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Uli Hoeneß: Ein Interview wie die Vereinssatzung des FC Bayern München

  • Aktualisiert: 03.06.2023
  • 22:29 Uhr
  • ran.de/Justin Kraft
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© Imago
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Uli Hoeneß hat sich zu den Ereignissen beim FC Bayern München geäußert und dabei vor allem eines gezeigt: Der Rekordmeister dreht sich weiterhin um seinen Patriarchen. In einem Interview unterstreicht Hoeneß clever seine eigene Bedeutung für den FCB. Doch was bedeutet das für die Zukunft?

Von Justin Kraft

"Weil es nicht um mich geht", antwortete Uli Hoeneß im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung", als er gefragt wurde, warum er nicht beim entscheidenden Spiel gegen Köln in der Bundesliga und auch nicht auf dem Rathausbalkon am Marienplatz war. Es sind sechs Worte, die angesichts der Länge und der inhaltlichen Fülle des Gesprächs nahezu beiläufig daherkommen.

Sechs Worte, die allerdings viel über die Intention des Patriarchen vom FC Bayern erzählen. Bescheiden, zurückhaltend und immer nur das Wohl des Klubs im Sinn – so inszeniert sich der 71-Jährige medienwirksam. Und tatsächlich ist es zumindest zu Teilen eine Inszenierung, wie an vielen Stellen deutlich wird.

"Ich habe gehört, dass 85 Prozent der Leute finden, dass wir alles richtig gemacht haben", erklärte er zum Beispiel hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn abberufen wurden: "Uns erreichen viele Nachrichten von Mitgliedern und Fans, die das Vorgehen auch so in Ordnung finden."

Eine Zahl, die sich nicht recherchieren oder gar verifizieren lässt, garniert mit einer persönlichen Geschichte aus dem Büro. Doch woher nimmt er diese Zahl? Aus der Schublade, in der die Briefe liegen, die ihn erreichen? Wahrscheinlich bezieht sich Hoeneß hier auf eine Umfrage des "kicker", die allerdings nur fragte, ob die Abberufung richtig sei, den Zeitpunkt und den Umgang jedoch ignorierte. 83 Prozent befanden: Ja, die Abberufung war richtig. Für Hoeneß offenbar Anlass genug, das als Bestätigung für den kompletten Prozess zu sehen. Was sich nicht direkt nachprüfen lässt, lässt sich zumindest auch schwer widerlegen.

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Uli Hoeneß und die Übernahme der Deutungshoheit des FC Bayern

Hoeneß will mit diesem Interview das Thema ein für alle Mal beenden – mit seiner Version der Geschichte. Eine Version, die alle Entscheidungen des FC Bayern und somit faktisch auch seine Entscheidungen in das aus seiner Sicht richtige Licht rückt. Es ist die Übernahme der Deutungshoheit.

Es gibt keinen Menschen im Kosmos des Rekordmeisters, der derart polarisiert wie Hoeneß. Es gibt allerdings auch keinen, der auf einen Großteil der Fans und Mitglieder eine derart starke Wirkung hat.

Hoeneß versteht es gut, inhaltliche Kritik mit persönlichen Befindlichkeiten so zu kombinieren, dass ein Gefühl der Nahbarkeit entsteht. Oliver Kahn habe ihn "in der ganzen Zeit vielleicht fünf Mal angerufen", stellte er auf der einen Seite fest, um dann das Vorgehen bei der Entlassung von Julian Nagelsmann zu kritisieren. Eine Entscheidung, von der der Aufsichtsrat erst spät in Kenntnis gesetzt worden sei und die ihn dementsprechend etwas überrumpelt habe.

Uli Hoeneß und Julian Nagelsmann
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Hoeneß tritt gegen Nagelsmann nach: "Wie soll man da fit sein?"

Für Uli Hoeneß war die Entlassung von Vorstandschef Oliver Kahn und Sportvorstand Hasan Salihamidzic bei Fußball-Meister Bayern München alternativlos.

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Unabhängig davon, ob dieser Teil der Geschichte die ganze Wahrheit ist: Der Aufsichtsrat hätte vermutlich durchaus noch eingreifen können, hätte er das Gefühl gehabt, dass der Klub sich in eine falsche Richtung entwickelt. Doch diese Passage ist auch aus anderen Gründen bemerkenswert. Denn sie zeigt, wie wichtig es beim FC Bayern nach wie vor ist, einen guten Draht zu Hoeneß zu haben.

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FC Bayern München: Uli Hoeneß entzieht sich der Verantwortung

Ihn nicht auf dem Laufenden halten? Das könne man machen, wenn der Erfolg da ist.

