Erfolgscoach der Eagles
Doug Pederson: Der Mann ohne Angst
- Aktualisiert: 22.02.2018
- 15:19 Uhr
- ran.de/ Andreas Reiners
Wenn man über die Gründe für den Erfolg der Philadelphia Eagles spricht, fällt immer wieder ein Name: Doug Pederson. Was macht den Head Coach der Eagles so speziell?
München/Philadelphia - Manchmal reicht eine Szene, um einen Head Coach zu charakterisieren. Eine Szene, die seine Philosophie in Szene setzt. Seine Idee in wenigen Sekunden zum Tragen kommen lässt. Wie ein offenes Buch.
Bei Doug Pederson ist es das Play des Super Bowl LII, der geniale Spielzug der Philadelphia Eagles, diese Frechheit kurz vor Ende der ersten Halbzeit, diese Unverfrorenheit, als er wie so oft einen Trickspielzug inszenieren ließ, und das beim vierten Down. Gegen die New England Patriots.
Eine Kombination zweier Stilmittel hin zu einer Komposition, für die er wie kaum ein Zweiter steht. "Unser Coach hat Eier, oder?", fragte Tight End Trey Burton. Klar: Eine rhetorische Frage.
"Also gehen wir auf die Punkte"
Die stellte Pederson ebenfalls. "Wieso sollte ich mein Team denn über das ganze Feld marschieren lassen und dann an der Ein-Yard-Linie plötzlich kneifen?" Er gab sich die überflüssige Antwort selbst: "Wir wollen die Punkte, also gehen wir auf die Punkte. Ein Field Goal war nicht gut genug, nicht gegen Brady und die Patriots, also blieben wir aggressiv."
Keine Frage: Die Spieler setzen die Plays um, den Tackle, den Sack, sie werfen das Ei oder fangen es. Doch der Head Coach gibt den Ton vor, er bringt wie jeder Trainer der Welt seine Spieler in die Verfassung oder in die Position, Spiele zu gewinnen. Bereit zu sein. Vorbereitung ist für Pederson deshalb ein wichtiger Bestandteil.
Extrem detailversessen
Er lässt keinen Stein auf dem anderen, überlässt nichts dem Zufall und lässt nichts unbeachtet, ist extrem detailversessen.
Ein Beispiel: Die übliche Halbzeitpause wurde beim Super Bowl LII wegen der Show von Justin Timberlake und den dazugehörigen Aufbauarbeiten auf 30 Minuten verlängert. 15 Minuten mehr Pause, die geübt werden wollten. "Sie sollen sich daran gewöhnen, sollen sehen, wie ihr Körper auf die längere Pause reagiert", sagte Pederson.
Der Mann mit dem grauen Haar und der Schirmmütze ist furchtlos. Genial. Und belastbar. Denn was viele vielleicht gar nicht wissen: Er war 1999 bei den Eagles als Quarterback nur Übergangslösung für Donovan McNabb, der als Nummer-zwei-Pick noch nicht soweit war, vom Publikum aber gefordert wurde. Die berüchtigten Philly-Fans ließen Pederson ihren Unmut mit Wurfgeschossen wie Bier oder Batterien spüren. Falls nichts zur Hand war, wurde er eben angespuckt. Wenn dann jemand wie er 17 Jahre später genau dort Head Coach wird, könnte man ihm einen Hang zur Selbstzerstörung nachsagen.
Doch Philadelphia hat es ihm angetan. Sein erster NFL-Job als Coach, nachdem er von 2005 bis 2008 noch an einer christlichen Highschool trainierte: Die Eagles, für die er bis 2012 Offensive Quality Control Coordinator und Quarterback-Coach war. Nach seiner Station als Offensive Coordinator bei den Kansas City Chiefs kehrte er als Head Coach 2016 zu den Eagles zurück.
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Chaos und Skepsis? Kein Problem!
Und fand nach dem unrühmlichen Abgang von Chip Kelly ein ziemliches Chaos vor. Doch das störte ihn genauso wenig wie die brutale Skepsis, die ihm entgegenschlug.
Was will Philly mit einem, der als Coach ein unbeschriebenes Blatt ist? Die USA Today führte ihn in einer Rangliste der damals verpflichteten Head Coaches auf Platz sieben von sieben. Noch hinter Kelly (inzwischen zurück zum College-Football geflüchtet), Ben McAdoo (arbeitslos) oder Hue Jackson (chronisch erfolglos).
Doch Pederson machte aus einem Durchschnittsteam einen Super-Bowl-Sieger, aus einer 7-9-Franchise ein 13-3-Spitzenteam, das sogar den Ausfall seines besten Spielers, des Herzstücks, verkraftete. Und als Außenseiter durch die Playoffs marschierte, die Rolle als Underdog adaptierte und perfektionierte. Damit spielte. Wie mit den Gegnern auch.
Ja klar, auch Pederson musste schlucken, als bei Carson Wentz (den er selbst innerhalb eines Jahres vom Rookie zum Anführer formte) in der Regular Season das Kreuz- und das Innenband riss. Es ist ja nicht so, als hätte er für jeden Fall einen Plan beziehungsweise Spieler B in der Schublade. Zaubern kann auch er nicht. Hieß: Auch bei ihm schlichen sich Zweifel ein. Geht es so weiter ohne Wentz? Diese Gedanken macht er aber mit sich aus, lässt weder das Team, erst recht nicht die Journalisten daran teilhaben. Stattdessen versprüht er Optimismus, strahlt Zuversicht aus. Und packt an.
Unerschütterliches Vertrauen
Also stellte er das Team eben auf Ersatzmann Nick Foles um und ein, nach ein paar Wacklern funktionierte das im Super Bowl so gut, dass zwischen dem Super-Backup und Superstar Tom Brady kein Unterschied zu erkennen war. Auch andere Spieler wie zum Beispiel LeGarrette Blount blühen unter ihm auf. Es ist vor allem das Vertrauen, das er ihnen schenkt. Unerschütterliches Vertrauen. Und auch dieses: Er macht die Spieler besser. Diese Genialität, die man nur schwer greifen und erklären kann. All das kombiniert mit einem glücklichen Händchen, das man fraglos ebenfalls braucht.
Pederson verkörpert eine neue Art des Coachens, eine neue Spezies. Aggressiv auf Risiko, weg von den traditionellen Plays. "Geh nach vorne, wenn du nach vorne gehen kannst", so Pederson. So einfach also?
Zahlen und Fakten
Nein, ist es natürlich nicht. Er setzt dabei in Schlüsselsituationen knallhart auf Zahlen und Fakten. Mit zwei Analysten der Franchise steht er während des Spiels in Kontakt, sie wägen das Risiko anhand der Daten ab. Geben sie grünes Licht für einen riskanten Spielzug, zögert Pederson keine Sekunde.
Dann warten seine Spieler auf seinen Call, in dem Wissen, dass wieder etwas Besonderes kommen wird. Harte Entscheidungen, die entscheidend sein können. "Ich vertraue meinen Spielern, meinen Trainern und meinen Instinkten", so Pederson.
Oder wie es seine Spieler ausdrücken, nicht in einer Szene, sondern in einem Satz: "Das ist eben Doug."
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