Nur neun Punkte nach 14 Spielen
FC St. Pauli: Der nächste Traditionsverein auf dem Holzweg
- Aktualisiert: 07.01.2021
- 18:32 Uhr
- ran.de /Justin Werner
Ein Verein mit Philosophie. Ein Verein mit besonderen Spielern, besonderen Fans, einer besonderen Geschichte. Der FC St. Pauli steht für viel - aber mittlerweile nicht mehr nur für Gutes.
Hamburg/München - Für Traditionsvereine ist die 2. Bundesliga ein sehr hartes Pflaster. Für viele geht es um die sportliche Existenz.
Für den FC St. Pauli geht es um mehr.
Platz 17 in der Liga, in der ersten Runde des DFB-Pokals gegen Viertligist Elversberg ausgeschieden: Die Saison 2020/21 ist für die Kiezkicker bis jetzt ein echtes Desaster. Dabei sollte sich alles zum Guten wenden. (2. Liga: St. Pauli gegen Kiel, am Samstag ab 13:30 Uhr im Liveticker auf ran.de)
Denn bereits in der vergangenen Saison kämpfte St. Pauli um die sportliche Existenz. Am Ende stand der 14. Platz, mit hauchdünnen zwei Zählern Vorsprung auf den Relegationsplatz. In der Folge wurde Trainer Jos Luhukay entlassen.
Der neue Trainer macht den Cut - es ändert sich nichts
Im Sommer übernahm ein alter Bekannter. Auf Ex-Profi Timo Schultz ruhten die Hoffnungen auf eine stabile Saison, in der im Verein wieder etwas aufgebaut werden kann. Doch mehr als ein paar namhafte Transfers konnte der Verein bis jetzt nicht liefern.
Guido Burgstaller, Rodrigo Zalazar, Daniel-Kofi Kyereh, Leart Paqarada - allesamt vielversprechende Verpflichtungen, nur funktionieren wollen sie nicht. Der FC St. Pauli holte aus 14 Spielen nur neun Punkte und steht auf Platz 17. Doch es gibt nicht nur sportliche Probleme.
Denn mit dem sich wandelnden Fußballgeschäft musste auch der Verein seine Entscheidungen treffen. Nicht immer populär, meist aber folgenreich. So flog den Verantwortlichen der Ausrüster-Deal mit "Under Armour", denen Beziehungen zur Waffenindustrie nachgesagt werden, um die Ohren.
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Vom kleinen, sympathischen Klub zur Marketing-Maschine
Der sonst so alleingestellte, meinungsstarke, liberale und menschennahe Verein hat an einigen Stellen die falsche Ausfahrt genommen. Aus dem frechen, kleinen Klub ist eine riesengroße Marketing-Maschine geworden. Nur an wenigen Orten der Welt zahlt man für einen Pullover mit Totenkopf-Aufdruck mittlerweile so viel wie im Pauli-Fanshop.
Nun hat der Verein reagiert. Der Ausrüsterdeal mit "Under Armour" läuft nach der Saison aus. St. Pauli geht einen besonderen Weg und produziert seine Trikots künftig selbst.
"Mit diesem Schritt gehen wir konsequent den Weg der Unabhängigkeit weiter", beschreibt Präsident Oke Göttlich das Vorhaben: "Wir bauen uns unseren FC St. Pauli, wie wir ihn uns vorstellen, ein bisschen besser. Wir bauen uns unsere Welt."
Genauer gesagt, baut der Verein seine Welt wieder auf, denn er hat sie in den letzten Jahren immer mehr zerstört.
Fans vs. Touristen
Der Kern der Fans leidet unter dem Kurs, den ihr Herzensklub in der jüngeren Vergangenheit gefahren ist. Immer mehr Touristen zog es vor Corona ins Stadion, immer mehr Menschen freuen sich über das kleine gallische St. Pauli, das so anders ist, als die meisten mit Geld vollgepumpten Fußballvereine. Dabei sind sie selbst die größten Opfer ihrer Intention.
All das entwickelte sich auch schon in einer Zeit, in der St. Pauli noch konstant gut punkten konnte - in der 2. Liga. Denn Bundesliga-Fußball hat der Kiez schon seit fast zehn Jahren nicht mehr gesehen. Es ist der bitterböse Kampf gegen die eigene Realität.
Denn Pauli taumelt dem Abstieg entgegen. Und so hart das klingt, so sehr nimmt es immer mehr Form an. Die Auftritte der "Boys in brown" sind erschreckend harmlos. Nur 17 Tore erzielte das Team in den gespielten 14 Partien bisher.
Schultz räumt auf, doch es wird nicht sauber
Die Ausrede der fehlenden Fans zählt schon längst nicht mehr. Es braucht die Wende und zwar bald. Denn wirklich Ruhe kommt weder in die Mannschaft, noch in den Verein. Die ausgebliebene Vertragsverlängerung von Co-Trainer-Ikone Andre "Trulla" Trulsen sorgte für Wirbel und war die erste unpopuläre Entscheidung, die Neu-Trainer Schultz im Sommer traf.
Es folgten 13 Neuzugänge und der Aufbau eines komplett neuen Kaders - und der war nötig. Nur gelungen ist der Umbruch bisher nicht wirklich. Die zweite unpopuläre Entscheidung: Der langjährige Stammtorhüter Robin Himmelmann wurde degradiert. Jahrelang scheideten sich an ihm die Geister - Schultz handelte. Das Problem: Einen adäquaten Ersatz gibt es nicht.
Ersatztorhüter Sven Brodersen patzte in seinem ersten Spiel gleich zweimal folgenschwer und konnte bis dato nicht die nötige Sicherheit bringen. Als Ersatz vom Ersatz wurde der Ersatz von England-Klub Middlesbrough ausgeliehen - es wirkt verzweifelt.
Der Trainer versucht es, doch die Zahnräder greifen nicht ineinander. Es brauchte den Umbruch, Schultz hat ihn vollzogen. Doch es wirkt als wäre es zu spät, um das Ruder beim FC St. Pauli nochmal rumzureißen.
Dabei geht es für St. Pauli nicht nur um die Existenz, sondern um mehr.
Justin Werner
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