Rekordmeister und Qatar Airways
FC Bayern München: Jahreshauptversammlung im Schatten der Katar-Kontroverse
- Aktualisiert: 15.10.2022
- 10:01 Uhr
- ran.de / Marcus Giebel
Der FC Bayern München steht vor seiner zweiten Jahreshauptversammlung, seitdem das Sponsoring von Qatar Airways von einigen Mitgliedern in die Mangel genommen wird. Diesmal scheinen die Bosse auf einen möglichen Schlagabtausch besser vorbereitet zu sein. Einer der größten Kritiker fordert aber weitere Antworten.
München - Die Defensive ist die Achillesferse des FC Bayern München. Zumindest in den jüngsten Bundesliga-Spielen war das Team von Trainer Julian Nagelsmann fast immer für ein Gegentor gut - wahlweise auch ein sehr spätes.
Während die Offensive Tore am Fließband produziert - wenn auch die 48 Treffer in 15 Saisonspielen recht ungleichmäßig verteilt wurden -, artet die Abwehr doch ein bisschen zum Sorgenkind aus.
FCB-Jahreshauptversammlung wird nicht um Katar-Thema herumkommen
Über die Arbeit gegen den Ball wird auf der Jahreshauptversammlung an diesem Samstag wohl weniger debattiert werden. Wahrscheinlich aber über die unbefriedigende sportliche Situation in der Bundesliga. Denn dort ist vor dem Heimspiel gegen den SC Freiburg am Sonntag (ab 19:30 Uhr im Liveticker auf ran.de) die Tabellenspitze - deren rechtmäßige Inhaber die Bayern zu sein schienen - vorerst außer Reichweite.
Vielmehr aber dürfte ein Thema die Veranstaltung im Audi Dome bestimmen, das eigentlich erst unter Punkt 9 der Tagesordnung, der auf den Namen "Verschiedenes" hört, zur Sprache kommen sollte. Die Katar-Problematik. Das Sponsoring von Qatar Airways.
In der Fanszene wird der millionenschwere Deal nicht erst seit der turbulenten Jahreshauptversammlung im vergangenen Jahr, die den Protagonisten auf der Bühne sogar aus den Händen zu gleiten drohte, kontrovers diskutiert.
Da stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie heikel wird es diesmal? Was blüht den Bossen?
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FC Bayern München lädt diesmal am Samstag zur Jahreshauptversammlung
Die Szenen, die den Streit zwischen zumindest einem beträchtlichen Teil der anwesenden Mitglieder und der Klubspitze offenbarten, sollen sich auf keinen Fall wiederholen. Womöglich auch deshalb lud der FCB in diesem Jahr nicht wie zuletzt gewohnt an einem Freitag-, sondern an einem Samstagabend ein.
"Für unsere Mitglieder ist es immer am besten, wenn die Jahreshauptversammlung an einem Heimspielwochenende stattfindet. Zudem erleichtert die Terminierung am Samstag vielen Berufstätigen die Teilnahme, weil sie so eine entspanntere Anreise haben", erklärt Präsident Herbert Hainer in der Einladung das Umdenken.
Die Hoffnung ist also, dass die Ränge des Audi Dome diesmal deutlich besser gefüllt sein werden - wie es sich für den mitgliederstärksten Sportverein der Welt gehört. Und sich womöglich auch mehr Zuhörer auf den Weg machen, die eher an nackten Zahlen interessiert sind und sich weniger am Katar-Sponsoring abarbeiten wollen.
FC Bayern München veranstaltete Round Table zum Thema Katar
Hainer & Co. könnte es nur recht sein. Denn dass Qatar Airways nach Jahren der guten Partnerschaft einfach vor die Tür gesetzt werden könnte, gilt als ausgeschlossen. Vielmehr bemühen sich die Verantwortlichen, die in Person von Hainer und Vorstandsboss Oliver Kahn den Deal ja auch nur geerbt haben, darum, den kritischen Fans die Zusammenarbeit mit der Fluggesellschaft aus dem Emirat schmackhaft zu machen.
