FC Bayern München
FC Bayern München: Matchwinner wird in Schokolade aufgewogen
- Aktualisiert: 11.03.2023
- 12:51 Uhr
- ran / Martin Volkmar und Stefan Kumberger
Der FC Bayern zieht vor allem dank seiner herausragenden Defensive ins Champions-League-Viertelfinale ein. Exemplarisch für die Stärke steht die entscheidende Szene des Spiels.
Vom FC Bayern berichten Martin Volkmar und Stefan Kumberger
Im Rückblick teilt sich das Spiel gegen PSG in ein Vorher und ein Nachher. Nach dem 2:0-Erfolg könnte es aber sogar sein, dass sich die gesamte Saison des FC Bayern in ein Vorher und ein Nachher teilt: Vor der 38. Minute und danach.
Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Gäste die bessere Mannschaft und drängten vergeblich darauf, das 0:1 aus dem Hinspiel auszugleichen. Dann bekam Yann Sommer einen Rückpass und ging ins Dribbling gegen den Ex-Dortmunder Achraf Hakimi.
"Ich hatte erst meine Lösung, die echt gut war - aber dann plötzlich nicht mehr. Den hinter mir habe ich gar nicht gesehen", versuchte der Torhüter später zu erklären. Die Folge: Sommer verlor im Sechzehner den Ball, Vitinha musste nur noch ins leere Tor einschießen.
Salihamidzic: "Der Ballverlust war Herzinfarkt"
"Der Ballverlust war Herzinfarkt", gab Sportvorstand Hasan Salihamidzic den Schockmoment wieder. Und der "Blick" aus Sommers Schweizer Heimat schrieb: "Das hätte im Champions-League-Drama für den Nati-Goalie enden können! Der Mega-Bock von Yann Sommer hätte alles auf den Kopf stellen können."
Nämlich: Früher Rückstand, möglicherweise das Champions-League-Aus der Münchner schon im Achtelfinale mit folgender Qualitäts- und Mentalitätsdebatte sowie Diskussionen um Winter-Neuzugang Sommer und wohl auch Trainer Julian Nagelsmann.
Dass es nicht zum bayrischen Supergau kam, lag an einem anderen Neuzugang. Matthijs de Ligt hatte schon am Samstag beim 2:1 in Stuttgart kurz vor seinem Führungstor den Rückstand verhindert, als er einen Ball noch von der Linie kratzte.
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Nagelsmann: Neun von zehn Verteidigern bleiben stehen
Am Mittwochabend in der ausverkauften Allianz Arena war die Rettungsaktion des Niederländers noch spektakulärer, denn nicht nur nach Ansicht von Nagelmann hätten die meisten Spieler nach Sommers Ballverlust gar nicht mehr reagiert.
"Es gibt so viele Verteidiger, die da aufhören zu laufen, weil sie sagen: 'Ist schon vorbei.' Neun von zehn bleiben stehen", sagte der Coach. Für de Ligt keine Option: "Never give up, das ist mein Moto", erklärte er. "Für mich war das schöner als ein Tor. Denn wenn man dieses Tackling nicht macht, dann ist es das 1:0 für Paris - und das Spiel wird plötzlich ganz schwer."
Sommer: "Lastwagen voller Schweizer Schokolade" für de Ligt
Sommers anhaltender Dank war dem Abwehrchef danach gewiss. "Überragend, wie er mitdenkt und die Situation rettet", meinte der 34-Jährige und kündigte in sämtlichen Interviews an, dem Teamkollegen "einen Lastwagen voller Schweizer Schokolade" vor die Tür zu stellen. Woraufhin Thomas Müller sogar eine doppelte Wagenladung vom Keeper forderte.
Das würde man ja gerne sehen, wie ein solcher Truck Berge von bester Schoki vor der Nobelvilla des Niederländers vor den Toren Münchens ausschüttet. Eigentlich müssten sich die Bayern sogar daran beteiligen, denn de Ligts Rettungsaktion dürfte weit mehr wert gewesen sein als eine LKW-Ladung Schokolade. Rund 90 Millionen Euro an UEFA-Prämien hat der FCB durch die Qualifikation fürs Viertelfinale bereits sicher.
