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WM 2022 Katar

WM 2022: Kolumne – ran-WM-Experte Torsten Frings mit Klartext zum deutschen WM-Aus: "Die Gier nach Erfolg hat gefehlt"

  • Aktualisiert: 07.12.2022
  • 11:50 Uhr
  • ran.de
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© Getty
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Aus, Schluss, vorbei – die deutsche Fußball-Nationalmannschaft ist nach 2018 auch in diesem Jahr wieder in der Vorrunde einer Weltmeisterschaft ausgeschieden. In seiner Kolumne analysiert ran-WM-Experte Torsten Frings das frühe Ausscheiden der DFB-Elf, nennt Gründe für die Blamage von Katar und geht näher auf die Rollen von Bundestrainer Hansi Flick sowie Teammanager Oliver Bierhoff ein.

Von Torsten Frings

München – Ich muss ehrlich gestehen, dass mich das Ausscheiden der deutschen Mannschaft bei der WM in Katar nicht mehr wirklich überrascht hat. Denn wir hatten es ja nicht mehr in der eigenen Hand hatten – was schon traurig genug ist. Es ist einfach immer schwer, wenn du von anderen Mannschaften abhängig bist. Da müssen wir uns an die eigene Nase fassen. Das war von der ersten Sekunde an ein schlechtes Turnier von uns und deswegen sind wir auch verdient ausgeschieden. Die anderen Teams waren einfach besser als wir.

Warum unser Bundestrainer Hansi Flick ausgerechnet im Spiel gegen Costa Rica umgestellt und Joshua Kimmich hinten rechts hat spielen lassen, kann nur er selbst beantworten. Ich habe es ehrlich gesagt nicht verstanden. Es spricht auch nicht gerade für die anderen Rechtsverteidiger im Kader, wenn ein Mittelfeldspieler auf diese Position rücken muss. Auf der anderen Seite ist Kimmich aber ein Spieler, der das eigene Spiel permanent mit ankurbeln und unheimlich gute Flanken schlagen kann. Nur braucht es dann eben auch jemanden im Strafraum, der diese Flanken verwertet. Deswegen ist es für mich total unverständlich, warum Niclas Füllkrug nicht von Anfang an gespielt hat.

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Frings-Vorwurf an Flick: Kein "Leistungsprinzip" und keine "Konflikte"

Torsten Frings kritisiert die Aufstellung von Deutschland gegen Costa Rica und wirft Bundestrainer Hansi Flick vor, Konflikte gescheut zu haben. Wer den Mund nicht aufmache, spiele nicht.

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Frings: Flick wollte Konflikten aus dem Weg gehen

Flick hat in dieser Partie vor allem seinem großen Bayern-Block vertraut. Das ist für mich ein bisschen bezeichnend, denn es wirkte bei diesem Turnier generell auf mich so, als ob man Konflikten aus dem Weg gehen wollte. Spieler, die auch mal den Mund aufmachen, wurden eher in die Startelf berufen als die Jungs, die still sind und nichts sagen. Man weiß, dass Füllkrug den Mund hält und sich nicht beschweren wird, wenn er auf der Bank sitzt. Ganz im Gegenteil beispielsweise zu einem Leon Goretzka, Ilkay Gündogan, Thomas Müller oder wie sie auch alle heißen mögen. Ein Thilo Kehrer ist auch eher ruhig, wenn ihm ein Kimmich hinten rechts vor die Nase gesetzt wird.

Natürlich ist es vor allem die Aufgabe eines Trainers, innerhalb einer Mannschaft für Ruhe zu sorgen. Aber auch die Spieler selbst sind da in meinen Augen gefordert. Du kannst nur erfolgreich sein, wenn du dich komplett unterordnest und dir klar machst, dass das Team über allem steht. So ein Zusammenhalt, so ein Teamspirit macht eine Mannschaft eigentlich auch aus. Da hatten wir aber anscheinend so unsere Probleme.

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Frings: Spielverlauf gegen Costa Rica unerklärlich

Auch der Spielverlauf gegen Costa Rica ist mir wieder einmal völlig unerklärlich. Wenn ich mir diese Partie so anschaue, dann muss man doch diese Gier entwickeln, das zweite, dritte oder sogar vierte Tor zu machen und dem Gegner so frühzeitig zeigen, dass für ihn aber auch gar nichts drin ist. Ich finde, dass wir dann zu lässig gespielt haben, zu viel Hacke, Spitze, eins, zwei, drei. Da war keine Konsequenz mehr zu erkennen, keine Flanken mehr über außen, so wie wir auch das 1:0 gemacht haben. In der Defensive sind wir dann auch lässig geworden, wollten den Ball locker über den Gegenspieler drüber lupfen anstatt ihn auf die Tribüne zu knallen. Das ist dann ja auch fast schief gegangen, aber Manuel Neuer hat uns in dieser Situation noch gerettet. Aber durch solche Aktionen holst du einen Gegner wieder zurück ins Spiel.

Wir brauchen also keine Wut auf die Spanier entwickeln, die gegen Japan verloren haben. In erster Linie sollten wir sauer auf unsere eigene Mannschaft sein. Außerdem muss man auch mal den Japanern ein Kompliment machen. Sie sind nach ihrem Debakel gegen Costa Rica stark zurückgekommen und haben nach Deutschland nun auch Spanien geschlagen. Und wenn man diese beiden Teams in der Gruppe schlägt, steht man letztlich auch verdient im WM-Achtelfinale.

