Bundestrainer hört nach der EM 2021 auf
ranSicht: Löws Rücktritt kommt Jahre zu spät
- Aktualisiert: 09.03.2021
- 14:57 Uhr
- ran.de/Christian Stüwe
Jogi Löw wird nach der Europameisterschaft im Sommer von seinem Posten als Bundestrainer zurücktreten. Eine richtige Entscheidung, findet ran-Autor Christian Stüwe, den richtigen Zeitpunkt zurückzutreten hat Löw aber bereits zweimal verpasst.
München - Jogi Löw tritt als Bundestrainer zurück. Diese Schlagzeile kam am Dienstagmittag aus dem Nichts, eine echte Überraschung.
Keine Überraschung wäre der Rücktritt des Bundestrainers hingegen im Sommer 2018 gewesen, nach dem WM-Debakel in Russland. Ganz im Gegenteil, damals wurde eigentlich mit einem Rücktritt oder der Entlassung Löws durch den DFB fest gerechnet.
Doch Löw durfte und wollte weitermachen, mit dem Versprechen einen Neuanfang einzuleiten. Davon war seitdem aber wenig zu spüren, das 0:6 im Nations-League-Spiel gegen Spanien im November war ein weiterer Tiefpunkt in der Geschichte der stolzen deutschen Nationalmannschaft.
Dabei ist es nicht so, dass Löw keine guten Spieler zu Verfügung stehen würden, ganz im Gegenteil. Aber der Bundestrainer schaffte es zu keinem Zeitpunkt, Aufbruchstimmung zu verbreiten. Die Spiele der Nationalmannschaft sind schon lange keine Festtage mehr. Viele Fußballfans nehmen sie nur noch beiläufig wahr. Was natürlich nicht nur an Löw liegt, aber auch an ihm. Die Nachwirkungen der peinlichen WM konnte er nie abschütteln.
Löws Rücktritt ist richtig, aber er kommt zu spät
Löws Rücktritt nach der EM ist deshalb richtig, er ist sogar überfällig und kommt zweieinhalb Jahre zu spät. Nach dem WM-Debakel hätte Löw die Verantwortung übernehmen und Platz machen sollen für einen echten Neuanfang, nichts anderes verlangen die ungeschriebenen Gesetze des Fußballs.
Aus der Sicht des Bundestrainers kommt der Rücktritt vielleicht sogar sechseinhalb Jahre zu spät. Denn nach der WM 2014 bot sich Löw die Chance, als gefeierter Weltmeister-Trainer zurückzutreten. Nach einem 7:1-Sieg im Halbfinale gegen Brasilien, einem der denkwürdigsten Spiele in der DFB-Historie.
Während beispielsweise DFB-Kapitän Philipp Lahm auf dem Höhepunkt abtrat, machte Löw weiter. Vermutlich in der Hoffnung, auch noch den Europameisterschafts-Titel zu gewinnen. Doch dies klappte 2016 nicht, es klappte 2012 nicht und auch 2008 nicht. Bei allen diesen Turnieren kam die Nationalmannschaft weit, aber am Ende blieb der Eindruck, dass vielleicht mehr drin gewesen wäre. Dass der Mannschaft in den entscheidenden Spielen irgendetwas zum ganz großen Wurf fehlte. Löws Entscheidungen, wie beispielsweise im Halbfinale 2012 Passmaschine Toni Kroos mit der Beschattung von Italiens Spielmacher Andrea Prilo zu beauftragen, wurden kontrovers diskutiert und heftig kritisiert.
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Löw leitete ab 2004 den Umbruch des DFB-Teams mit ein
Auch diese Niederlagen sind etwas, das von der Ära Löw in Erinnerung bleiben wird. Natürlich genauso wie die großen Erfolge. Als Co-Trainer von Jürgen Klinsmann hatte Löw großen Anteil am Sommermärchen 2006 und generell an einer Transformation der etwas biederen Nationalmannschaft hin zu einem DFB-Team, dass eben nicht nur den Gegner niederkämpft, sondern gepflegten Angriffsfußball spielt.
Diese positiven Aspekte würden im Rückblick auf die Ära Löw stärker gewichtet werden, wenn Löw sich früher verabschiedet hätte und nicht in den letzten beiden Jahren der Eindruck entstanden wäre, dass der Bundestrainer sich an sein Amt klammerte, während die Mannschaft auf der Stelle trat.
Noch eine Chance für Löw
Aber noch ist die Ära Löw ja nicht vorbei. Im Sommer hat der Bundestrainer eine weitere Chance, Europameister zu werden. Und wer weiß, vielleicht fällt nun der Druck von Löws Schultern, vielleicht spielt die Mannschaft beflügelt auf und es gelingt der große Wurf.
Nur Helmut Schön schaffte es bislang als Bundestrainer, Welt- und Europameister zu werden. Sollte Löw sich tatsächlich mit einem Titel verabschieden, hätte er am Ende doch noch alles richtig gemacht.
Christian Stüwe
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