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Weltmeister außer Rand und Band

Skandalboxer Tyson Fury: Das steckt wirklich hinter der Farce

  • Aktualisiert: 03.10.2016
  • 20:09 Uhr
  • ran.de / Carolin Blüchel
Article Image Media
© 2014 Getty Images
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Vor knapp einem Jahr war er der gefeierte Weltmeister. Heute steht Tyson Fury vor den Scherben seiner Karriere. Schuld daran ist er selbst, er allein ist für die katastrophale Außendarstellung der vergangenen Monate verantwortlich. Doch das ist nur die halbe Wahrheit.

München - Dopingvorwürfe, Kokainkonsum, Kampfabsagen, verstörende Kommentare über Homosexualität, ein veraltetes Frauenbild. Tyson Fury hat sich den Shitstorm, der nun über ihn eingebrochen ist, hart erarbeitet. Klitschko-Manager Bernd Bönte nannte Fury einen der unwürdigsten Weltmeister aller Zeiten.

Wenn es doch so einfach wäre.

Vielleicht ist es gerade jetzt der Moment, in dem er mal wieder seinen Rücktritt bekannt gibt, nur um ihn wenige Stunden später wieder zurückzunehmen, eine gute Gelegenheit, ein anderes Bild des gefallenen Weltmeisters zu zeichnen: ein menschliches, ein bis dato weniger bekanntes, vielleicht sogar ein überraschendes.

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Fury, der "Gypsy-King"

Fury stammt aus einer Traveller-Familie. Irische Sinti und Roma mit schwerem Stand in der britischen Gesellschaft. Seine Mutter war 14 Mal schwanger, nur vier Kinder überlebten. Ein Schicksal, das die Familie besonders zusammenhält.

Für seine Herkunft wurde Fury seit seiner Kindheit diskriminiert. "Ich werde in diesem Land (Großbritannien) nicht akzeptiert", sagte der selbsternannte "Gypsy-King" im Interview mit ran.de. Da hatte er gerade Wladimir Klitschko entthront.

Tatsächlich hatte kaum einer dem immer ein wenig unaustrainiert wirkenden 2,06-Meter-Koloss diesen Erfolg zugetraut. Für sportlichen Ruhm waren andere vorgesehen: etwa Ex-Weltmeister David Haye, Mr. Nice Guy Anthony Joshua oder David Price.

Jetzt war es Spaßvogel Fury, den keiner wirklich Ernst nahm, und keiner in Großbritannien wirklich wollte. "Ich bin ein Champion, aber alle denken, wie kann so einer nur Weltmeister werden. Und sie denken das nur, weil ich ein Gypsy bin."

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Provokante Interviews nach WM-Titel

Fury ist stolz auf seine Herkunft, doch die Feindseligkeiten der britischen Gesellschaft - ob es sie nun wirklich gegeben oder er sie nur so wahrgenommen hatte - hat er nicht vergessen. Deshalb wollte er auch nach dem Triumph über Klitschko nicht als Vorzeige-Weltmeister herhalten und mit einstudierten Phrasen sein Land bestmöglich repräsentieren. "Ich lasse mich nicht verbiegen. Und ich lasse mir den Mund nicht verbieten", sagte er trotzig. 

Also genoss er den Medienrummel, gab stundenlange Interviews und provozierte mit Aussagen, die ihm später teilweise zu recht um die Ohren flogen. Warum er das tat, bleibt wohl sein Geheimnis. Plötzlich war Fury wieder die persona non grata. Wie früher. Doch diesmal war es hausgemacht.

Sensibelchen hinter der Batman-Maske

Furys Frau Paris, seine Jugendliebe, mit der er drei gemeinsame Kinder hat, betrieb in einem TV-Interview Schadensbegrenzung. "Glaubt Ihr, ich wäre noch mit ihm zusammen, wenn er all das denken würde, was er sagt? Ganz sicher nicht. Der öffentliche und der private Tyson sind zwei ganz unterschiedliche Menschen. Ich weiß auch nicht, was ihn manchmal reitet."

