Super Bowl gegen die Rams
Bad Boys for Life: Tom Brady und der x-te Abgesang auf die New England Patriots
- Aktualisiert: 30.01.2019
- 15:39 Uhr
- ran.de / Andreas Reiners
Man kennt das schon: Es wird das Ende der Ära der New England Patriots ausgerufen und was passiert? Tom Brady und Co. stehen mal wieder im Super Bowl (am 3. Februar ab 22.45 Uhr live auf ProSieben und auf ran.de).
München - Tom Brady grinst nur. Es ist dieses wissende Grinsen, eine Mischung aus Genugtuung und Schadenfreude.
Dazu seine Augen, die sagen: "Sorry, Jungs. Aber ich habe euch mal wieder eines Besseren belehrt. Ging nicht anders. Hatte euch ja gewarnt." Neben ihm zuckt Rob Gronkowksi nur mit den Schultern und stimmt in das Grinsen mit ein, das am Ende immer breiter wird.
"Bad Boys for Life" setzt ein. Wie passend. "We ain't, go-in nowhere, we ain't, goin nowhere. We can't be stopped now."
Unaufhaltsam. Wie immer. Oder "Still here", wie das kurze Video vom Quarterback der New England Patriots endet. "Immer noch hier."
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Es ist eine Nachricht, vor allem an seine Kritiker. Ein Statement. Wie es die ganzen Playoffs schon sind. Wie das bei Totgesagten nun mal so ist. Es ist eine anstrengende Floskel, doch sie leben wirklich oft länger. Vor allem wenn sie aus der Nähe von Boston kommen.
Es verkommt auch langsam zur Floskel, dass die Ära der Patriots endet. "Jetzt aber wirklich", heißt es Jahr für Jahr, und am Ende der Saison müssen die ganzen Kritiker mal wieder Abbitte leisten.
Erste Abgesänge 2014
2014 fingen sie an, die Abgesänge.
Nach jener 14:41-Klatsche bei den Kansas City Chiefs am 4. Spieltag kamen die ersten Fragen und Spekulationen nach dem möglichen Ende einer Ära auf, die 2000 begonnen hatte. Die passende Antwort gab es über Wochen in einer 10-2-Serie verpackt, garniert mit einem Schleifchen, sprich: dem Super-Bowl-Sieg gegen die Seahawks.
Seitdem werden die Stimmen immer mal wieder lauter, wenn es mal nicht ganz so gut läuft. Wobei man Krisen bei vier Super-Bowl-Teilnahmen in den letzten fünf Jahren mit der Lupe suchen muss.
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Im Fall der Patriots muss es aber gar keine Krise sein, Durchhänger reichen vollkommen aus. Und es sah in dieser Saison wirklich danach aus, als deute sich zumindest leise eine Saison ohne Super Bowl an.
Fast ein Fehlstart
Ein Sieg, zwei Niederlagen: Für Patriots-Verhältnisse war das fast schon ein Fehlstart. Dann folgten sechs Siege in Serie, ehe es bei den Titans eine böse 10:34-Klatsche gab. Dann wieder zwei Siege, zwei Niederlagen.
Man muss es so sagen: Berauschend war es zunächst nicht, was die Kritiker schnell auf den Plan rief. Die zogen vor allem die magere Auswärtsbilanz von nur drei Siegen und ganzen fünf Niederlagen heran. Und die gegnerischen Fans außerhalb von Massachusetts lachten sich ins Fäustchen.
Dann wird keine Chance ausgelassen, bei Bradys Spiel ein Haar in der Suppe zu finden. Die erstbeste Möglichkeit wird genutzt, ihm sein Alter unter die Nase zu reiben oder aber Statistiken, wenn die Leistung mal nicht so stimmt. Es ist ja auch eine Art Reflex: Mit seinen 41 Jahren muss der Mann doch mal altern, auch auf dem Platz. Es ist das ewige Warten auf den sportlichen Abstieg.
