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Bundesliga-Relegation live in SAT.1 und auf ran.de

1. FC Heidenheim: Frank Schmidt exklusiv - Aufstieg in die Bundesliga nicht das Endziel

  • Aktualisiert: 06.07.2023
  • 05:45 Uhr
  • ran.de
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Der 1. FC Heidenheim steigt erstmals in seiner Vereinsgeschichte in die Bundesliga auf. Erfolgscoach Frank Schmidt spricht im ran-Interview über das epische Aufstiegs-Fernduell gegen den Hamburger SV, einen Tribünen-Kiosk, und einen aktuellen FCH-Stürmer, der "einer der besten Neuner Deutschlands" sei.

Von Marie Schulte-Bockum

ran: Herr Schmidt, Glückwunsch zum Aufstieg! Wie blicken Sie auf den letzten Spieltag zurück?

Frank Schmidt: "Im Nachhinein hätte der Aufstieg nicht dramatischer und schöner sein können. Es gibt in so einem Spiel auch immer 20 bis 25 Prozent Unwägbarkeiten. Man darf nicht vergessen: Es war an dem Tag mega heiß. Florian Pick musste schon in der ersten Halbzeit mit Kreislaufproblemen raus. Dann kommt der Rückstand, und dann kriegen die Spieler doch über irgendeinen Kanal das HSV-Ergebnis mit. Die mentale Belastung war schon enorm. Unser Job von außen war daher die mentale Arbeit, das Aufmuntern. In solchen Momenten, wo dein Körper leer ist, muss der Kopf wissen: Es geht immer noch etwas."

ran: Ausgerechnet am Pfingstwochenende feierte Heidenheim seinen ersten Bundesliga-Aufstieg der Geschichte. Wie lief die Party?

Schmidt: "Die ersten 24 Stunden konnte ich gar nicht so richtig genießen, weil ich sehr viele Nachrichten beantwortet habe. Bei der Ankunft im Stadion war ich ziemlich leer, bin dann relativ schnell nach Hause gegangen. Am Pfingstmontag gab es dann die Aufstiegsfeier in unserer Voith-Arena mit den Fans und der Übergabe der Meisterschale. Das ging dann natürlich bis Mitternacht mit einer großen Party. Und dann bin ich für zwei Tage mit meinem Trainerteam nach Mallorca geflogen. Ich habe tolle Menschen, tolle Trainerkollegen und ein tolles Funktionsteam um mich, das war mir wichtig. Da haben wir es uns gut gehen lassen."

ran: War die Mallorca-Reise spontan oder geplant?

Schmidt: "Wir haben immer schon gesagt, wir gehen nur zusammen dahin, wenn wir aufsteigen. Auch nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga sind wir als Trainerteam komplett gegangen. Neun Jahre hat es seitdem gedauert - jetzt also wieder."

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Heidenheim-Trainer Schmidt übt Kritik an Bundesliga-Relegation

ran: Haben Sie Mitgefühl für den HSV, wo der Sandhausener Stadionsprecher schon zum Aufstieg gratulierte und die Fans auf dem Feld feierten?

Schmidt: "So etwas braucht keiner, das wünsche ich auch niemandem. Der HSV hat eine richtig gute Saison gespielt mit 66 Punkten, das hätte in den letzten Jahren oft zum Aufstieg gereicht. Bobby Glatzel hat mir nachher zum Aufstieg gratuliert (HSV-Stürmer spielte von 2017 bis 2019 für Heidenheim, d. Red.). Das hat mich gefreut, dass er an uns gedacht hat. Aber jetzt vor der Relegation habe ich ihn natürlich in Ruhe gelassen."

ran: Stichwort Relegation: Der Drittletzte der Bundesliga spielt gegen den Drittbesten der 2. Liga. Ist das fair?