Ähnlich äußerte sich einer seiner besten Freunde, der homosexuell ist.

Und ähnlich erlebt man ihn, wenn das Mikrofon aus ist. Wenn er stolz ein Bild seines neugeborenen Kindes in die Runde zeigt und seine Augen leuchten.

Oder wenn er ein Telefoninterview kurz unterbricht, weil sein großer Sohn, der bei ihm auf der Wohnzimmer-Couch sitzt, nicht alleine zur Toilette will. Diesen Fury bekommt die Öffentlichkeit aber nicht zu sehen. Ebenso wenig wie das Sensibelchen hinter der Batman-Maske, den psychisch angeknacksten jungen Mann hinter der Spaßvogel-Fassade.

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Fury kämpft gegen Depressionen

Seit Jahren kämpft Fury mit psychischen Problemen. Während seine Frau noch nie ein Geheimnis daraus machte, redete Fury selbst das Problem immer klein. Bei ran.de sagte er einmal: "Es gibt Tage, da würde ich am liebsten mit dem Auto mit voller Wucht gegen eine Wand fahren. Und dann gibt es Tage, da wache ich auf, und es geht mir ganz gut. Aber das ist doch ganz normal, oder?"

Er brauche keine Behandlung, solange ihm Familie und der Boxsport Halt geben. "Das ist das einzige, was ich kann. Ich liebe meinen Beruf nicht, aber ich bin gut darin. Und deshalb mache ich es. Ich will, dass meine Familie ein sorgenfreies Leben führen kann." 

Dopinganschuldigungen werfen Fury aus der Bahn

Sorgenfrei erlebt er die letzten Jahre, insbesondere Monate, aber kaum. Dopinganschuldigungen machten die Runde. Über einen positiven Befund auf ein anaboles Steroid aus dem Frühjahr 2015.

Entspricht das der Wahrheit, hätte er niemals gegen Klitschko kämpfen dürfen. Der britische Verband suspendierte Fury anderthalb Jahre nach dem Dopingtest, um die Sperre wenige Tage später wieder aufzuheben. Eine Anhörung steht noch aus. Der ganze Vorfall gibt ein diffuses Licht ab.

Sein Trainer, Onkel Peter Fury, sprach gar von einer öffentlichen Hexenjagd. "Sie versuchen ihn fertig zu machen. Aber wir werden das überstehen." Derzeit sieht es allerdings nicht so aus.

Fury begibt sich in Behandlung

Denn im Moment erscheint nur eines klar: Der Weltmeister hat längst die Kontrolle über sein Leben verloren.

Für die erneute Kampfabsage gegen Wladimir Klitschko war keine Verletzung verantwortlich, sondern schwere psychische Probleme und offenbar auch ein positiver Kokainbefund.

Onkel Peter Fury sagte exklusiv zu ran.de: "Tyson geht es nicht gut. Er ist in Behandlung. Es ist traurig. Aber die Wahrheit ist, dass er wieder gesund werden muss. Geld und sportlicher Erfolg bedeuten rein gar nichts, wenn die Gesundheit auf dem Spiel steht." Und: "Wir sind froh, dass Tyson jetzt endlich die Hilfe erhält, die er wirklich benötigt."

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Fragwürdige Außendarstellung

Welch langen Genesungsweg Fury noch vor sich hat, wurde am Wochenende erst wieder deutlich. Auf Twitter postete er eine Fotomontage von sich vor einem Berg Kokain. Am Montag verkündete er erst zum x-ten mal seinen Rücktritt, um ihn wenig später wieder zu dementieren und die Öffentlichkeit zu beschimpfen.

Box-Fans können über Furys Verhalten entweder den Kopf schütteln, ihn einen "unwürdigen Weltmeister" nennen und einen Shitstorm lostreten. Oder sie können einem talentierten Boxer und liebevollen Familienvater trotz aller Eskapaden wünschen, dass er sein junges Leben wieder in den Griff bekommt.

Carolin Blüchel

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