Ex-NFL-Profi über seinen ehemaligen Quarterback
NFL-Kolumne von Sebastian Vollmer: Bodenständig, freundlich und sehr ehrgeizig – so tickt Tom Brady
- Aktualisiert: 21.10.2017
- 17:33 Uhr
- ran.de / Sebastian Vollmer
In seiner Kolumne auf ran.de schreibt der Ex-NFL-Profi und zweimalige Super-Bowl-Sieger Sebastian Vollmer über seinen Freund und ehemaligen Teamkollegen Tom Brady und verrät, wie der Quarterback-Superstar privat und auf dem Rasen so tickt und was ihn so erfolgreich macht.
Hi Football-Fans,
nachdem mein guter Freund Markus Kuhn euch ja bereits seit zwei Jahren mit allerlei Informationen und Insider-Wissen aus der Welt der NFL versorgt, freue ich mich ganz besonders, nun auch Kolumnist auf ran.de zu sein. Denn Markus und ich werden ab sofort im Wechsel die Kolumne schreiben und euch weiterhin mit all dem versorgen, was euch interessiert.
In meiner ersten Kolumne widme ich mich einem Thema, über das viele NFL-Fans in Deutschland gerne mehr wissen möchten – nämlich: Wie tickt eigentlich Tom Brady und was macht ihn so erfolgreich? Ich habe acht Jahre mit ihm zusammengespielt und ihn auf dem Rasen als Offensive Tackle beschützt. Tom ist über die Jahre ein richtig guter Freund von mir geworden.
Kontakt zu Brady ist nie abgebrochen
Seitdem ich meine aktive Karriere beendet habe, unterhalten wir uns nicht mehr so sehr über sportliche Themen, sondern tauschen uns vor allem privat aus. Wie geht es den Kindern? Wie war der Urlaub? Eben genau so, wie wenn ihr euch mit euren Kumpels trefft. Wir gehen hier und da mal einen Kaffee trinken oder gemeinsam Abendessen.
Natürlich gestaltet sich das aufgrund seiner Bekanntheit immer ein bisschen schwierig, weswegen wir uns immer in privatem Raum treffen – sei es in einem abgeschotteten Raum eines Restaurants oder aber in den eigenen vier Wänden. Ich kann mich aber noch an einen Abend erinnern, als wir vor einiger Zeit mal mit den Patriots am New Yorker Flughafen gestrandet sind - Boston war damals an diesem Tag total eingeschneit - und wir dort alle gemeinsam essen waren. Natürlich hat sich Toms Anwesenheit wie ein Strohfeuer herumgesprochen. Auf einmal war das Restaurant voll mit Hunderten von Pats-Fans, die nur mal einen Blick auf Tom werfen oder aber ein Autogramm ergattern wollten. Mit diesen Situationen geht er aber sehr souverän um, ist immer freundlich und zuvorkommend. Ich habe ihn noch nie über seine Bekanntheit und all die damit verbundenen Unannehmlichkeiten im privaten Bereich jammern hören. Tom ist ein unglaublich bodenständiger und netter Mensch. Trotz seines großen Erfolgs.
Auf dem Spielfeld zählt nur der Sieg
Apropos Erfolg: Dem ordnet er wirklich alles unter. So nett und freundlich Tom privat ist, so ernst ist er auf dem Spielfeld. Er will gewinnen. Immer. Keiner hasst das Verlieren so sehr wie Tom. Deswegen verlangt er von all seinen Teamkollegen auch immer das Beste – wie von sich selbst. Es gibt eine Geschichte vom Super Bowl XLIV, die Tom recht gut beschreibt. Wir spielten damals gegen die New York Giants und kamen eine Woche vor dem großen Finale am Spielort Indianapolis an. Und trotz all der Meetings, die man Tag für Tag dort im Hotel hatte, war dennoch genug Zeit, sich abends mal zusammenzusetzen und gemeinsam zu essen oder sich einfach nur zu unterhalten. Einer hat bei diesen Treffen immer gefehlt: Tom Brady.