Sie gehen also selbst in die Offensive, um sich nicht zu sehr in die Defensive drängen zu lassen. Denn dort ist nicht nur die Nagelsmann-Elf anfällig. Bestes Beispiel war der Round Table zum Thema Katar am 4. Juli, ein mehr als zweistündiger Austausch unter der Leitung von Christoph Heusgen, dem Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz.
FC Bayern München setzt auf Dialog statt Ausgrenzung
Die Fragen und Antworten wurden auf der Vereinshomepage ausführlich veröffentlicht. Demnach engagiere sich der FCB "in Doha seit 2018 für Frauensport und für Gleichberechtigung". Es werde auf Dialog statt Ausgrenzung gesetzt: "Der FC Bayern ist der Meinung, dass man Veränderungen und Entwicklungen nur im Austausch anstoßen kann."
Zudem hätten sich die Bedingungen für Gastarbeiter in Katar zuletzt deutlich gebessert. Auch wird auf die politischen und wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und dem Wüstenstaat verwiesen. Beim Vertragsabschluss seien Vertreter der Bundesregierung, der Wirtschaft, der Kultur und der Menschenrechtsorganisationen konsultiert worden und niemand von ihnen habe von der Unterschrift abgeraten.
Betont wird auch immer wieder die Zusammenarbeit mit der International Labour Organization. Diese bemüht sich innerhalb der UN um die Förderung sozialer Gerechtigkeit sowie von Menschen- und Arbeitsrechten.
FC Bayern München über Katar-Deal: "Wirtschaftliche Gründe spielten Rolle"
Der Vertrag sei "aus einer normalen Marktlage heraus geschlossen" worden, nachdem es mit dem vorigen Fluglinien-Partner Lufthansa keine Einigung gegeben habe. Schon damals habe sich der Verein nicht nur in einem sportlichen Wettbewerb mit anderen großen Vereinen befunden, "sondern auch auf internationalen Wirtschaftsmärkten, insbesondere in Asien, Nordamerika und im arabischen Raum am Golf".
So kam dann die Einigung mit Qatar Airways zusammen. Was dabei im Vordergrund stand, wird bei diesem Satz deutlich: "Der FC Bayern hat von Anfang an erklärt, dass wirtschaftliche Gründe eine Rolle für die neue Partnerschaft spielten - wie bei jeder Partnerschaft."
FC Bayern München: Verlängerung mit Qatar Airways realistisch
Klargestellt wird auch, dass die Katarer für die Zeit nach dem Vertragsende am 30. Juni 2023 erste Ansprechpartner sein werden. Ein Ende der Zusammenarbeit im kommenden Sommer schien für die Katar-kritischen Fans zumindest ein annehmbarer Kompromiss zu sein.
Außerdem erklären die Bayern, dass Qatar Airways für einen Teil der Kosten, die für das Wintertrainingslager in Doha anfallen, aufkommt. Das Camp im Januar hat allerdings schon mehr Tradition als die Partnerschaft.
Dies sei auf Louis van Gaal zurückzuführen, der das dortige Angebot und die Ausstattung "für die im Winter für einen europäischen Verein beste Lösung" gehalten habe. Letzteres war die Bayern-Antwort auf den Vorwurf, der Klub sei erstmals nach Doha eingeladen worden, da Ehren-Präsident Franz Beckenbauer als damaliges Mitglied des FIFA-Exekutivkomitees für die WM-Vergabe nach Katar gestimmt hatte.
Katar-Kritiker Ott will Bayern-Boss Hainer zur persönlichen Meinung befragen
Bei einem der offensivsten Katar-Kritiker mit FCB-Wappen im Herzen verfangen diese Erklärungen nicht. "Viele Antworten sind nur heiße Luft", schimpfte Michael Ott, der vor einem Jahr mit einem Antrag auf Beendigung des Katar-Sponsorings für Aufsehen sorgte, im Interview mit "t-online". Er mutmaßt: "Generell schwingt der Eindruck mit, dass faktisch die Entscheidung zur Fortsetzung des Sponsorings schon getroffen wurde."
