Im Interview mit ran spricht Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann über das Champions-League-Halbfinale zwischen Real Madrid und dem FC Bayern (ab 21 Uhr im Liveticker auf ran.de) und die anhaltende Trainersuche.
Im Gespräch erklärt "Sky"-Experte Hamann, der 2005 selbst als Spieler mit dem FC Liverpool die Königsklasse gewann, worauf die Münchner am Mittwoch (ab 21 Uhr im Liveticker auf ran.de) im Estadio Bernabeu achten müssen.
Vor allem aber nennt der frühere Bayern-Profi die Gründe, die aus seiner Sicht gegen Ralf Rangnick und Julian Nagelsmann als Trainer gesprochen haben, und warum umgekehrt eine Installierung von Zinedine Zidane oder Jose Mourinho richtig wäre.
Zudem äußert sich Hamann auch über den Einfluss von Red Bull auf den Verein und die Rolle von Klubpatron Uli Hoeneß.
ran: Herr Hamann, woran liegt es, dass der FC Bayern diese Saison nur in der Champions League überzeugen konnte?
Dietmar Hamann: Verglichen mit der unruhigen letzten Saison mit dem Wechsel der kompletten sportlichen Führung ist es ja noch relativ ruhig. Und man darf natürlich nicht vergessen, dass mancher Spieler nach elf Meisterschaften in Folge vielleicht mal einen Schritt weniger macht. Das ist, glaube ich, nur verständlich und nur menschlich. Aber in der Champions League haben die Bayern ihr wahres Gesicht gezeigt.
ran: Hat Real Madrid nach dem 2:2 in München aufgrund des Heimspiels einen Vorteil am Mittwoch?
Hamann: Wenn, dann nur einen kleinen. Vielleicht haben sie nochmal ein oder zwei Prozent durch das Hinspielergebnis auf ihre Seite gezogen, auch wenn das 2:2 für sie etwas glücklich war. Aber die Bayern werden auch dort Chancen bekommen. Denn Real hat in der ersten Halbzeit mit wenig Körpereinsatz, also fast körperlos gespielt. Und wenn sie das nochmal machen, dann könnte es sein, dass sie mit ein oder sogar zwei Toren in Rückstand geraten. Und dann möchte ich erstmal sehen, wie sie da wieder zurückkommen.
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ran: Worauf müssen die Bayern besonders achten?
Hamann: Für Kim, der zwei sehr unglückliche Situationen hatte, wird wohl wieder de Ligt spielen und man muss hoffen, dass er das besser macht. Mit ihm und Dier war Bayern defensiv immer relativ stabil. Aber Vinicius und Rodrygo können natürlich ein Spiel mit einer Aktion drehen. Da müssen die Bayern wachsam sein, wobei sie es insgesamt sehr gut gemacht haben im Hinspiel. Auch Kimmich macht das wirklich herausragend auf der rechten Seite, das hätte ich so nicht erwartet. Also: So spielen wie im Hinspiel, vielleicht einen Fehler weniger machen und die Chancen nutzen - dann geht's nach Wembley.
ran: Mit Thomas Tuchel auf der Bank. Sie haben ihn als größtes Missverständnis bei Bayern seit Jürgen Klinsmann bezeichnet. Aber jetzt gibt es Stimmen, angeblich auch in der Mannschaft, die für einen Verbleib plädieren. Meinen Sie, er lässt sich doch nochmal überreden?
Hamann: Nachdem, was Uli Hoeneß vergangene Woche gesagt hat, kann ich es mir schwer vorstellen. Du kannst keine Entscheidung treffen und die dann drei Monate später wieder revidieren. Man darf ja nicht vergessen, dass schon diese Konstellation nicht ohne Risiko war, zu sagen: Noch bleibst du hier, aber nächstes Jahr bist du nicht mehr der Richtige. Das ist jetzt gut gegangen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass die Bayern nach der Verkündung der Trennung auch in Heidenheim und anderswo in der Liga verloren haben. Aber in der Champions League schaffen sie es halt, sich zusammenzureißen. Doch wenn man am Mittwoch ausscheidet, reden die Leute über Tuchel vielleicht auch schon wieder anders.
Hamann: Kein gutes Gefühl bei Rangnick
ran: Der FC Bayern hatte sich bereits auf Ralf Rangnick festgelegt, ehe dieser absagte. Kann man darin eventuell auch etwas Gutes sehen, weil sein Gegenpressing ja nicht wirklich zum bayrischen Ballbesitz-Fußball passt?