Er kam während der gesamten Woche nicht aus seinem Hotelzimmer raus, weil er sich immer wieder das Playbook oder aber verschiedene Videosequenzen anschaute. Tom wollte für den Super Bowl gegen die Giants einfach zu 100 Prozent vorbereitet sein und nichts dem Zufall überlassen. Er ist unglaublich motiviert und ehrgeizig. Leider haben wir das Spiel damals trotzdem verloren und saßen abends dennoch nochmal alle zusammen, weil viele das Team nach dieser Saison verließen. Es war eine Art Abschiedsfeier. Und auch hier fehlte einer: Tom Brady.
Ihm ging diese Pleite so nah, dass er sich direkt wieder auf sein Zimmer zurückzog, sich den gerade verlorenen Super Bowl nochmal als Video anschaute und direkt Notizen machte, was er, was wir als Team in der kommenden Saison besser machen könnten.
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Man darf Brady nie abschreiben
Nur wer so positiv versessen ist, kann auch so erfolgreich sein. Fünf Super-Bowl-Ringe sprechen für sich. Ganz oben steht bei Tom sicherlich sein gottgegebenes Talent, dann kommt die harte Arbeit, aber natürlich auch sein Intellekt. Während der Saison ist die NFL wirklich ein 24-Stunden-Job mit unzähligen Meetings, in denen man sich einen einzigen Spielzug 1000 Mal anschaut und darüber diskutiert, was man besser machen kann. Allerdings war das bei uns nur einer, ein Quarterback muss ALLE Spielzüge wissen – und am besten auch noch, wie man sie bestmöglich einsetzt. Tom hat diese Gabe. Es ist grandios, welche Infos er verarbeiten und dann auf den Rasen bringen kann.
Ich würde übrigens auch nie gegen Tom wetten – vor allem, wenn er mal verloren hat. Denn es gilt eine eiserne Regel: Er hat nie einen schlechten Tag, sondern vielleicht mal eine schlechte Stunde. Erinnert euch an den vergangenen Super Bowl gegen die Atlanta Falcons zurück, als Tom und die Patriots nach schwacher Anfangsphase diese unglaubliche Aufholjagd starteten und am Ende den Rasen noch als Sieger verließen. Das war typisch Tom. Er sucht immer nach Lösungen, wie er seine Teamkollegen aus dem Loch ziehen kann. Tom hasst schlechte Spielzüge. Da kann vor Wut durchaus auch mal sein Helm durch die Luft fliegen. Denn das ist nicht sein Anspruch. Tom will der Beste sein. Das würde er selbst so nie sagen. Dafür ist er zu bescheiden. Aber so ist er einfach gestrickt, das ist sein Ansporn, sein Ehrgeiz.
Die Patriots sind nach wie vor ein Super-Bowl-Kandidat
Und zusammen mit Head Coach Bill Belichick bildet er ein kongeniales Duo bei den Patriots. Sie sitzen immer dienstags zusammen und tüfteln an den Spielzügen für den kommenden Gegner. Manchmal stundenlang. Die werden dann an Offensive Coordinator Josh McDaniels weitergegeben, der diese Spielzüge dann nochmal verfeinert. Tom könnte übrigens jedem Head Coach in der NFL das Wasser reichen. Was er über Football weiß und wie er es als Anführer der Patriots auch an seine Teamkollegen weitergibt, ist einzigartig. Das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.
Und ich glaube auch, dass mit meinem Ex-Team in dieser Saison noch zu rechnen ist. Auch, wenn sie keinen allzu guten Saisonstart hatten. In der Offensive kann sich sowieso keiner beschweren, allerdings braucht die Defensive noch ein bisschen Chemie, muss besser zusammenwachsen. Ich bin mir aber sicher, dass sie mit den kommenden Wochen immer besser und besser werden. Deswegen sind sie für mich auch ein klarer Super-Bowl-Kandidat. Aber: Als NFL-Team bist du auch immer nur eine Verletzung davon entfernt, kein Spiel mehr zu gewinnen. So wie die Oakland Raiders im vergangenen Jahr, die ausgerechnet in der entscheidenden Phase ihren Quarterback Derek Carr verloren und direkt in den Playoffs ausschieden. Warten wir es einfach mal ab und hoffen für alle Teams das Beste.
Ich wünsche euch jetzt erstmal viel Spaß beim NFL gucken an diesem Sonntag live auf ProSieben MAXX und im kostenlosen Livestream auf ran.de.
Wir lesen uns schon ganz bald wieder!
Bis dahin wünsche ich euch alles Gute!
Euer Sebastian
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