Selbstzweifel und ihre Ziele für Istanbul.

Frau Kerber, Sie sind aktuell in Ihrer "zweiten Heimat" Polen und bereiten sich auf das WTA-Championship-Turnier in Istanbul vor. Warum ausgerechnet dort? 

Kerber: Ich war jetzt drei Wochen am Stück nicht zu Hause und da meine komplette Familie gerade hier in Polen ist, habe ich mich dazu entschieden, mich hier vorzubereiten. Hinzu kommt, dass ich mich hier einfach immer sehr wohl fühle und auch zum Trainieren alles habe, was ich brauche. 

Ihre Oma ist zuletzt ja sogar extra für das Endspiel nach Linz gereist … 

Kerber: … ja ganz genau. Meine Oma, meine Eltern, meine Tante, da haben sich schon wirklich einige auf den Weg nach Österreich gemacht. Das war eine schöne Überraschung. 

Sie wussten davon gar nichts? 

Kerber:(lacht) Ich wusste nur, dass meine Mutter kommen würde, weil sie mir meinen Pass mitbringen musste. Den hatte ich nämlich zu Hause vergessen. Und dann hat sie auf einmal die ganze Bande mitgebracht. Das hat mich natürlich total gefreut. Nach dem Turniersieg sind wir dann alle gemeinsam wieder zurück nach Polen gereist, wo ich ja noch sehr viel Verwandtschaft habe. 

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Wie groß war die Erleichterung nach dem Turniersieg in Linz? Es war für Sie persönlich ja ein sehr durchwachsenes Jahr. 

Kerber: Das kann man auf jeden Fall so sagen. Es war ein stetiges Auf und Ab. Dass es am Ende jetzt doch noch so gut geklappt hat mit den positiven Ergebnissen auf der Asien-Tour, dem Sieg in Linz, meinem ersten Turniersieg in diesem Jahr bei der vorletzten Veranstaltung in dieser Saison, und der Qualifikation für das WTA-Championship-Turnier in Istanbul, ist für mich schon eine riesige Erleichterung. Linz war ja schon das dritte Finale für mich in dieser Saison und das wollte ich auch unbedingt nach Hause bringen. Als ich dann meinen dritten Matchball endlich verwandeln konnte, war ich total glücklich. Ein Turniersieg ist einfach immer etwas Schönes. Egal, wie, wo und wann man ihn erringt. 

Wie erklären Sie sich denn selbst diese Berg- und Talfahrt in diesem Jahr? 

Kerber: Also ich glaube, dieses Jahr war einfach komplett anders als die Saison 2012. Da hatte ich überhaupt nichts zu verlieren, konnte einfach drauf los spielen, musste keine Punkte verteidigen und bin einfach voller Selbstbewusstsein auf diese Erfolgswelle aufgesprungen. Das war dieses Jahr ganz anders. Ich hatte schon zu Beginn der Saison bei den Australian Open kleinere Verletzungen, war also nicht zu hundert Prozent fit. Und dann kam natürlich noch dieser extreme Druck hinzu, die Punkte aus dem Vorjahr alle verteidigen zu müssen. Ich hätte nie gedacht, dass dieser Erfolgsdruck so groß sein würde. Das muss man wirklich erst einmal selbst erlebt haben. Mir haben zwar immer wieder viele Spielerinnen gesagt, dass das zweite Jahr schwieriger sein und ich massiven Druck spüren würde, aber da habe ich immer nur gesagt: Ja ja, den werde ich schon nicht spüren. 

Aber am Ende kam es dann doch anders? 

Kerber: Absolut. Denn ich habe mir dann auch noch persönlichen Druck aufgebaut. Ich habe immer wieder gedacht: Du musst, du musst, du musst. Der Druck war immer da. Ich hatte auf dem Platz zwar schon noch Spaß, aber der Druck war unterbewusst immer spürbar. Nach Wimbledon war dann so eine Phase, in der ich für mich entschieden habe: Alles klar, so geht es nicht mehr weiter. Ich bin dann für ein paar Tage nach Mallorca in den Urlaub geflogen und habe mir dort gesagt: Okay, jetzt probiere nochmal alles, spiele ohne Druck und schau' dann, was am Ende des Jahres dabei rauskommt. Ich habe versucht, wieder diesen Spaß, diese Leidenschaft zu finden und einfach ohne Druck im Kopf, unbedingt gewinnen zu müssen, auf den Platz zu gehen. Das habe ich dann ja auch geschafft. Aber es war wirklich nicht ganz so einfach. Ohne mein Team und meine Familie hätte ich das bestimmt nicht gepackt. Denn es gab schon Phasen, in denen man selbst in ein kleines Loch fällt und Selbstzweifel hat. Aber ich habe dann einfach wieder das gespielt, was ich kann und liebe und so kam letztlich ja auch der Erfolg wieder zu mir zurück. 

Nach dem diesjährigen Wimbledon-Aus in der zweiten Runde kam es zu persönlichen Verunglimpfungen im Internet. Sie wurden beleidigt und zum Teil sogar beschimpft. Jetzt ist überall wieder von "der besten Angie aller Zeiten" die Rede. Wie passt das zusammen? Wie gehen Sie persönlich damit um? 

Kerber: Also nach Wimbledon war es schon sehr extrem, das kann und will ich nicht verheimlichen. Aber man kann letztlich ja nicht von jedem gemocht werden. Ich habe versucht, es nicht so an mich heranzulassen. Ich habe das schon gelesen und entsprechend mitbekommen, weil ich eben auch sehr oft darauf angesprochen wurde, aber ich habe nicht großartig darüber nachgedacht. Es wurde kurz besprochen und dann war's das. Ich habe kein Drama daraus gemacht. Es gibt genügend Menschen, die mich unterstützen, Fans auf der ganzen Welt und entsprechend schaue ich lieber auf diese Leute, die wirklich hinter mir stehen. Aber das war auch wieder so eine Erfahrung, die mich am Ende stärker gemacht hat. 