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Frings: Wir haben es ganz allein verbockt

Natürlich habe aber auch ich die Szenen gesehen, die zum entscheidenden 2:1 für Japan geführt haben. Und wenn ich die Bilder alle so sehe, hätte ich im ersten Moment auch zu einhundert Prozent gedacht, dass der Ball im Aus ist. Aber laut dem Regelwerk berührt der Ball eben noch ein kleines Stück die Linie und somit war der Treffer offensichtlich korrekt. Sie werden sich schon sämtliche Kameraperspektiven angeschaut haben, um auch ganz sicher zu sein, dass der Treffer zählt. Auf der anderen Seite sollten wir uns nicht mit solchen 'Kleinigkeiten' beschäftigen. Wir haben das ganz allein verbockt. Kein Linienrichter, kein Schiedsrichter, kein VAR. Nur wir ganz allein.

Vor allem einem so verdienten Spieler wie Thomas Müller wünscht man so einen Abgang aber natürlich nicht. Ich habe großen Respekt vor seiner Karriere und vor seinen Leistungen. Er war über viele Jahre hinweg ein ganz wichtiger Mann in dieser Nationalmannschaft. Die Rede nach dem Spiel gegen Costa Rica hörte sich für mich fast so an, als ob er sie im Vorfeld schon mal geübt hat. Für den Fall der Fälle. Deswegen sagt mir mein Bauchgefühl, dass er mit der Nationalmannschaft aufhören wird, um sich voll und ganz auf den Verein zu konzentrieren und um Platz für die jüngere Generation zu machen.

Frings: Bei Müller und Gündogan sind Rücktritte vorstellbar

Bei Gündogan könnte ich mir auch gut vorstellen, dass er sich wie Müller ab sofort auf den Verein konzentrieren will. Und sollte das Gerücht wirklich stimmen, dass Hansi Flick ihn tatsächlich vor dem Turnier überreden musste, bei der WM in Katar dabei zu sein, sollte man sich sowieso grundsätzlich mal Gedanken machen, ob man in der DFB-Elf noch weitermachen will. Denn wenn man wirklich als Spieler für eine WM überredet werden muss, scheint irgendetwas nicht zu stimmen.

Dass der Bundestrainer selbst nach dem frühen WM-Aus jetzt auch in der Diskussion steht, ist ganz normal. Es ist allerdings das erste Mal seit Jahren, dass Hansi Flick so richtig Gegenwind bekommt. Und natürlich ist es nicht gut, wenn du als deutscher Bundestrainer mit deiner Mannschaft in der Vorrunde einer WM rausfliegst. Trotzdem bin ich fest davon überzeugt, dass Flick nach wie vor der richtige Mann ist für diesen Job. Vor allem, weil er unheimlich gut mit diesen jungen, talentierten Spielern umgehen kann. Und davon haben wir ja in Deutschland auch eine Menge. Außerdem stellt sich bei Flick auch die Frage der Alternativen. Wer soll es denn besser machen? Für mich wäre das nur Jürgen Klopp – und der ist im Moment nicht zu haben. Deswegen ist Hansi Flick wie bereits gesagt der richtige Mann.

Frings: Flick der richtige Mann

Und ich glaube schon, dass nicht nur Flick, sondern jeder beim DFB weiß, dass er den einen oder anderen Fehler gemacht hat. Auf der anderen Seite stehen da erfahrene Spieler und junge Talente auf dem Platz, die bei den besten Klubs in Europa spielen. Und da hat dann womöglich bei dem einen oder anderen der nötige Ernst gefehlt, der bei einer WM aber absolut nötig ist.

Die Spieler sollten eigentlich jede Minute bei so einem Turnier genießen und auf dem Rasen um jeden Millimeter fighten – doch das habe ich bei unserer Mannschaft leider nicht gesehen. Gegen Costa Rica darfst du eigentlich niemals zittern. Das ist eine Mannschaft, die du klar besiegen musst. Wenn du wirklich bei einhundert Prozent bist, dann gewinnst du von zehn Spielen gegen Costa Rica auch alle zehn. Da darf es eigentlich keinen Zweifel geben. Auch gegen Japan haben wir den Sieg letztlich verschenkt. Da hat mir in vielen Phasen die Gier nach Erfolg gefehlt.

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Frings: Bierhoff hat viele Projekte angeschoben

Deswegen ist es mir jetzt auch zu einfach, die Ablösung von Oliver Bierhoff zu fordern. Ich finde, dass er im deutschen Fußball sehr viele Projekte angeschoben und somit sehr viel für den Sport in unserem Land gemacht hat. Wenn ich allein an das neue Nachwuchsleistungszentrum des DFB in Frankfurt denke. Das war und ist auch ein Projekt von Bierhoff gewesen.

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Ich glaube allerdings nicht, dass es uns an Talenten mangelt, sondern an Spielern, die eine gewisse Mentalität mitbringen. Denn bei allem Talent: Mentalität kann man nicht trainieren. Die hat man oder auch nicht. Deswegen müssen wir eher sie, die Mentalität, suchen. Wenn man dann nämlich Spieler auf dem Rasen hat, die das Sagen haben, sich zerreißen und die anderen mitziehen, dann kann man auch solche Top-Talente wie beispielsweise Jamal Musiala frei über den Platz laufen und ihnen ihre Freiräume lassen.


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