Abstiegskrimi in der Bundesliga
VfB: Das Wunder von Stuttgart als Wake-Up-Call
- Aktualisiert: 14.05.2022
- 22:17 Uhr
- ran.de/Carolin Blüchel
Am letzten Spieltag standen die Zeichen beim VfB Stuttgart lange Zeit auf Relegation. Doch trotz katastrophaler Chancenverwertung gelingt den Schwaben das Last-Minute-Wunder. Das Happy End darf aber nicht über eine große Baustelle hinwegtäuschen.
München - 93 Minuten lang war es die Geschichte der katastrophalen Chancenverwertung, die dem VfB Stuttgart zwei Jahre nach dem Aufstieg aus der zweiten Liga den direkten Klassenerhalt verwehrt. Letzte Ausfahrt: Relegation. Der Absturz in die Zweitklassigkeit droht. Dann folgt die 92. Minute.
Kapitän Wataru Endo, zuvor noch frei vorm Tor am Aluminium gescheitert, befördert den Ball nach einer Ecke im Tiefflug in die Maschen zum 2:1 gegen den 1. FC Köln. Weil Borussia Dortmund gegen Abstiegskontrahent Hertha BSC Schützenhilfe leistet, brechen in der Mercedes-Benz-Arena alle Dämme.
Zehntausende ekstatische Fans stürmen den Rasen. Die Last-Minute-Helden um Sasa Kalajdzic, Torschütze zum 1:0, genießen sichtlich das Bad in der Menge. Ein Happy End, wie es nun mal nur der Fußball schreiben kann.
"Das ist in Worte kaum zu fassen", jubelte Geschäftsführer Alexander Wehrle und fiel dem etwas verdutzten "Sky"-Moderator Patrick Wasserzieher während des Interviews grölend um den Hals.
Meistermannschaft von 1992 als Glücksbringer
Um den Erfolg zu erzwingen, hatte sich die Vereinsführung vor Anpfiff etwas ganz Besonderes ausgedacht und die Fußballgeister der Vergangenheit beschworen. Die Meistermannschaft von 1992 kam zur Unterstützung, die aktuelle Elf trug eine Replik des Meister-Jerseys von vor 30 Jahren als Glücksbringer.
Guido Buchwald hatte damals in der 86. Minute den entscheidenden Treffer für den VfB erzielt, 2022 war es eben Endo in der Nachspielzeit. Von wegen Aberglaube führt zu nichts.
Dabei hatten sich die Stuttgarter gedanklich schon vor einigen Wochen mit der Relegation angefreundet. Erst nach zwei Remis im Saisonendspurt gegen Wolfsburg und Bayern, bei denen die Schwaben jeweils nach Rückständen zurückkamen, und dank einer schwächelnden Hertha keimte neue Hoffnung.
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VfB vergibt massenhaft Chancen
Um die Mission Klassenerhalt zu schaffen, war ein Sieg gegen Köln allerdings Pflicht. Der Wille war da. Der VfB kämpfte, ließ sein Herz auf dem Platz. 60.000 grölende Anhänger peitschenden ihre Mannschaft zu Chancen im zweistelligen Bereich. Doch selbige zu verwerten? Da lag in dieser Saison der Hase im Pfeffer.
Allein Kalajdzic hätte nach seinem vergebenen Elfer drei- oder viermal netzen müssen. Endo, zugegeben hauptberuflich kein Goalgetter, traf nur Aluminium. Hinzukam, dass FC-Keeper Marvin Schwäbe an diesem Nachmittag gefühlt Unhaltbare hält. Schwäbe, der Hexer. Das Kölner Tor wie vernagelt.
Als einige Fans auf den Rängen schon Tränen in den Augen hatten, schließlich die Erlösung. "Ich habe nur gedacht, jemand muss treffen, jemand muss treffen. Dann war es ich", feiert Matchwinner Endo nach Abpfiff bei "Sky". Der Klassenerhalt sei einer der schönsten Momente seines Lebens.
Ähnlich beschrieb es Präsident Claus Vogt. "Es ging ans Herz und an die Nieren. So kann eigentlich nur der Fußball sein. (…) Ich bin ausgeflippt."
Fehlende Effektivität und Verletzungspech beim VfB
Das versöhnliche Ende täuscht jedoch nicht über die enttäuschende Spielzeit hinweg, durch die sich die fehlende Effektivität vor dem Tor wie ein roter Faden zog. Spiele wie etwa das 1:1 gegen Absteiger Arminia Bielefeld brachten den VfB erst in die Bredouille. Insgesamt zwölf Remis stehen sinnbildlich für viele liegen gelassene Punkte.
Die Verletzungsmisere, am letzten Spieltag fehlten neun Akteure, war ein weiterer Mosaikstein der Krise. So hatte Stürmer Kalajdzic, der als möglicher Lewandowski-Nachfolger beim FC Bayern gehandelt wird, fast die komplette Hinrunde wegen einer Schulterverletzung verpasst.
Sportdirektor Mislintat in der Kritik
In der Kritik steht vor allem Sportdirektor Sven Mislintat. Nach Platz neun in der vorangegangenen Saison hatte der VfB als Aufsteiger positiv überrascht. Dann aber bekam Routinier Gonzalo Castro keinen neuen Vertrag. Offensiv-Juwel Nicolas Gonzalez wurde für 24,5 Millionen Euro Ablöse nach Florenz verkauft.
Neuzugänge wie die Leihspieler Tiago Tomas und Omar Marmoush füllten die Fußstapfen nicht aus. Berücksichtigt man, dass mit Kalajdzic und Borna Sosa wieder zwei wichtige Stützen den Verein wahrscheinlich verlassen werden, werden die Herausforderungen bei der Kaderplanung nicht kleiner.
Ob Mislintat aber auch Trainer Pellegrino Matarazzo ihre Jobs in Stuttgart weiter ausüben dürfen, ist derzeit noch offen. Fest steht nur: Eine Saison wie diese darf sich nicht noch einmal wiederholen. Denn zwei Wunder in Folge gibt es selbst im Fußball selten.
Carolin Blüchel
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