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ran.de Exklusiv-Interview

Fan-Experte: Pyro-Verbote helfen nicht weiter

  • Aktualisiert: 30.05.2018
  • 10:31 Uhr
  • ran.de
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© Imago / Privat
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Ein Fan-Experte erklärt im ran.de Interview, warum die Pyro-Vorfälle in den Stadien scheinbar zunehmen, welchen Fehler die Verbände gemacht haben und wie mögliche Lösungen aussehen könnten.

Hamburg - Pyro und Spielabbruch beim Aufstiegsspiel in Mannheim, Pyro und Spielunterbrechung am letzten Bundesligaspieltag in Hamburg, weitere Pyro-Attacken am Finaltag der Amateure. Die Pyro-Vorfälle scheinen zuzunehmen. Martin Endemann von der Organisation Football Supportes Europe, die zwischen Fans, Vereinen und Verbänden vermittelt, erklärt im ran.de Interview die Problematik.

ran.de: Herr Endemann, warum gab es zuletzt immer mehr Pyro-Vorfälle?

Endemann: Es gibt zwar keine Zahlen, die wirklich bestätigen, dass die Vorfälle zugenommen haben – aber abgenommen haben sie sicherlich auch nicht. Das Problem ist, dass der DFB im Jahre 2011 beschlossen hat, dass es keine Gespräche über eine Legalisierung oder Alternativen zu Pyro geben wird. Hier hat der DFB einen Fehler gemacht. Die vielen Vorfälle beweisen, dass die Null-Toleranz-Politik vom DFB und der UEFA nicht funktioniert. Im Gegenteil: Aus Protest haben die Pyro-Vorfälle zugenommen.

ran.de: Hat der damalige Gesprächsabbruch die Situation also verschärft?

Endemann: Absolut. Der komplette Fandialog war für viele Jahre gescheitert. Die Fans haben sich gesagt: Das Thema Pyro ist uns sehr wichtig. Wenn ihr da nicht auf uns zugehen wollt, brauchen wir auch nicht über andere Themen zu sprechen.

ran.de: Warum ist einigen Fans das Thema Pyro-Technik überhaupt so wichtig?

Endemann: Fans wollen ihren Verein feiern und für eine spektakuläre Atmosphäre sorgen. Gerade bei Abendspielen sieht Pyro-Technik natürlich auch gut aus. Daher gab es früher auch Zeiten, in denen Pyro von den Medien, den Spielern und teilweise sogar den Vereinen akzeptiert wurde.  

ran.de: Pyro-Technik gilt allerdings als sehr gefährlich. Wird diese Gefahr in der Fan-Szene unterschätzt?

Endemann: Jedem ist bewusst, dass Pyro gefährlich ist. Trotzdem sollte man anerkennen, dass Pyro für viele Fans zum Fußball gehört. Und es wird immer Wege geben, so etwas ins Stadion zu schmuggeln. Die Frage muss also lauten: Wie lässt sich der Umgang mit Pyro-Technik so ungefährlich wie möglich gestalten? Geschieht das nämlich im Verborgenen, also zum Beispiel unter Bannern und mitten in der Fankurve, ist die Gefahr am allergrößten.

ran.de: Was schlagen Sie vor?

Endemann: Man muss nur ins Ausland schauen. In Österreich gibt es zum Beispiel Ausnahmen vom Pyro-Verbot. Dort wurden dann spezielle Zonen freigehalten, wo Pyro-Technik gezündet werden darf. Das hat dazu geführt, dass die Fans mit diesem Thema verantwortungsbewusst umgegangen sind. In Dänemark wiederum entwickeln Pyro-Techniker gemeinsam mit Fans Feuerwerkskörper, die nicht 800 Grad heiß werden, sondern eher 80 Grad. Die sind also deutlich ungefährlicher. Das zeigt, dass es durchaus Lösungen gäbe, wenn die Verbände gesprächsbereit wären.

ran.de: Nun wurden die Pyro-Chaoten in Hamburg und Mannheim von den anderen Fans ausgepfiffen. Spaltet dieses Thema die Fan-Szene?

Endemann: Da muss man unterscheiden. Die Auswärtsfahrer und Ultras sind nahezu alle der Meinung, dass Pyro zum Fußball gehört. In Hamburg und in Mannheim war es allerdings so, dass Pyro verantwortungslos eingesetzt wurde. Das waren ja praktisch Protesthandlungen – in Hamburg gegen die Misswirtschaft des Vereins, in Mannheim gegen die Regelung mit den Aufstiegsspielen. Dort wurden Verletzte in Kauf genommen, indem Böller oder Raketen auf den Rasen geworfen wurden. Das verurteilen natürlich auch die meisten Fußball-Fans.

ran.de: Was müsste getan werden, wenn die Verbände und Vereine Pyro-Technik ohne Ausnahme aus dem Stadion verbannen möchten?

Endemann: Dann müsste man das Stadion zur Hochsicherheitszone erklären und Kontrollen wie am Flughafen machen. Dann müssten allerdings alle Zuschauer mindestens drei Stunden vor Spielbeginn da sein. Das dürfte niemand wollen. Viele Zuschauer würden dann wohl auch die Lust verlieren, überhaupt noch ins Stadion zu gehen.

ran.de: Der Bayrische Fußballverband hat entschieden, dass in allen Ligen bis hin zur Regionalliga der Verein mit einem Punktabzug bestraft wird, wenn die eigenen Fans mit Pyrotechnik einen Spielabbruch von mindestens fünf Minuten bewirken und die Täter nicht ermittelt werden. Was halten Sie von dieser Maßnahme?

Endemann: Überhaupt nichts. Nicht alle Fans sind auf einer Wellenlänge mit ihrem Verein. Manchen Leuten wäre es also völlig egal, wenn dem Verein ein Punkt abgezogen wird. Und überhaupt: Was nützen diese Maßnahmen, wenn mein Verein bereits abgestiegen ist oder im gesicherten Mittelfeld steht? Dann wäre den Fans ein Punkt weniger erst recht egal. Das einzige, was wirklich hilft, wäre eine gemeinsame Lösung im Umgang mit Pyro. Verbote haben uns nicht weitergebracht und werden uns auch zukünftig nicht weiterhelfen.   

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