Erkennt man vor allem in den schlechten Phasen seine wahren Freunde und die Menschen, auf die man sich wirklich verlassen kann? 

Kerber: Auf jeden Fall. In diesen schlechten Zeiten weiß ich immer, auf wen ich zählen kann und wer zu einhundert Prozent hinter mir steht. Mir ist zum Beispiel meine Familie und auch mein Team unheimlich wichtig. Das sind alles Menschen, die schon immer an mich geglaubt haben und das auch heute noch tun. Egal, wie viele Aufs und Abs oder Verletzungen ich hatte oder vielleicht noch haben werde. Da sieht man aber auch, dass es diesen Leuten vor allem um mich als Person geht und das ist mir enorm wichtig. Ich bin ein eher emotionaler Mensch und brauche diesen Zuspruch. Und das nicht nur beim Tennis. Natürlich gehört der Sport auch zu mir, aber im Endeffekt ist jeder ein Mensch, eine eigenständige Person. Ich mag es einfach familiär. 

Inwiefern haben Sie sich denn in diesem Jahr persönlich weiterentwickelt? 

Kerber: Ich glaube, ein ganz großes Stück. Vor allem durch diese ganzen Vorkommnisse wie die Sache mit dem Internet, meine vielen, kleinen Verletzungen, diese Aufs und Abs während der Saison und diesem kleinen Loch zwischendrin. Jetzt weiß ich wieder, was ich wirklich will, wie ich Krisen bewältige und ich glaube, dass ich auch als Person wieder ein Stückchen reifer geworden bin. Ich weiß jetzt zudem, welche Leute wirklich hinter mir stehen und für mich da sind, wenn es mal nicht so rund läuft. Es ist ganz schwer das zu beschreiben, wie diese Entwicklung zustande kam. Ich fühle das einfach. Auch auf der WTA-Tour fühle ich mich erst jetzt richtig angekommen. Ich habe zwar schon im vergangenen Jahr unter den Top-Ten der Weltrangliste gestanden, dieses Jahr aber schon wieder. Die Bestätigung dieses Erfolgs zeigt mir auch, dass ich da oben hingehöre. 

Ist dieser Erfolg auch eine Genugtuung für Sie? 

Kerber: (lacht) Eine sehr große sogar. Ich habe es all meinen Kritikern gezeigt, die vielleicht gedacht haben: Naja, jetzt ist die mal ein Jahr da oben, aber das war's dann auch wieder. Diesen Leuten habe ich bestätigt, dass ich auch ein Jahr später noch da oben in der Weltrangliste bin. Aber am Ende mache ich das alles dann doch für mich und nicht meine Kritiker oder Leute, die schlecht über mich reden. 

Jetzt steht das WTA-Championship-Turnier in Istanbul vor der Tür. Da haben Sie ja noch Einiges gut zu machen … 

Kerber: (lacht) … das würde ich aber auch sagen … 

Sie haben im vergangenen Jahr am Bosporus kein einziges Spiel gewinnen können. Warum wird es dieses Jahr besser? 

Kerber: Also als Erstes: Es kann ja nur noch besser werden. Und dann muss ich sagen, dass es im vergangenen Jahr etwas ganz Neues für mich war. Ich war total aufgeregt, wusste nicht, was mich erwartet. Es war ja das erste Mal, dass ich unter den besten acht Spielerinnen der Welt war und dort mitspielen durfte. Dieses Jahr ist es jetzt so, dass viele gar nicht mehr damit gerechnet haben, dass ich die Qualifikation für Istanbul überhaupt noch schaffe. Jetzt habe ich es aber doch gepackt und entsprechend ist dieses Turnier jetzt wie eine Art "Bonus" für mich. Diesen möchte ich natürlich ausnutzen, weil ich mich aktuell richtig gut fühle. Ich werde dorthin fliegen und mein Bestes geben. In den letzten Wochen habe ich auch schon gegen die Top-Spielerinnen gewinnen können und im Endeffekt weiß ich jetzt auch ganz genau, was auf mich zukommt. Und das ist ganz wichtig. Die Erfahrungen aus dem letzten Jahr werden mir dieses Mal sicherlich enorm helfen. Denn das ist wahrlich kein normales Turnier, dort herrscht eine ganz spezielle Atmosphäre. 

Wer geht aus Ihrer Sicht als Top-Favoritin ins Turnier? 

Kerber: Das wird sicherlich wieder Serena Williams sein. Aber ich werde trotzdem nach Istanbul fahren und versuchen, jedes Match zu gewinnen. Egal, wer mir dann gegenüber steht. 

Und was trauen Sie sich selbst zu? 

Kerber: Ich will jetzt nicht sagen, dass ich ein, zwei oder sogar alle drei Gruppenspiele gewinnen will. Das wäre natürlich schön. Aber ich möchte wirklich vor allem versuchen, mit Spaß, Leidenschaft und viel Herz zu spielen und so die Matches zu gewinnen. Wenn ich dann eine Begegnung gewinne, ist es super, wenn ich keine gewinne, ist es trotzdem auch okay. Und wenn ich am Ende sogar vier Matches gewinne und im Halbfinale oder sogar Finale stehe, ist es natürlich umso besser. Aber ich will mir echt diesen Druck nicht machen. Denn dann geht bei mir gar nichts mehr. Das habe ich gelernt.


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