Nach 25 Jahren wieder international dabei
1. FC Köln in Europa: Das macht die "Geißböcke" so stark
- Aktualisiert: 22.05.2017
- 18:59 Uhr
- ran.de / Marcus Giebel
Der 1. FC Köln feiert nach einem Vierteljahrhundert Abstinenz seine Rückkehr in den Europacup. Dabei läuft bei den "Geißböcken" in der abgelaufenen Saison längst nicht alles rund.
München - Der 1. FC Köln ist bereit für Europa. War unter dem entsprechenden Reiter auf der Klub-Homepage in der vergangenen Woche noch auf die Arbeit an der ehrgeizigen Mission verwiesen worden, startet dort nun Maskottchen Hennes in einem rot-weißen Truck die Europa-Tour - unter dem Motto "Die Route wird berechnet".
Der FC spielt nach 25 Jahren wieder europäisch - dabei gingen vor neun Monaten ganz andere Teams mit eben diesem Ziel in die Saison. Wie konnte es so weit kommen?
Modeste trifft wie er will
Erfolgs-Garant schlechthin war der Top-Torjäger. Anthony Modestes 25 Treffer wurden ligaweit nur von Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang und Robert Lewandowski von Bayern München übertroffen.
Damit erzielte der Franzose fast die Hälfte der 51 Kölner Treffer. Sieben Mal markierte er das 1:0. Ohne die Tore des 29-Jährigen hätten die "Geißböcke" satte 21 Zähler weniger auf dem Konto.
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Horn setzt auf die Teamleistung
"Es war kein einzelner Spieler, der die Leistung ausgemacht hat - auch wenn Tony Modeste ein unglaublich wichtiger Faktor in dieser Saison war", rückt mit Timo Horn der zweite Star beim FC allerdings selbstredend den Teamgedanken in den Vordergrund.
Der Olympia-Teilnehmer, der seinen Vertrag erst vor anderthalb Monaten bis 2022 verlängert hat, trägt seit seinem neunten Lebensjahr das Trikot des Klubs. Auch sein Stellvertreter Thomas Kessler durchlief die komplette FC-Jugend. Marcel Risse und Marco Höger sind in der Domstadt geboren. Nationalspieler Jonas Hector ist nach fünf Jahren in Köln längst heimisch geworden.
Mit dem Herzen bei der Sache
Das zeigt: Der dreimalige Meister, bei dem es ohnehin immer emotionaler zugeht als bei anderen Klubs, setzt auf Spieler, deren Herz am Verein hängt. Und andere wurden längst mit dem FC-Virus angesteckt.
So betont Leonardo Bittencourt: "Es geht einem das Herz auf, wenn man diesen Fans in die Augen schaut und sieht, was ihnen unser gemeinsamer Erfolg bedeutet. Sie haben genauso ihren Anteil wie wir." Bester Beweis: Vor allem zu Hause machten die Kölner die Europa League klar - nur der FC Bayern München und Borussia Mönchengladbach entführten drei Punkte aus dem RheinEnergie-Stadion.
Stadion zehn Mal ausverkauft
Beim letztlich entscheidenden 2:0 gegen den 1. FSV Mainz 05 - übrigens der erste Sieg ohne ein Modeste-Tor - war die Arena zum zehnten Mal ausverkauft. Das Team wurde von den enthusiastischen Fans geradezu nach Europa getragen.
Das unterstreichen auch die Worte von Konstantin Rausch nach dem vollbrachten Coup: "Man hat sich fast weniger für sich gefreut, als für die Fans da draußen. Ich bin unglaublich glücklich, den Menschen in Köln den Wunsch erfüllen zu können, auf den sie so lange gewartet haben."
Zehn Jahre lang Fahrstuhlklub
25 lange Jahre währte die Europa-Abstinenz - abgesehen von zwei Teilnahmen im längst wieder eingemotteten Sommer-Wettbewerb UI Cup. Zwischenzeitlich mutierte der FC sogar zum Fahrstuhlklub, stieg zwischen 1998 und 2008 vier Mal ab und ebenso oft wieder auf.
Die jetzige Erfolgsgeschichte fand ihren Anfang 2012 - direkt nach dem fünften Abstieg. Damals kam mit Jörg Schmadtke ein neuer Geschäftsführer Sport und mit Peter Stöger ein neuer Trainer. Und mit diesem Duo setzte etwas ein, was beim FC lange Zeit als Fremdwort galt: Kontinuität.
Stöger spricht vom "Optimum"
Schmadtke hat seinen Vertrag bereits bis 2023 verlängert, Stöger - bis 2020 gebunden - ist schon jetzt länger im Amt als jeder seiner Vorgänger. "Wir haben das Optimum herausgeholt", lobt der Österreicher, der mit seiner so sachlichen Art perfekt zum chronisch aufgeregten Klub passt.