Sobald dieser aber auch nur für kurze Zeit ausbleibt, ist es ein Kritikpunkt, der fast genauso viel Gewicht hat wie inhaltliche Fehler. Auch bei Nagelsmann rollt Hoeneß altbekannte Themen wieder auf: Zu viel Urlaub für die Spieler und nicht zuletzt der eigene Skiurlaub nach der Leverkusen-Niederlage. Ein Ausflug, der laut Beraterseite vom Klub genehmigt, anschließend aber als Problem dargestellt wurde.

Zumindest bezüglich Nagelsmanns Beziehung zu einer "Bild"-Reporterin hielt sich Hoeneß vornehm zurück. ran-Informationen zufolge ist es aber durchaus so gewesen, dass dem Patron diese Verbindung zwischen Trainer und Boulevard so gar nicht in den Kragen passte.

Interessant ist der vermeintliche Kontrollverlust, den Hoeneß fast auf allen Ebenen beschreibt. Eine Trainerentlassung, in die er nicht involviert war, ein Trainer, der auf seinen Rat, den Winterurlaub zu kürzen, nicht zu reagieren schien und ein Vorstandsvorsitzender, der den Kontakt zu ihm eher meidet.

Hoeneß bezweckt damit einerseits, dass das Gefühl entsteht: Ohne ihn geht es nicht. Andererseits entzieht er sich und den Aufsichtsrat der Verantwortung für das, was in den letzten Jahren schiefgelaufen ist.

Kontakt zu Bayern? Eberl reagiert

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Uli Hoeneß erklärt, warum der FC Bayern ihn braucht

Damit legitimiert er die Notwendigkeit, jetzt auch wieder öffentlich stärker das Ruder zu übernehmen. "Ich bitte Sie, Herr Hoeneß, schreiten Sie ein und sorgen Sie mit ihren Kollegen vom Aufsichtsrat dafür, dass ein neuer CEO und Sportvorstand installiert wird", zitierte er einen knapp 90-jährigen Fan, der ihm einen Brief geschrieben hat.

"Sogar die Leute von der 'Schickeria' haben gesagt: Bitte sorgt dafür, dass unser FC Bayern wieder geradeaus läuft", erzählte Hoeneß. Was er dabei nicht erzählt, ist, dass sich die Kritik der aktiven Fanszene nicht nur gegen Kahn oder Salihamidzic richtet, sondern gegen den gesamten Klub und somit auch den Aufsichtsrat sowie Hoeneß selbst.

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass sich beim Serienmeister auch im Jahr 2023 noch alles um den Patriarchen dreht. Ein Interview wie die Vereinssatzung.

Im Aufsichtsrat sitzen überwiegend Leute, die kein großes Interesse daran haben, ihm zu widersprechen. Daran ändert auch die Rückkehr von Karl-Heinz Rummenigge wenig. Den Präsidenten hat er eigenhändig installiert und scheindemokratisch wählen lassen. Dass Hoeneß sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen habe, ist ohnehin ein Mythos, der spätestens durch die letzten Monate widerlegt wurde.

Uli Hoeneß schreibt die Geschichte des FC Bayern München

Spannend wird das vor dem Hintergrund der Neubesetzung. Auch in Zukunft werden Trainer, sportliche Leiter und Vorstandsmitglieder damit umgehen müssen, dass Hoeneß im Hintergrund die Fäden in der Hand hat. Jedes ausbleibende Telefonat kann überspitzt formuliert bei den ersten Anzeichen einer Krise gegen die handelnden Personen verwendet werden.

Das wissen auch jene, die jetzt als Kandidaten für die Nachfolge von Salihamidzic im Gespräch sind. Und das weiß zudem ein Thomas Tuchel, dem im kommenden Transferfenster viel Macht winkt. Macht, die er in Zukunft vielleicht wieder abgeben muss.

Hoeneß leitete das Interview damit ein, dass es nicht um ihn gehe. Einem Mann, der nachvollziehbarerweise so sehr an seinem Klub hängt, den er über Jahre derart geprägt hat, ist es durchaus zu glauben, dass er das tatsächlich denkt. Doch die Realität ist eine andere. Und das hat er mit seinen Ausführungen zum Geschehen der letzten Monate eindrucksvoll bewiesen.

Die Geschichte wird von Siegern geschrieben, heißt es in einem Sprichwort. Inwiefern Hoeneß nach der gescheiterten Übergabe als Sieger bezeichnet werden kann, ist diskutabel. Dass er aber die Geschichte des FC Bayern schreibt und bestimmt, lässt sich nicht zuletzt im Interview nachlesen.

Wie gut das für einen Klub ist, der sich einst emanzipieren wollte und sollte, wird die Zukunft zeigen.


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