Ustorf: "Seidenberg einer der Besten in der NHL"
- Aktualisiert: 18.11.2013
- 11:36 Uhr
- ran.de / Dominik Kaiser
Die NHL-Saison ist in vollem Gange. Der ehemalige NHL-Profi Stefan Ustorf spricht im exklusiven Interview mit ran.de über die Situation der deutschen Kufen-Cracks in der amerikanischen Profi-Liga, die Favoriten des Jahres und die Leistung eines Altmeisters.
München - Er war Kapitän der deutschen Nationalmannschaft, machte 54 NHL-Spiele, feierte sieben deutsche Meisterschaften mit dem Rekord-Champion Eisbären Berlin. 2011 stoppte ein Check die Karriere von Stefan Ustorf. Wegen eines Schädel-Hirn-Traumas musste er anschließend seine Laufbahn beenden. Jetzt lebt der 39-Jährige mit seiner Familie in den USA. Mit ran.de spricht er exklusiv über die NHL-Saison und die Deutschen in der besten Liga der Welt.
ran.de: Herr Ustorf, Sie leben jetzt ja schon eine Weile in den USA. Wie sehr fehlt Ihnen Berlin?
Stefan Ustorf: Berlin fehlt mir sehr! Die Mannschaft, die Organisation und die Stadt. Es war eine sehr spezielle Zeit in meinem Leben.
ran.de: Im Dezember 2011 erlitten Sie ein Schädel-Hirn-Trauma, was Sie 14 Monate später zum Karriereende zwang. Wie sehr beeinträchtigen Sie die Folgen heute noch?
Stefan Ustorf: Ich habe weiterhin Probleme mit den Folgen meiner Verletzung und bin mit diversen Therapien beschäftigt.
ran.de: Die NHL-Saison läuft jetzt schon ein paar Wochen. Wer sind für Sie bisher die positiven Überraschungen?
Stefan Ustorf: Colorado mit ihrer jungen Mannschaft und Anaheim sind die Überraschungen im Westen. Im Osten bin ich von Tampa Bay bis jetzt am meisten angetan, ich hoffe sie können die schwere Verletzung von Steven Stamkos einigermaßen verkraften.
ran.de: Für die deutschen Spieler läuft es bisher mäßig. Einzig Dennis Seidenberg und die Boston Bruins sind auf Play-off-Kurs…
Stefan Ustorf: Dennis spielt in Bosten bei einer sehr guten Mannschaft und hat sich über die letzten paar Jahre zu einem der fünf bis zehn besten defensiven Verteidiger der ganzen NHL entwickelt. Die Bruins werden am Ende der Saison wieder ein Wörtchen mitreden, wenn es um die Vergabe des Stanley Cups geht.
ran.de: Warum läuft es bisher für Marcel Goc und die Florida Panthers sowie Christian Ehrhoff und die Buffalo Sabres nicht?
Stefan Ustorf: Christian ist persönlich in einer sehr schweren Situation da sich die Buffalo Sabres in einem totalen Umbruch befinden. Der wird ein paar Jahre andauern. Sie bauen auf junge Spieler und versuchen für die Akteure, deren Verträge am Ende der Saison auslaufen, so viel wie möglich zu bekommen. Christian selber ist erst im zweiten Jahr eines Vertrages, der über zehn Jahre läuft. Da er einer der Leader der Mannschaft ist und natürlich auch einer der besten offensiven Verteidiger, gehe ich davon aus, dass Buffalo ihn gerne behalten würde, um die jungen Spieler zu führen. Marcels Situation ist wieder ein bisschen anders. Florida hat gerade seinen kompletten Trainerstab gefeuert und auch innerhalb der Mannschaft einige Veränderungen angekündigt. Marcel selber spielt bis jetzt aber eine solide Saison, ist wie immer zuverlässig im eigenen Drittel, dazu einer der Top-Unterzahlspieler und schießt auch Tore.
ran.de: Gerade Christian Ehrhoff hat immer wieder die meiste Eiszeit in seinem Team. Was macht ihn so stark?
Stefan Ustorf: Christian ist ein hervorragender Schlittschuhläufer mit einem super Schuss und einem sehr guten Hockey-Verstand. Er weiß, wann er sich in die Offensive einschalten kann und wann nicht. Er kann in jeder Situation des Spiels auf dem Eis stehen.
ran.de: War sein Weggang vom Top-Team aus Vancouver vielleicht ein Fehler? Und könnte er auch in anderen Mannschaften eine so tragende Rolle spielen?
