Premier League
Mikel Arteta beim FC Arsenal: Wiedergeburt mit Komplikationen
- Aktualisiert: 24.08.2021
- 14:21 Uhr
Der FC Arsenal erlebt den schlechtesten Saisonstart in der 118-jähirgen Klubgeschichte. Trainer Mikel Arteta steht gewaltig unter Druck. Aber ist die Kritik gerechtfertigt - oder sind die Ambitionen zu hoch?
München/London – Die Rolle des Trainers in der Fußballwelt hat in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend an Bedeutung gewonnen. Früher nur Motivator, soll er Mannschaften und Klubs heute seine ganz spezielle Philosophie einhauchen. Am besten eine, die attraktiv, erfolgreich und sexy ist.
Wenn der Herrscher der Seitenlinie dann noch Pathos entfacht und obendrein vielleicht sogar die Klub-DNS in sich trägt, ist er der perfekte Kandidat. Der Arsenal Football Club hat also bei der Berufung von Mikel Arteta nicht so viel falsch gemacht – zumindest auf dem Papier.
Ein gefährliches Gemisch
Der Spanier kam unter den Lobpreisungen von Fußball-Papst Pep Guardiola zu den Gunners. Unter ihm arbeitete Arteta drei Jahre lang als Assistent bei Manchester City, dann übernahm er Ende Dezember 2019 Arsenal. Es war die Rückkehr zu seinem Ex-Klub, wo er als Spieler als Kapitän gewirkt hatte.
Einer, der unter Guardiola gelernt hat und den Verein kennt, muss doch zwangsläufig den Erfolg zurückbringen, dachten einige. Die Hoffnungen und Erwartungen an Arteta, 39, verbanden sich zu einem gefährlichen Gemisch. Überhöhung und Fallhöhe liegen nah beieinander. Nun brüllen nach dem 0:2 gegen Chelsea die ersten Fans nach dem Rauswurf des Spaniers.
Artetas Zahlen des Grauens
Die Niederlage besiegelte den schlechtesten Saisonstart in der 118-jährigen Klubgeschichte Arsenals, Artetas Name ist unumgänglich damit verwoben. Keine Punkte und auch kein Tor. Nie zuvor schossen die Gunners in den ersten beiden Partien nur Platzpatronen.
Es sind Zahlen des Grauens, die Arteta anhaften. 20 von 60 Premier-League-Spielen verlor er. Diese Menge an Niederlagen häufte Arsenals Trainerlegende Arsene Wenger erst nach 116 Spielen an. Artetas Siegquote liegt niedriger als die von Unai Emery, den er als Trainer beerbt hatte. Als nächstes geht es in der Liga zu Manchester City. Aussicht: düster.
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Diese Bilanzen wären schon erschreckend, stünden sie nicht einer hohen Erwartungshaltung gegenüber. "Wir müssen um die Top-Trophäen im Fußball spielen", hatte Arteta bei seinem Antritt gesagt - und lieferte in der ersten Saison den FA Cup. Aber ob das reicht?
"Ich bin realistisch genug, dass das nicht über Nacht passieren wird", hatte Arteta auch noch gesagt. "Aber der aktuelle Kader hat eine Menge Talent und es gibt einen Strom von jungen Spielern, die aus der Jugendakademie kommen."
Viele taktische Fehler beim FC Arsenal
Nun sind schon mehrere Nächte vergangen und die Verantwortlichen bei Arsenal müssen sich fragen: Hat Arteta genug bewegt, um weiteres Vertrauen zu verdienen? Nur das Chelsea-Spiel betrachtet, muss die Antwort 'Nein' lauten.
Sein 4-2-3-1-System bot den "Blues" eine Menge Angriffspunkte – vor allem auf den Flügeln, wo Torschütze Reece James auch einen Treffer vorbereitete. Doch die Formation ist nur ein Puzzleteil des großen Ganzen. Die Arsenal-Mannschaft wirkt nicht wie eine Einheit.