Ott, der am Round Table teilnahm, wirft dem Verein vor, "kritiklos der Imagepflege von Katar eine Bühne zu bieten". Auch das Argument, nur mit dem Geld aus Katar sei es möglich, den staatsfinanzierten Vereinen auf lange Sicht Paroli bieten zu können, überzeugt ihn nicht: "Wenn wir da auf Teufel komm raus für ein paar Millionen mehr unsere Werte verkaufen, ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein."
Für Ott war das Ende der Jahreshauptversammlung 2021 "ein Debakel". Diesmal will er Hainer vor der Wahl des Präsidiums "dazu befragen, wie er sich insbesondere in der Katar-Thematik persönlich positioniert".
Hoeneß lobt Entwicklung der Menschenrechte in Katar
Auch Uli Hoeneß wird am Samstagabend wieder vor Ort sein. Nachdem er vor einem Jahr konsterniert mitansehen musste, wie seine Nachfolger in der Chefetage das im Thema steckende Konfliktpotenzial komplett zu unterschätzen schienen, hat er sich diesmal im Vorfeld deutlich positioniert.
Der langjährige Manager und spätere Präsident, der in gewisser Weise noch immer das Gesicht des Vereins darstellt, hatte das Katar-Sponsoring zuletzt per kurzentschlossenem Telefonanruf im "Sport1"-Talk "Doppelpass" vehement verteidigt und sich dafür beim Heimspiel gegen Bayer Leverkusen (4:0) beißende Kritik aus der Südkurve eingehandelt.
Im "Sonntags-Stammtisch" des "BR" legte Hoeneß nach und betonte: "Es ist nachgewiesen, dass die Menschenrechte in Katar am besten vorankommen im ganzen Nahen Osten." Die ganze Diskussion an sich sei für ihn typisch deutsch. Würde man die Menschenrechte hierzulande zum Maßstab nehmen, dürften in 87 Prozent der Länder keine Sportereignisse mehr steigen, so Hoeneß.
FC Bayern München verweist auf intensiveren Dialog mit Mitgliedern und Fans
Während Hoeneß also allen Kritikern die Stirn bietet, wirbt die Führungsriege von der Säbener Straße eher um deren Verständnis. So wird auf der Vereinshomepage davon gesprochen, allgemein habe "der FC Bayern den Dialog mit seinen Mitgliedern und Fans noch einmal intensiviert".
Dabei seien Formate entwickelt worden, "um einen besseren Austausch auf Augenhöhe zu ermöglichen, mehr Transparenz zu schaffen, das Miteinander und die Identifikation zu stärken sowie Konfliktpotenziale früh angehen zu können".
FC Bayern München: "Aus jeder Kontroverse stärker hervorgegangen"
Es geht also um den Schulterschluss. Dafür warb der Verein schon in einer Mail kurz nach der Jahreshauptversammlung, die der Katar-Disput erstickt hatte. Darin stand: "Unser Verein ist aus jeder Kontroverse und nach jedem Rückschlag stets nur noch stärker hervorgegangen, denn wir haben immer im Miteinander unseren eigenen Weg gefunden."
Eine lebhafte Jahreshauptversammlung, auf der verschiedene Standpunkte zum Ausdruck kommen, ist also jederzeit wünschenswert. Ein bisschen Reibung kann nie schaden. Die erzeugt ja schließlich Wärme.
Und niemand im Verein kann sich nur Ja-Sager und Abnicker wünschen. Doch am Ende soll alles im Rahmen bleiben. Dafür braucht es zunächst die Akzeptanz der verschiedenen Sichtweisen.
Ein ähnliches Chaos wie vor einem Jahr im Audi Dome wäre dagegen Gift für den ganzen Verein. Weit schlimmer als jedes weitere Gegentor auf dem Rasen.
Marcus Giebel
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