Hamann: Oft wird man ja zu seinem Glück gezwungen. Ich hätte auch bei Nagelsmann kein gutes Gefühl gehabt, ihn nach etwas mehr als einem Jahr wieder zurückzuholen. Bei Rangnick ging es mir genauso, weil er ein Mitspracherecht bei Transfers haben wollte. Aber ein Trainer kann in München nicht sagen, welche Spieler kommen, denn der Trainer kann in sechs Monaten weg sein und dann hast du seine Spieler da, das geht so nicht. Und natürlich ist der Fußball, den er spielen lässt, ein ganz ein anderer.
ran: Zudem scheinen einige Fans Probleme mit Rangnicks Vergangenheit zu haben, vor allem im Red-Bull-Kosmos…
Hamann: Es ist sicherlich auch ein Thema, dass ja eh schon die ganze Führungsriege von Red Bull kommt, mit Eberl, Freund und Sauer. Da muss sich der Verein schon mal Gedanken machen. Es wird immer erzählt von Identifikation und Identität und dann hast du mehrere Leute in der sportlichen Führung, die alle aus Salzburg oder Leipzig kommen. Da verstehe ich auch die Fans, da Red Bull das Feindbild ist. Damit muss man allerdings nicht übereinstimmen. Aber die Bayern leben auch von dieser Verbindung zwischen Fans und Mannschaft und Verein. Und wenn das irgendwann mal verloren geht, dann geht viel verloren beim FC Bayern. Daher glaube ich schon, dass sie da vorsichtig sein müssen und in Zukunft auch wieder schauen, dass sie Leute mit Bayern-Vergangenheit involvieren. Es gibt ja genügend davon.
ran: Wie bewerten Sie generell die bislang fast schon öffentliche Suche nach einem neuen Trainer?
Hamann: Was ich nicht verstehe bei der ganzen Sache: Warum man sich festlegt und sagt, das ist jetzt unser Mann und den wollen wir holen. Ich würde erstmal mit drei, vier, fünf Leuten sprechen und dann eine Entscheidung treffen. Aber die Verantwortlichen bringen sich ja selbst unter Druck, indem sie sagen, der Rangnick ist unser Mann. Dann gibt jeder seinen Senf dazu. Der eine sagt: Ja, der kommt. Der andere sagt, das dauert noch ein bisschen. Am nächsten Tag sagt er ab und in der Außendarstellung ist das natürlich katastrophal.
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Hamann: Zidane steht für erfolgreichen Fußball
ran: Sie haben zuletzt auch Zinedine Zidane als Kandidaten vorgeschlagen. Halten Sie das tatsächlich für eine Option, obwohl er ja wohl nicht mal Englisch spricht?
Hamann: Ein bisschen Englisch wird Zidane schon können. Ich will erfolgreichen Fußball sehen, denn du kannst nicht immer mit spielerischen Mitteln die Sachen lösen. Das hat man gegen Real ja gesehen: Der Einsatz, der Wille und der Kampf haben das Spiel möglich gemacht und wenn dann die spielerische Klasse von einem Sane oder einem Musiala oben drauf kommt, dann hast du eine richtig gute Mannschaft. Für mich gibt es keinen schönen oder schlechten Fußball, es gibt nur erfolgreichen und nicht erfolgreichen. Und Zidane steht für den erfolgreichen, das hat er bei Real bewiesen.
ran: Jose Mourinho, den Sie ebenfalls schon genannt haben, hat ebenfalls erfolgreich gearbeitet. Das liegt aber schon länger zurück. Warum würde er aus Ihrer Sicht trotzdem zu Bayern passen?
Hamann: Mourinho mag etwas defensiver spielen, aber ich habe ihn ja als Profi in England erlebt. Bei Chelsea haben die Spieler geschwärmt von ihm, die meisten sind heute noch mit ihm in Kontakt. Und er war unheimlich erfolgreich. Bayern wäre für ihn wahrscheinlich eine Chance, nochmal einen Verein zu trainieren, mit dem er die Champions League gewinnen kann. Deshalb wäre das einer für Bayern. Denn wenn du in so eine Kabine kommst, brauchst du eine natürliche Autorität. Du benötigst bei so einem Topteam weniger einen klassischen Trainer, sondern jemanden, der Menschen führt. Ich glaube, das ist wichtiger als die sportliche Komponente. Auf Taktik und solche Dinge wird mir immer zu viel Augenmerk gelegt. Wenn die Leute nicht für dich laufen, dann kannst du taktisch spielen, wie du willst, dann wirst du nichts gewinnen.
ran: Abschließend zu Uli Hoeneß: Es gibt Beobachter, die sagen, beim FC Bayern wird nie Ruhe einkehren, so lange Hoeneß sich immer wieder äußert. Oder wird man damit allein wegen seiner Verdienste um den Klub leben müssen?
Hamann: Der FC Bayern wäre nicht da, wo er ist, ohne Uli Hoeneß. Und deswegen wäre man schlecht beraten, sich nicht mit ihm auszutauschen. Außerdem steht der Verein in der Öffentlichkeit ja nicht wegen Uli Hoeneß im Moment schlecht da, sondern aufgrund dessen, dass erst Nagelsmann und dann Rangnick abgesagt haben. Und da ist es doch nur verständlich, dass der Uli sagt: Ich muss da jetzt wieder etwas aktiver werden, weil wenn das nochmal passiert, dann stehen wir Ende Mai oder im Juni da und haben immer noch keinen Trainer. Es ist zwar hypothetisch, aber wäre sowas auch bei Hoeneß passiert? Wahrscheinlich nicht. Und wenn das jetzt nochmal passiert, dann weiß ich auch nicht, wie es weitergehen soll, denn der Ruf der sportlichen Führung hat jetzt schon gelitten und würde natürlich noch mehr leiden. Von daher hoffe ich auch aus Bayern-Sicht, dass uns Uli Hoeneß noch lange erhalten bleibt.