Schmidt: "Vor drei Jahren haben wir zweimal unentschieden gespielt und waren letztendlich doch der Verlierer. Zweimal unentschieden spielen und nicht aufsteigen - das fand ich unfair. In der Regionalliga ist es ja noch schlimmer: Da wirst du Meister und musst trotzdem teilweise in ein Aufstiegsspiel rein. Grundsätzlich wäre es mir selbst lieber, wenn es klare Platzierungen für Auf- und Abstieg gibt. Trotzdem wissen alle vor der Saison: Es gibt eine Relegation. Dann ist es halt so!"

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"Tim Kleindienst gehört zu den besten Stürmern Deutschlands"

ran: Heidenheims Tim Kleindienst ist Torschützenkönig der 2. Bundesliga geworden. Was können die Bundesliga-Fans von ihm erwarten?

Schmidt: "Er hat ein herausragendes Kopfballspiel. Vielleicht mit Niclas Füllkrug gemeinsam das beste Timing, die beste Quote in der Luft. Er arbeitet wie kein zweiter Stürmer für seine Mannschaft mit, ist ein kompletter Teamplayer. Im Übrigen geht er jedes Training an wie ein Punktspiel. Er hat eine herausragende Einstellung. Mit seiner Präsenz, seinem Anlaufen und seinem Strafraum-Spiel gehört er mit Sicherheit zu den besten Stürmern, die es in Deutschland auf der Neuner-Position gibt. Man muss sich bloß mal seine Statistiken anschauen, er hat bei uns immer funktioniert. Diese Saison waren es 25 Tore und sieben Vorlagen. Das ist der absolute Wahnsinn. Er hat in der 2. Bundesliga fast jedes zweite Spiel getroffen: 67 Tore in 140 Zweitligaspielen sprechen für sich."

ran: Einer ihrer Ex-Spieler blüht diese Saison in der Bundesliga auf: Ist Robert Andrich einer für die deutsche Nationalmannschaft?

Schmidt: "Wir haben immer mal wieder Kontakt, auch zuletzt, wo er operiert wurde. Er ist ein absoluter Leistungsträger bei Bayer Leverkusen. Ich finde, auf dieser Position ist er einer der besten, die wir in Deutschland haben. Mit seiner Aggressivität, seinen fußballerischen Fähigkeiten und mit seiner Körpersprache erfüllt er das volle Anforderungsprofil der Position. Ob es für die Nationalmannschaft reicht, muss der Bundestrainer entscheiden, nicht ich."

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Frank Schmidt gegen Christian Streich: "Werden uns zweimal brutal fetzen"

ran: Sie werden oft mit Christian Streich verglichen. Zu Recht?

Schmidt: "Die lange Amtszeit bei einem Verein haben wir gemeinsam. Unsere Charaktereigenschaften sind aber doch sehr unterschiedlich. Ich freue mich auf ihn, weil wir uns mögen, weil wir uns gut verstehen. Wir werden uns sicherlich zweimal über 90 Minuten brutal fetzen. Da sind wir uns wieder sehr ähnlich - jeder wird für sein Team kämpfen."

ran: Vielen Fußball-Fans ist Ihre Mannschaft neu. Wie würden Sie Heidenheim beschreiben?

Schmidt: "Es ist sehr ländlich, viel Natur, wenig Schnickschnack. Menschen, die sehr bodenständig sind. Es gibt hier eine schwäbische Zurückhaltung, die aber dann, wenn etwas richtig Gutes gelingt, auch abgelegt wird. Das hat man beim Aufstieg gesehen. Was das Thema Emotionalität betrifft, ist der FCH Heidenheims Flaggschiff schlechthin. Die Menschen identifizieren sich zu 100 Prozent mit dem 1. FC Heidenheim, weil sie gesehen haben, was alles möglich ist."

Heidenheims Stadion wurde um einen Kiosk gebaut

ran: Mitten in Heidenheims Stadion steht ein alter Kiosk, um den die Tribüne herum gebaut wurde. Wie kam es dazu?