Millionen-Ausgaben für Defensive haben sich amortisiert
Damit haben sich die jüngsten Ausgaben für die beiden Defensivspieler de Ligt (ca. 70 Millionen Euro) und Sommer (ca. 8 Millionen) bereits amortisiert. Insgesamt haben die Bayern für die Dreierkette gegen PSG rund 120 Millionen Euro bezahlt, rechnet man die 42,5 Millionen Euro für Dayot Upamecano (2022 an RB Leipzig) hinzu.
Die Gesamtausgaben für die komplette Abwehr liegen aber deutlich höher, wenn man etwa die Rekordablöse von 80 Millionen für den verletzten Lucas Hernandez und den gegen Paris gesperrten Benjamin Pavard (35 Millonen) addiert. Und die ablösefreien, aber gut bezahlten Edelreservisten Joao Cancelo, Daley Blind und Noussair Mazraoui zeigen, über welche Qualität die Münchner Hintermannschaft verfügt.
Geringverdiener Stanisic überzeugt gegen PSG-Weltstars
Umso bemerkenswerter, dass in Eigengewächs Josip Stanisic einer der Geringverdiener im Kader gegen die Millionentruppe der Gäste erste Wahl war und dabei eine überzeugende Vorstellung lieferte. "Stani möchte ich hervorheben, er hat ein Weltklasse-Spiel gemacht", lobte Nagelsmann explizit den Deutsch-Kroaten.
Vor allem aber freute sich der Trainer über die Kollektivleistung: "Wir sind als Wir aufgetreten." Das galt ganz besonders für die Leistung der Hintermannschaft, in der die Gästeoffensive um die Weltstars Kylian Mbappe und Lionel Messi von den Bayern frei nach dem Motto der Musketiere "Alle für einen, einer für alle" abgemeldet wurde.
De Ligt wird zum eigentlichen Matchwinner
Exemplarisch dafür stand nicht nur die Rettungstat von de Ligt, sondern auch der gemeinsame Jubel des 23-Jährigen mit dem erleichterten Sommer – und dem ganzen Stadion. So wurde der frühere Profi von Ajax und Juve zum eigentlichen Matchwinner und könnte mit seiner Grätsche für einen ikonischen Moment in der Vereinsgeschichte gesorgt haben, der vielleicht im Saison-Rückblick den Unterschied zwischen Desaster und Triumph ausgemacht hat.
Präsident Herbert Hainer, der de Ligts Aktion mit einem Grinsen kommentierte ("Ich wusste gar nicht, dass er so schnell ist"), sieht den Rekordmeister jedenfalls auf einem guten Weg Richtung siebtem Champions-League-Titel: "Wir haben alle Chancen, ich sehe keinen, der stärker ist als wir."
Bayerns Bilanz: Acht Siege, sieben Mal ohne Gegentor
Sollte es beim Finale am 10. Juni im Istanbul tatsächlich so kommen, läge das wohl an der alten Weisheit "Offense wins Games, Defense wins Championships". Denn bei den acht bislang siegreichen Spielen in der Königsklasse blieben die Bayern sieben Mal ohne Gegentor.
Nicht nur gegen Mbappe, Messi und Neymar, sondern auch gegen den FC Barcelona mit Robert Lewandowski, Raphinha und Ousmane Dembele und Inter Mailand mit Weltmeister Lautaro Martinez, Romelu Lukaku und Edin Dzeko.
Die letzten beiden Champions-League-Treffer kassierten die Bayern vor fünf Monaten Mitte Oktober in der Vorrunde in Pilsen, als Adam Vlkanova und Jan Kliment nach 0:4-Rückstand noch auf den 2:4-Endstand verkürzten. Eigentlich kein Wunder: Matthijs de Ligt stand damals nicht im Kader.