Respekt und Hassliebe
Es ist sowieso ein gespaltenes Verhältnis zum Rest des Landes, eine seltsame Beziehung. Eine Art Hassliebe. Respekt, ja, keine Frage.
Aber Zuneigung? Auf keinen Fall. In einigen Landstrichen ist die Abneigung sogar sehr stark ausgeprägt. Quarterback-Kollege Drew Brees hätte man die Vince-Lombardi-Trophy aus vollstem Herzen gegönnt, aber Brady und den Patriots?
Nicht schon wieder die, so der Tenor.
Es ist diese Dauer-Dominanz, das Vernichten des Gegners mit einem kalten Lächeln, mit stoischer Akkuratesse, und das über Jahre. Für alles haben Bill Belichick und die Pats einen Plan, auf alles eine Antwort.
Zermürbend. Deprimierend. Für die gegnerischen Fans. Und die Gegner. Die Abneigung baut sich erst langsam auf, doch mit jedem Erfolg verfestigt sie sich.
Seit 2000 sind es neun Super-Bowl-Teilnahmen, fünf Siege, 16 AFC-East-Titel, neun gewonnene AFC-Conference-Championships und mit 2018 der dritte Einzug in das große Finale in Serie. Man kann sich ungefähr vorstellen, wie groß die Abneigung vor einem weiteren Triumph inzwischen ist. Vor dem nächsten Sieger-Grinsen.
Gähn, sagen die einen. Genial, die anderen.
Die Aversion, die Zweifel, die Häme, der Neid, die Abgesänge, kombiniert mit dem Lob, der Liebe, der Verehrung - all das scheinen die Patriots und Brady immer wieder zu kanalisieren, in Kräfte umzuwandeln. Das Team scheint immun gegen alle natürlichen Entwicklungen wie Krise, Dellen, Niederlagen, Rückschläge.
Alle Wetten gegen die Patriots
"Alle Wetten waren gegen uns gerichtet", sagte Brady nach dem 37:31 bei den Chiefs. "Es lief lange Zeit nicht so, wie wir es gewohnt sind. Wir sind schwach in die Saison gestartet - doch in den letzten vier Spielen haben wir unsere besten Leistungen gezeigt."
Dann zeigen Brady oder auch die zuvor als Auslaufmodelle kritisierten Julian Edelman oder Gronkowski, was sie noch leisten können. Dass sie genau dann da sind, wenn es darauf ankommt. Dann ist die Defense gegen zwei starke Offensiven wie die der Los Angeles Chargers und der Chiefs zur Stelle, und auch die O-Line ist da, lässt keinen Sack gegen Brady zu.
Es passiert mit einer solchen Regelmäßigkeit, fast wie auf Knopfdruck, dass es fast schon beängstigend ist.
Können und Glück
Und dann kommen auch Dinge dazu, die nicht so einfach zu erklären sind.
Wie strittige Entscheidungen, die zugunsten der Pats entschieden werden. Oder wie der Coin Toss vor der Overtime. Den gewinnen die Patriots - Glück also - und Brady - mit seinem Können - führt den entscheidenden Drive in die Endzone.
"Sie haben nicht aufgegeben. Und wir haben es ebenfalls nicht getan. So ist Football. Wir haben unseren besten Football am Ende gespielt. Es war ein Wahnsinnsspiel. Wenn du 70.000 Fans im Gesicht hast, die gegen dich pfeifen, dann ist es richtig toll, am Ende mit einem Auswärtssieg dazustehen", sagte Brady.
Im Super Bowl (am 3. Februar ab 22.45 Uhr live auf ProSieben und auf ran.de) wird wohl auch die Mehrheit für den Gegner sein, die Los Angeles Rams. Doch Brady kennt das Gefühl inzwischen, er hat es lieben gelernt. Denn das Grinsen gehört am Ende meistens ihm.
Andreas Reiners
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