Beim Pressing preschten einzelne Spieler wie Nicolas Pepe vor – es folgte niemand. Bei Vorstößen von Linksverteidiger Kieran Tierney sicherte niemand ab und der englische Nationalspieler Bukayo Saka suchte vergeblich seine Position.
Fußballerische Standards blieben unerfüllt. Das ist Arteta anzulasten, der spät auf die Schwächen reagierte.
Arsenal investiert 150 Millionen Euro
Als mildernden Umstand dürfen diverse Verletzte angeführt werden, die in der Startelf fehlten. Doch wie schnell Arsenal in sich zusammenfallen kann, ist kein gutes Zeichen. Arteta sagte nach dem Spiel: "Es geht darum, was die Erwartung ist, und was das Potenzial ist. Wenn die beiden sich die Waage halten, dann bist du okay. Wenn sie nicht auf einem Niveau sind, wirst du nie jemanden zufriedenstellen können. So einfach ist das."
Ist die Rechnung wirklich so simpel? Sind die Erwartungen einfach zu hoch? Arsenal hat im Sommer rund 150 Millionen Euro für Zugänge ausgegeben, unter anderem für den 22-jährigen Martin Ödegaard 35 Millionen. Für Ben White überweist Arsenal 58,5 Millionen Euro nach Brighton. Im Schnitt sind die Zugänge 22,4 Jahre jung.
Wo ist der Plan?
Innenverteidiger White, 23, steht stellvertretend dafür, dass Arsenal wieder auf junge Talente setzen will, die der Klub zu erst Stars formt. Sportdirektor Edu hatten einen "beispiellosen" Sommer gesehen – weil keine Verträge mehr an um die 30-Jährige verteilt wurden. Bei der Auftaktniederlage gegen Aufsteiger Brentford zeigte sich, dass Talentförderung ein holpriger Weg sein kann. White spielte bei seinem Ex-Klub in Brighton in einer Dreierkette, nun muss er im Viererverbund ran – und kam eher schlecht damit zurecht.
Es genügt eben nicht, nur auf junge, vielversprechende Spieler zu setzen, wie das Wenger seinerzeit schon tat und auch Sven Mislintat als Scoutingchef vorantreiben sollte. Es braucht auch einen ausgeklügelten Plan, wie die Talente in eine widerstandsfähige Form gegossen werden können. Der ist bei Arsenal bislang nicht zu erkennen.
Arteta fehlt Erfahrung
Dieses Versäumnis allein Arteta anzulasten, wäre unfair. Es ist eine gewaltige Aufgabe, die selbst dann schwer zu lösen ist, wenn im Klub alles perfekt ineinandergreift. Für Arteta kommt erschwerend hinzu, dass er keine Erfahrung in einem solchen Milieu hat. Ja, er kennt Arsenal, aber als Trainer ist er nur mit den Voraussetzungen von Manchester City vertraut. Dort ölen Milliarden aus Abu Dhabi die Maschinerie. Bei Arsenal stottert und knarzt es allerdings schon seit Jahren. Auch schon unter Wenger.
Will der Klub wirklich in die Top-Vier zurück, muss er mehr investieren. Arsenals Kaderwert liegt bei 593 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der von Liverpool ist 901,5 Millionen wert, Chelseas 923 Millionen, Manchester Uniteds 920,25 Millionen und ManCitys: 1,06 Milliarden. Die 150-Millionen-Investion aus dem Sommer wirkt neben den Ablösesummen von Romelu Lukaku (Chelsea/115 Millionen) und Jack Grealish (ManCity/117,5) wie ein Witz.
Darf Arteta weitermachen?
Dass es nicht ganz so schnell gehen wird mit der Wiedergeburt der Gunners, hat auch Arteta erkannt. "Wir wollen den Klub dahin zurückbringen, wo er war. Und wir werden das tun", sagte er, räumte aber ein: "Das Timing ist ein bisschen komplizierter." Im Dezember soll der Trainer von den Klubbossen bewertet werden. Ob er dann noch Zeit bekommt?
Tim Brack
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