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Fall Ivan Fedotow und die Folgen - Ruiniert der Ostwest-Konflikt die Karrieren russischer Eishockey-Spieler?
- Aktualisiert: 06.07.2022
- 20:43 Uhr
- ran / Oliver Jensen
Der Fall des vom Militär verschleppten Eishockey-Torwarts wird immer skurriler. Spieler müssen wie zu Zeiten des Kalten Kriegs an Flucht denken. Auch New York Islanders und Dallas Stars könnten bald betroffen sein.
München - Die Gegensätze könnten kaum größer sein: "I believe I can fly" schrieb Ivan Fedotow in seinem letzten instagram-Eintrag und postete dazu ein Bild von sich beim Gleitschirmfliegen.
Vier Wochen ist dieser Eintrag alt. Seitdem hat sich das Leben des Eishockey-Torhüters auf radikalste Art geändert. Das Gefühl von Freiheit verkehrte sich ins Gegenteil.
Fedotow wurde am Freitag in St. Petersburg nach dem Training von Unbekannten festgehalten und in einen Kleinlaster verfrachtet. Zwischenzeitlich soll ihm schlecht geworden sein, sodass er in eine Klinik gebracht werden musste.
Mittlerweile befindet sich der russische Nationaltorhüter laut Medienberichten im Marinestützpunkt Severomorsk.
"Voraussichtlich wird er seinen Dienst in einer der Militäreinheiten ableisten, die auf der Insel Nowaja Semlja im Nordpolarmeer liegen", sagte ein anonymer Sprecher der russischen Sicherheitsorgane. Die Insel ist als ehemaliges sowjetisches Atomtestgelände bekannt.
Der wahrscheinliche Grund für diese Maßnahme: Fedotow wollte seinen Klub ZSKA Moskau verlassen, um in der NHL zu spielen. Die Philadelphia Flyers hatten ihn im Jahre 2015 gedraftet. Nun sollte er seine Chance bekommen und in Philadelphia um die Rolle des Backups konkurrieren.
Die Verantwortlichen von ZSKA und die russische Regierung hatten offenbar etwas dagegen. Zur Erklärung: Der Eishockeyverein hat eine enge Verbindung zur russischen Armee. Früher gehörte der Klub der Sowjetarmee an. Heute befindet sich der Eishockey-Verein im Besitz des Ölkonzerns Rosneft, der mehrheitlich der russischen Regierung gehört.
Fedotow hat wohl zwei Optionen: CSKA Moskau oder das Militär
Laut Berichten bleiben dem 25-Jährigen nur zwei Optionen. Der Twitter-Account "Hockey Players With Animals" verweist auf russische Meldungen, in denen es heißt: "Er wird eine dreimonatige Ausbildung durchlaufen und muss dann entweder für zwei weitere Jahre bei ZSKA unterschreiben oder einen aktiven Militärvertrag für ein Jahr unterschreiben."
Wladislaw Tretjak, der Präsident von dem russischen Eishockeyverband, gab zu dem Fall Fedotow ein eher nichtssagendes Statement von sich: "Der russische Eishockeyverband verfolgt die Situation des russischen Nationaltorhüters Ivan Fedotow mit Beachtung auf seinen nationalen Dienst. Der RIHF hat die Behörden kontaktiert, um die Sache zu klären."
Kremlsprecher Dmitri Peskow wurde am Montag nach der Situation von Fedotow befragt und spielte den Fall herunter: "Wir haben einen Entwurf im Einklang mit dem Gesetz, so dass jeder emotionale Kommentar völlig unangemessen wäre. Es gibt bestimmte Gründe für Aufschiebungen und verschiedene Möglichkeiten, Militärdienst als Athlet zu leisten."
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Werden russische Spieler überhaupt noch gedraftet?
Der Fall schreckt die NHL auf und könnte auch bei vielen anderen russischen Eishockey-Talenten für Probleme sorgen. Eine nicht genannte Quelle sagte gegenüber "RIA Novosti", einer russischen Agentur für internationale Informationen, dass auch andere ehemalige ZSKA-Eishockeyspieler, die sich für einen Wechsel in die NHL entschieden haben, möglicherweise in die Armee eingezogen werden.
"Die Armee besitzt die Rechte an vielen jungen Spielern, die jetzt im Ausland spielen", heißt es. "Wenn sie das Problem mit dem Militärrekrutierungsamt nicht offiziell lösen, könnten Spieler wie Egor Afanasyev, Artem Grushnikov, Ilya Sorokin, Denis Guryanov und Dmitry Samorukov mit den gleichen Problemen konfrontiert werden wie Ivan Fedotow."
Besonders prekär: Sorokin und Guryanov spielen bereits in der NHL bei den New York Islanders bzw. Dallas Stars. Sie könnten bei einem Heimaturlaub nicht mehr zurück nach Nordamerika reisen.
Zudem steht nun unmittelbar der NHL Draft bevor und findet am 7. und 8. Juli statt. Die NHL-Teams dürften sich dreimal überlegen, ob sie einen frühen Pick für einen russischen Spieler aufwenden. Denn was nützen die Rechte an einem Top-Talent, wenn dieser möglicherweise gar nicht nach Nordamerika reisen darf und vielleicht sogar festgenommen wird?
Die Problematik betrifft nicht nur Talente, sondern auch die russischen Vertragsspieler in der NHL. Viele nutzen die derzeitige Offseason, um ihre Familie in Russland zu besuchen. Doch wer kann garantieren, dass sie danach wieder ausreisen dürfen?
"Ich denke, viele von uns sind besorgt", sagt Todd MacLellan, der General Manager der Washington Capitals. Niemand wisse, was passieren werde. Es könne sein, dass den Spielern die Ausreise verweigert wird: "Es gibt viele Fragen, aber keine Antworten."
Fedorow, Malkin & Co. flüchteten aus Russland
Die Situation erinnert an die Zeiten des Kalten Krieges. Russischen Spielern war es damals nicht gestattet, in die USA zu wechseln. Eine Flucht war die einzige Chance, um in der NHL spielen zu können. Der ehemalige Top-Star Sergei Fedorov nutzte zum Beispiel ein Auswärtsspiel der sowjetischen Nationalmannschaft in Portland (USA), um nach Detroit zu flüchten.
Auch der noch immer aktive Evgeni Malkin von den Pittsburgh Penguins hatte Schwierigkeiten, von Russland in die USA zu gelangen. Der Kalte Krieg war im Jahre 2006 zwar längst vorüber. Allerdings konnten sich die NHL und der russische Verband damals nicht über die Ablösemodalitäten einigen. Also nutzte Malkin den Tampere Cups, ein internationales Eishockeyturnier in Finnland, um unterzutauchen und zwei Wochen später in den USA das Training aufzunehmen.
Eine Flucht könnte auch für viele andere russische Spieler bald die einzige Möglichkeit sein, um in die NHL zu gelangen. Für Fedotow allerdings dürfte es dafür zumindest vorerst zu spät sein.
Oliver Jensen
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