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"Bege-Blog": Der deutsche Davis-Cup-Insider

  • Aktualisiert: 12.09.2013
  • 18:42 Uhr
Article Image Media
© Getty
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Der 29-jährige Davis-Cup-Debütant Andre Begemann schreibt auf ran.de über seine Erlebnisse mit der deutschen Mannschaft vor und während dem Relegationsspiel gegen Brasilien vom 13. bis 15. September in Neu-Ulm/Ulm.

Hallo Tennis-Fans,

so langsam kommen wir dem Davis-Cup-Wochenende näher und man kann spüren, dass wir alle voller Vorfreude sind. Die Trainingseinheiten werden qualitativ immer besser und vor allem wachsen wir von Tag zu Tag als Team immer mehr zusammen. Wo es anfänglich vielleicht noch Anpassungsschwierigkeiten gab, läuft jetzt alles reibungslos.
Aber auch das gehört dazu - immerhin haben wir mit Daniel Brands, Martin Emmrich und mir drei Neulinge im Team. Gestern ist dann noch Maximilian Marterer (einer der aktuell besten Junioren Deutschlands) als Trainingspartner zum Team gestoßen. Außerdem ist zu erwähnen, dass die Partie am Wochenende für unseren Teamchef Carsten Arriens und Co-Kapitän Michael Kohlmann erst die zweite Begegnung als verantwortliches Trainergespann ist. Wir sind alle frisch, hochmotiviert und die neuen Ideen und Ansätze sind klar zu spüren.

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Seit 22 Jahren fester Bestandteil des deutschen Davis-Cup-Teams: Gunther Strähle 

Der Herr der Saiten: Gunther Strähle bei seiner täglichen Arbeit.
Der Herr der Saiten: Gunther Strähle bei seiner täglichen Arbeit.© DTB

Es ist für uns Spieler besonders interessant, wenn Gunther uns Anekdoten aus seiner Davis-Cup-Vergangenheit erzählt. Heute hat er sich nach unserer ersten Trainingseinheit ein bisschen Zeit genommen, um ein paar seiner witzigsten und interessantesten Geschichten mit uns zu teilen. Eine davon dreht sich um die letzte Davis-Cup-Begegnung 1992 zwischen Deutschland und Brasilien in Rio de Janeiro.
Damals waren Boris Becker, Carl-Uwe Steeb, Markus Zoecke und Eric Jelen im Team. Boris lag in seinem ersten Match am Freitag mit 1:2-Satzrückstand und 2:5 im vierten Satz zurück und hat bei seinem eigenen Aufschlag beim Stand von 0-40 drei Matchbälle und bei 4:5 und 15-40 noch einmal zwei Matchbälle abgewehrt.

Er kämpfte damals bei 45 Grad und nahezu 100 Prozent Luftfeuchtigkeit gegen die Hitze und die stickige Luft an. Er wehrte schließlich alle Matchbälle ab und gewann den vierten Satz im Tiebreak 7:1 und dann letztendlich den fünften Satz mit 6:0.

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Erinnerungen an Rio de Janeiro 1992

Ein Wahnsinnskampf, wie Gunther berichtet. Doch schon am nächsten Tag wurde er Zeuge eines unglaublichen Energie- und Leistungsabfalls, wie er ihn noch nie vorher erlebt hatte und Deutschland verlor das Doppel glatt. Am Sonntag musste Markus Zoecke den angeschlagenen Becker ersetzen und der hatte dann sogar die Möglichkeit bei 1:2 Rückstand auszugleichen. Ihm erging es leider ähnlich wie Boris´ Gegner am Freitag. Er hatte im vierten Satz bereits Matchball und servierte ein sicher geglaubtes Ass einen Zentimeter neben die Linie. Danach folgte ein zweiter Aufschlag, daraufhin ein Punktverlust und die Wende mit der anschließenden Niederlage im fünften Satz. Boris bekam somit nicht mehr die Chance, das entscheidende Match zu spielen und Deutschland verlor die Partie mit 1:3 in der ersten Runde der Weltgruppe. Es lässt sich also feststellen, dass auch mit einer solch renommierten Mannschaft der Davis Cup – genau wie der DFB-Pokal im Fußball – seine eigenen Gesetze hat.

