Luca Toni: Die Auferstehung des Ohrschraubers
- Aktualisiert: 02.06.2015
- 12:44 Uhr
- ran.de / Rainer Nachtwey
Luca Toni schreibt als ältester Capocannoniere Geschichte. Italien verneigt sich vor dem "großen Alten". Ein Versprechen vor der Saison lässt auf eine Fortsetzung der Karriere hoffen.
München/Verona - Eigentlich wollte er sich ganz "rilassato" (entspannt) Inter gegen Empoli vor dem Fernseher ansehen. Aber die letzten 13 Minuten dieser Partie dürften für Luca Toni überhaupt nicht "rilassato" gewesen sein.
Die Mailänder führten 4:2, darauf kam es Toni allerdings nicht an. Vielmehr ging es darum: Schießt Mauro Icardi noch ein Tor oder nicht? Seine zweite Bude hatte der Inter-Stürmer gerade in der 77. Minute erzielt, in der Torschützenrangliste mit dem Verona-Stürmer gleichgezogen.
Jetzt war bei Toni mehr "tremare" (zittern) statt "rilassare" angesagt. Aber Empolis Abwehr überstand die letzten Minuten. Damit war klar: Luca Toni ist Capocannoniere. Torschützenkönig der Serie A. Im stolzen Alter von 38 Jahren und sechs Tagen.
"Der Titel ist etwas ganz Besonderes", sagt Toni. "Für das Team, die Stadt. Dass ich gewinne, ist ein Verdienst der ganzen Mannschaft. Ich habe den Jungs versprochen: Sollte ich gewinnen, gibt es ein Dankeschön für jeden einzelnen."
Rekorde en masse
Zwar ist Toni "nur" gemeinsam mit seinem Mailänder Rivalen Icardi Torschützenkönig, aber wen kümmert das schon, wenn man neue Rekorde aufstellt. Ältester Capocannoniere aller Zeiten, ältester Torschützenkönig in den Top vier Ligen. Ältester Torschütze in der Serie A.
Auch das war ihm gelungen. Am Samstag, einen Tag vor dem Inter-Empoli-Spiel, hatte er das zwischenzeitliche 1:1 beim 2:2 gegen Juventus Turin erzielt. Als "Unsterblich!", feierte die Gazzetta dello Sport den "großen Alten".
Von van Gaal abgeschoben
Ausgerechnet Luca Toni. Toni, der Ohrschrauber, il Bomber. Der vergangene Bomber.
Denn eigentlich war er doch schon weg vom Fenster. 2009 war er beim FC Bayern von Louis van Gaal für untauglich erklärt worden, abgeschoben zum AS Rom. Von dort ging es weiter. Genua, Juve immer nur Hilfskraft. Da drei Tore, dort zwei. Toni schien ausgeschraubt zu haben.
"Seit einigen Jahren sagt man mir, dass ich am Ende bin", hielt Toni bereits im Februar 2011 fest. Das war vor vier Jahren.
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Wechsel nach Dubai
Der Wechsel zu Al-Nasr Sports Club im Januar 2012 bestätigte dies nur. Fußball spielen in der Wüste, ob Dubai oder Katar, ist zumeist der letzte Schritt vor dem Rentnerdasein eines Profis.
Die Unterschrift unter einen Vertrag bei einem Wüstenklub heißt im gesegneten Alter von 34 Jahren so viel wie "Arrivederci Calcio, ich hänge meine Schuhe an den Nagel". Noch einmal kräftig abkassieren für ein bisschen kicken.
Wieder durch Gomez ersetzt
Aber Toni reichte das nicht. Also kehrte er 2012 zur Fiorentina zurück, zu dem Verein, bei dem er sich in den Fokus der Fußball-Welt geballert hatte. Aber auch beim AC Florenz hatten die Verantwortlichen nach einer Saison schon wieder genug.
Wie schon beim FC Bayern wurde ihm Mario Gomez vor die Nase gesetzt: "Ciao Bello, mach's gut. Aber nicht hier."
Letzter Strohhalm Hellas Verona
So blieb dem Weltmeister von 2006 nur Hellas Verona. Ein Aufsteiger. Der letzte Strohhalm, an der er sich noch klammerte. Der Klub aus der Region Venetien nahm den verhinderten Torjäger unter Vertrag. Ein letzte Saison vielleicht noch.
Aber Toni und Verona entwickelte sich zu einem "Gesucht und Gefunden". Es ergab eine Symbiose, es machte klick. Und il Bomber bombte wieder ein. Reichlich.
20 Treffer in der ersten Spielzeit, so viele wie in den gesamten drei Jahren zuvor. Nun legte er eine 22-Tore-Spielzeit nach. "Verona und ich, das ist eine besondere Beziehung", sagt Toni. "Mannschaft, Trainer, Manager. Hier fühle ich mich wohl."
Auf dem Platz ein Jugendlicher
Deshalb will er sich nach der Abschlussfeier mit der Vereinsführung zusammensetzen, über eine Weiterbeschäftigung verhandeln. Bereits zum Saisonstart hatte er - eigentlich im Scherz - angekündigt: "Wenn ich noch einmal 20 Tore schieße, würde ich darüber nachdenken, noch einmal weiterzumachen."
Und wenn man ihn zehn Monate später reden hört, kann man sich kaum vorstellen, dass er die Schuhe an den Nagel hängt. "Mir geht es gut, wenn ich auf den Platz gehe, fühle ich mich immer noch wie ein Jugendlicher", sagt er.
Das letzte Wort habe aber Coach Andrea Mandorlini. "Ich weiß nicht, vielleicht will er den Angriff verjüngen", sagt Toni. Aber Mandorlini schwärmt: "Wir haben es mit einem Phänomen zu tun."
Das Phänomen, das längst schon Rentner war. Il Bomber, der einfach weiterbombt.