40, 43 und nun 49 - so lautet die Punkteausbeute des FC in den drei Bundesliga-Jahren unter Stöger. Eine kontinuierliche Steigerung. Bereits Rang neun vor einem Jahr war die beste Platzierung seit einem Vierteljahrhundert.
Horn wähnt sich im "Märchen"
Den erneuten Schritt nach vorne hätte auch Horn kaum für möglich gehalten. "Es ist fast wie ein Märchen. Wir sind vor drei Jahren aufgestiegen und haben uns von Jahr zu Jahr verbessert. Das ist die Krönung von allem", jubelt das FC-Eigengewächs.
Dabei weiß nicht nur der Keeper, dass das Team sich im Grunde auch bei der Konkurrenz bedanken kann. Erst zwei Mal in diesem Jahrtausend genügten 49 Zähler für die Europacup-Quali. 2011/2012 wurde Hannover 96 mit 48 Punkten Siebter, 2014/2015 jubelte der FC Augsburg als Fünfter (49) ebenso wie die dahinterliegenden Schalke 04 (48) und Borussia Dortmund (46).
"Keine Mannschaft für Platz fünf"
Entsprechend stellt Stöger fest: "Wir sind keine Mannschaft für Platz fünf, aber wir haben die Situation ausgenutzt." Und Horn fügt hinzu: "Dass die anderen Mannschaften so für uns spielen, war jetzt nicht zu erwarten. Aber das tun sie im Grunde genommen schon die ganze Saison."
Wenn die deutlich höher gehandelten VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen, Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach sich Ausrutscher über Ausrutscher leisten, greift eben der FC zu - auch das ist eine Qualität.
Verletzungspech getrotzt
Zumal die Kölner in ihrer historischen Saison, in der sie nie schlechter als auf Platz acht standen, nicht gerade vom Glück geküsst wurden: Die Verletzungsmisere hielt fast die ganze Saison an, zum Ende der Hinrunde fehlten mit Horn, Bittencourt, Dominic Maroh, Matthias Lehmann und Marcel Risse gleichzeitig fünf Stammspieler.
Ein Überblick über die größten Pechvögel: Horn verpasste 13 Spiele wegen eines Meniskusschadens, Risse kam wegen eines Kreuzbandrisses nach dem 13. Spieltag nicht mehr zum Einsatz, Bittencourt fehlte wegen diverser Blessuren in der Hälfte der Spiele. Und der vermeintliche Königstransfer Sehrou Guirassy stand wegen Leistenproblemen in diesem Jahr nur einmal im Kader.
Transfer-Plus dank Gerhardt-Verkauf
Wobei wir bei den Transfertätigkeiten wären: Da hat der FC mehr gekleckert als geklotzt. Für Guirassy, Höger, Rausch und Co. wurde weit weniger Geld ausgegeben als allein der Verkauf von Yannick Gerhardt für 13 Millionen Euro in die Kassen gespült hat.
In diesem Jahr könnte den Kölnern ein deutlich kostspieligerer Transfersommer bevorstehen. Laut "kicker"-Informationen steht der Mainzer Jhon Cordoba auf der Liste - der Kaufpreis soll bei acht Millionen Euro liegen.
Modeste hält sich China-Wechsel offen
Vielleicht sind sogar deutlich mehr Verpflichtungen in dieser Preisklasse möglich. Denn Gerüchte um einen Abschied von Modeste halten sich hartnäckig. Zuletzt wurde der Franzose angesichts des Interesses von Tianjin Quanjian in der "L'Equipe" wie folgt zitiert: "Viele Spieler gehen nach China und ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das Angebot nicht interessiert."
Sportlich wäre ein Abschied des Knipsers ein immenser Verlust, wirtschaftlich jedoch könnten die Kölner bei einer entsprechenden Ablöse in ganz neue Dimensionen vorstoßen.
Klünter spielt sich in den Fokus
Die Zukunft des FC verspricht also Spannung. Zumal sich mit Lukas Klünter ein Youngster in den letzten Saison-Wochen so richtig in den Fokus gespielt hat. Seit seinem ersten Saisoneinsatz am 27. Spieltag verpasste der 20-Jährige keine Minute mehr. Die Belohnung: Er wurde für die U21-EM in Polen nominiert.
Und danach folgt die Tour durch Europa für den ganzen Klub. Dank Rang fünf sind sechs internationale Spiele in der Gruppenphase garantiert.
"Kennen wir nur aus Erzählungen"
Horn kann es gar nicht abwarten: "Die meisten von uns Spielern heute waren noch gar nicht geboren, als der FC das letzte Mal international gespielt hat. Wir kennen das alle nur aus Erzählungen von den Großvätern oder den Eltern. Das ist sensationell."
Der ewige Kölner platzt beinahe vor Stolz und spielt noch einmal auf den Teamgeist an: "Ein Teil dieser Truppe zu sein, war das, was mich bewogen hat, meinen Vertrag in Köln zu verlängern." Der FC ist zurück in Europa - Mission erfüllt.
Marcus Giebel
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