Jetzt möchte ich ein wenig auf Gunthers eigentliche Tätigkeit als Besaiter eingehen. Er betreut neben dem Davis-Cup-Team schon seit Jahren Profis wie David Ferrer, Philipp Kohlschreiber und Marcel Granollers und stellt alle drei Monate aufs Neue die Schläger genauestens auf die Bedürfnisse des Spielers ein. Was heißt das genau?
Die Schläger werden vom Hersteller geschickt und dann beginnt für ihn die Arbeit. Für den Griff wird ein Handabdruck des Spielers genommen und an die Wunschgröße und Form angepasst. Manche Spieler mögen eckige Griffe, manche eher runde Griffe. Es kann also sein, dass ein Spieler mit einem Head-Schläger spielt, allerdings einen Griff von Prince oder Wilson montiert bekommt oder ein ganz persönlicher Griff nach Abdruck und Schaum erstellt wird. Danach wird der Schläger hinsichtlich Schwunggewicht und Balance angepasst. Manche Spieler mögen die Schläger eher kopflastig und manche eher grifflastig.

Mit dieser Information beklemmt Gunther dann auf Wunsch Bleistreifen unter den Ösenbändern, seitlich am Schlägerkopf, am Herz des Schlägers oder er spritzt Silikon in den Griff um diesen zu erschweren. Ein bestimmtes Gerät ermittelt dann das Gewicht des Schlägers und die genaue Balance von den angeklebten Bleistreifen. Jeder Spieler hat seine genauen "Specs" (Werte) und wenn Gunther diese vorliegen hat, kann er dir aus einem Rohling einen Schläger nach Wunsch basteln.

Die Wissenschaft mit den den Tennisschlägern

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Bei der Arbeit: "Bege" wechselt sein Griffband.
Bei der Arbeit: "Bege" wechselt sein Griffband.© DTB

In unserer Mannschaft werden folgende Schläger, Saiten und Besaitungshärten gespielt:

Kohli: Wilson 6.1 630cm²: längs Wilson Naturdarm 22kg/ quer Luxilon Orig. Rough 23kg

Flo:  Head Prestige 630cm²: längs Pacific Polyester 26kg/ quer Pacific Naturdarm 25kg

Brandy: Wilson K-Blade 630cm²: längs und quer Luxilon Alu Power 27kg/26kg

Martin: Head Instinct 645cm²: Polyester Signum Pro 26kg/25kg

Bege:  Head Instinct 645cm²: längs Pacific Polyester 22kg/quer Pacific Naturdarm 22kg
Gunther betreut im Jahr viele Profis individuell und bereist auch ein paar nationale und internationale Turniere. Trotzdem hat er mir verraten, dass Davis Cup immer die schönste Woche des Jahres ist, da er mit uns im Team zusammen ist und uns die Woche über mit Besaitungen und Gewichtsanpassungen betreuen und am Platz unterstützen kann. Wir sind ihm für seine Arbeit sehr dankbar und er ist nicht nur durch seine tolle Persönlichkeit und seine Anekdoten aus 22 Jahren Davis Cup eine große Bereicherung für das Team.

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"Beges" Rede beim Team-Dinner

Feiner Zwirn: Das deutsche Davis-Cup-Team beim gemeinsamen Dinner in Ulm.
Feiner Zwirn: Das deutsche Davis-Cup-Team beim gemeinsamen Dinner in Ulm.© DTB

Es ist eine Tradition, dass alle Neulinge bei ihrer ersten Davis-Cup-Erfahrung eine Rede halten und so war ich heute an der Reihe. Ich muss gestehen, dass mir kurz das Blut in den Kopf geschossen ist, allerdings möchte ich mich an dieser Stelle bei meinem Professor bedanken, der mich damals in der "Speech-Class" am College in Amerika auf solche Momente vorbereitet hat. :-)
Ich habe mich beim Publikum kurz vorgestellt und mich bei unserem Teamchef Carsten Arriens herzlich für die Nominierung bedankt. Die erste Davis Cup Erfahrung wird immer in ganz besonderer Erinnerung bleiben und ich bin froh und dankbar, wie mich das Team aufgenommen hat.
Jetzt geht es für mich langsam ins Bett. Morgen ist das Abschlusstraining und die "Draw-Ceremony". Dort wird bestimmt, wer am Freitag als erstes aufeinander trifft. Darauf folgt die abschließende Pressekonferenz.
Falls ihr noch Fragen zum Schlägertuning oder der Besaitung habt, stehe ich euch gerne auf Twitter unter @AndreBegemann und auf meiner Facebook Fanpage zur Verfügung.
Bis morgen,

Bege

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