Stefan Ustorf: Ich glaube, dass sich Christian seine Zeit in Buffalo anders vorgestellt hat. Zu dem Zeitpunkt seines Wechsels sprach der neue Besitzer vom Gewinn des Cups, gab viel Geld für neue Spieler aus und hatte auf dem Papier eine Mannschaft, mit der viele Fachleute vor der Saison durchaus gerechnet haben. Seitdem ist viel passiert: Trainerwechsel und Spieler sind getauscht worden, um einen Neuanfang zu starten. Buffalo ist ein Beweis dafür, dass eine gute Mannschaft auf dem Papier, nicht immer Erfolg haben muss.
ran.de: Ist er neben Dennis Seidenberg das Aushängeschild des deutschen Eishockeys?
Stefan Ustorf: Dazu zähle ich noch weitere Spieler. Ich glaube Dennis, Christian, Marcel und auch Jochen Hecht und Marco Sturm sind mit ihren langen NHL-Karrieren die Aushängeschilder des Deutschen Eishockeys der letzten zehn bis 15 Jahre.
ran.de: Dennis Seidenberg ist einer der wenigen Deutschen, die den Stanley-Cup gewinnen konnten. Trotzdem ist er in Deutschland relativ unbekannt. Woran liegt das?
Stefan Ustorf: Ich weiß nicht, warum Dennis in Deutschland relativ unbekannt ist. Er ist, wie ich vorher schon gesagt habe, einer der besten Defensiv-Verteidiger in der ganzen NHL und hätte mehr Aufmerksamkeit verdient.
ran.de: Mit Torhüter Thomas Greiss kam in dieser Saison ein weiterer Deutscher zu Einsatzzeiten in der NHL. Hat er das Zeug, sich auf Dauer in Phoenix durchzusetzen?
Stefan Ustorf: Thomas hat meiner Meinung nach auf jeden Fall das Zeug, eine Nummer eins in der NHL zu sein. Zurzeit hat er bei den Coyotes mit Mike Smith aber einen der Top-Torhüter der Liga vor sich. Ich glaube aber, dass sich seine Qualität auf Dauer durchsetzten wird.
ran.de: Welchen Stellenwert genießen Europäer, speziell die deutschen Spieler, in der NHL?
Stefan Ustorf: Der Stellenwert der Europäer und auch der Deutschen innerhalb ihrer Mannschaften ist sehr hoch. Wenn du gut genug bist um in der NHL zu spielen und deinem Team zu Siegen verhilfst, interessiert es nicht wirklich niemanden mehr woher du kommst. Dafür ist die Liga zu professionell und die Gehälter viel zu hoch.
ran.de: Und wie ist das anders herum: Durch den Lockout in der letzten Saison kamen Superstars wie Claude Giroux (Philadelphia Flyers) nach Deutschland. Welchen Stellenwert genießt die DEL bei den Amerikanern?
Stefan Ustorf: Die DEL hat einen guten Ruf bei den Spielern, weil die Athleten bei uns sehr gut behandelt werden und wir in sehr schönen Orten und Hallen spielen. Sportlich sind wir mit Sicherheit hinter der KHL (Liga in Russland, Anm. d. Red.), Schweden und Finnischen Liga einzustufen.
ran.de: Mit Tomas Hertl in San Jose überrascht in diesem Jahr ein Rookie aus Tschechien alle. Wie erklären Sie seine überragenden Leistungen?
Stefan Ustorf: Er hat das Glück mit sehr guten Spielern zusammen zu spielen und hat das Beste aus seiner Situation gemacht. Ich gehe davon aus, dass er sich sehr gut vorbereitet hat. Man wird sehen, ob er das Niveau halten kann.
ran.de: Welchen Rookie sollte man noch auf dem Zettel haben?
Stefan Ustorf: Sean Monahan in Calagary, Seth Jones in Nashville und Nathan MacKinnon in Colorado haben alle sehr gut angefangen und man muss sehen, wie sie die 82 Spiele überstehen werden.
ran.de: Auf der anderen Seite jagt der 41-jährige Jaromir Jagr noch einen NHL-Rekord in der "Game-Winning-Goal"-Wertung. Wie ist das in diesem Alter zu schaffen?
Stefan Ustorf: Jaromir Jagr war schon immer ein Spieler der im Sommer und während der Saison sehr hart an seiner Fitness gearbeitet hat. Deshalb ist er auch im Alter von 41 noch immer in der Lage Top-Leistungen abzurufen. Außerdem ist er einer der talentiertesten Spieler aller Zeiten und dieses Talent geht nicht verloren.
ran.de: Wer ist ihrer Meinung nach der Top-Favorit auf den Titel?
Stefan Ustorf: Ich glaube Chicago wird wieder ganz vorne mit dabei sein. St. Louis hat eine sehr gute Mannschaft und auch Pittsburgh mit Sidney Crosby und Jewgeni Malkin kann man nie abschreiben. Im Allgemeinen gibt es aber bestimmt zehn bis zwölf Mannschaften, die den Titel gewinnen können. Ich jedenfalls freue mich auf eine sehr spannende Saison.