Schmidt: "Als wir in die 2. Liga aufgestiegen sind, musste der Verein die Voraussetzungen für die 2. Liga erfüllen. Wir konnten unsere Voith-Arena nicht irgendwo neu aufbauen, sondern mussten sie zweitligatauglich machen, während wir spielen. Diesen legendären Kiosk, Liko's Kiosk, gab es aber schon immer – schon seit Landesligazeiten als ich noch nicht hier war. Wenn man vor ihm steht, hat man einen direkten Blick aufs Spielfeld. Da wäre es einfach gewesen, den für 500 neue Plätze platt zu machen. Doch der Verein hat sich dagegen entschieden, weil wir nie vergessen wollen, wo wir herkommen. Und weil dieser Kiosk auch ein Alleinstellungsmerkmal ist. Somit hat sich der Verein dazu entschieden, die Stehplätze einfach um Liko's Kiosk herum zu bauen. Diese Stehplätze sind jetzt Kult - die sind immer als erstes ausverkauft. Und wenn beim Kiosk Würstchen gegrillt werden, dann kommt der Geruch bei der Trainerbank an."

ran: Der Sprung aus der 2. Liga in die Bundesliga ist groß. Stehen da schwierige Entscheidungen und Spieler-Abgänge bevor?

Schmidt: "Solche Gespräche sind immer schwierig, keine Frage. Aber bei uns gilt das Leistungsprinzip. Auch ohne Aufstieg würden uns Spieler verlassen. Frisches Blut ist immer wichtig. Jedoch werden wir die Mannschaft jetzt nicht auf 180 Grad drehen. Den Spielern, die den Karren gezogen haben, werden wir nicht sagen: 'Übrigens, tolle Leistung, aber du bist nicht dabei.' Die Spieler, die den Aufstieg erreicht haben, werden im Großteil die Chance bekommen, sich in der Bundesliga zu beweisen. Das ist unsere DNA in Heidenheim."

Heidenheim-Trainer: "Im Mental-Bereich ist so viel möglich"

ran: Auf welchen Kader-Planstellen wird sich der FCH im Sommer verstärken?

Schmidt: "Wir werden die Mannschaft mit vier bis fünf neuen Spielern verstärken. Da werden wir mit Ausnahme des Torwarts in jedem Mannschaftsteil etwas tun. Dafür gebe ich dem Verein ein Positionsprofil vor. Das wird mit unserem Vorstandsvorsitzenden Holger Sanwald besprochen, da sind wir sowieso auf einer Linie. Das zweite sind die Charaktereigenschaften. Ich möchte Typen haben, die bereit sind, ihr Herz auf dem Platz zu lassen. Für Egoisten ist hier kein Platz."

ran: Einer ihrer Grundsätze ist dieser: "Manchmal ist es schon so, dass man das Unmögliche probieren muss, um das Mögliche zu erreichen."

Schmidt: "Solche Leitlinien hören sich immer schön an. Aber da gehört viel dazu, dass sich das auch manifestiert. Wenn ich so etwas sage, dann ist es nicht automatisch so, dass es funktioniert. Das leben wir jeden Tag. Ich habe nie Psychologie oder Pädagogik studiert. Aber das ist mein Steckenpferd. Im Mental-Bereich ist so viel möglich. Denn fit sind alle, alle können alle Systeme spielen."

ran: Wird das auch das Rezept für die Bundesliga sein?

Schmidt: "Wir haben das Höchste erreicht, was man erreichen kann, wir sind in der höchsten deutschen Fußball-Liga. Aber das kann ja nicht das Endziel sein! Der Aufstieg ist kein Selbstzweck: Ich wache diese Woche jeden Tag auf und überlege, was wir tun können, um drei Vereine hinter uns zu lassen. Wir waren es die letzten Jahre gewohnt, mehr zu gewinnen als zu verlieren. Das wird jetzt anders. Wir müssen dafür sorgen, dass wir ein Stück weit wieder leidensfähiger sind. Wir werden Abstiegskandidat Nummer eins sein, da müssen wir lernen, mit Enttäuschungen umzugehen. Es ist mein Ziel, mit dem Verein und der Mannschaft den Klassenerhalt zu schaffen. Das wäre noch viel höher zu bewerten als der Aufstieg."


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