Bundesliga-Relegation: Was spricht für Werder Bremen und was für den 1. FC Heidenheim?
Relegationsrückspiel: Was spricht für Bremen? Was für Heidenheim?
Mit der Partie 1. FC Heidenheim gegen Werder Bremen (ab 20:30 Uhr im Liveticker auf ran.de) wird endgültig ein Schlussstrich unter diese wegen der äußeren Umstände so merkwürdige Bundesligasaison gezogen. Im Relegationsrückspiel geht es um den letzten freien Platz für die kommende Spielzeit. Wie das Foto aus der torlosen ersten Begegnung beweist, mangelt es keinem der Teams an Engagement, auch ansonsten begegnen sie sich auf Augenhöhe. Vor dem Anpfiff in der Voith-Arena zeigt ran.de, was für die Hanseaten und was für die Schwaben spricht.
Pro Werder Bremen: Auswärtsstärke
Von ihren Reisen haben die Grün-Weißen ordentlich Punkte in den hohen Norden mitgebracht. 22 der 31 Zähler wurden auf fremden Plätzen ergattert. Das bedeutet in der Auswärtstabelle einen ordentlichen achten Platz hinter den sieben Europapokalteilnehmern. Sechsmal gewannen die Bremer auswärts: bei Union Berlin (2:1), beim VfL Wolfsburg (3:2), bei Fortuna Düsseldorf (1:0), beim SC Freiburg (1:0), bei Schalke 04 (1:0) und beim SC Paderborn (5:1).
Pro 1. FC Heidenheim: Heimstärke
Allerdings ist die Heidenheimer Voith-Arena ganz im Gegensatz zum Weserstadion eine echte Festung. Mit 37 Heimpunkten waren die Schwaben in dieser Saison nach dem VfB Stuttgart das zweitbeste Zweitliga-Team auf eigenem Platz. Nur zwei Gäste jubelten in Heidenheim: der SV Sandhausen nach einem 2:0 und der VfL Bochum nach einem 3:2. Die letzte Niederlage daheim liegt auf den Tag genau neun Monate zurück. Zuletzt gelangen sogar fünf Heimdreier am Stück: gegen den Karlsruher SC (3:1), die SV Wehen Wiesbaden (1:0), Erzgebirge Aue (3:0), Jahn Regensburg (4:1) und den Hamburger SV (2:1).
Pro Werder Bremen: Formkurve nach Zwangspause
Auch der Blick auf die Tabelle seit dem Restart ohne Fans dürfte den Bremern Mut machen. In zehn Partien inklusive des mit 0:3 verlorenen Nachholspiels gegen Eintracht Frankfurt holte der viermalige Deutsche Meister dank vier Siegen und einem Unentschieden 13 Punkte - das macht in dieser Sondertabelle Rang neun. Heidenheim holte in den neun Begegnungen nach der Zwangspause 14 Zähler, was hinter den punktgleichen Sandhäusern nur der sechstbeste Wert in der 2. Liga war.
Pro 1. FC Heidenheim: Bremer Standardschwäche
Was den Bremern aber letztlich neben der Heimschwäche das Genick brechen könnte, ist die eklatante Anfälligkeit bei gegnerischen Standards. 21 Mal klingelte es in der vergangenen Saison, nachdem der ruhende Ball vor das Werder-Tor getreten wurde. Das ist ein trauriger Negativwert in der Liga und macht auch fast ein Drittel aller Gegentore aus. Insgesamt ließen sich die Hanseaten 69 mal überwinden - das überbot nur Absteiger SC Paderborn mit 74.
Pro Werder Bremen: Auswärtstorregel
Umso mehr ist natürlich die Offensive gefordert, die in den vergangenen fünf Pflichtspielen zwölfmal traf, dabei aber fast das ganze Pulver gegen den SC Paderborn (5:1) und den 1. FC Köln (6:1) verschoss. Entgegenkommen dürfte den Bremern die Anwendung der Auswärtstorregel, so dass jedes Unentschieden mit einem eigenen Treffer den Klassenerhalt bedeutet. Über diesen Weg rettete sich 2014 der große Nordrivale Hamburger SV mit einem 0:0 und einem 1:1 gegen Greuther Fürth, wonach die Profis der "Rothosen" diverse Hemmungen fallen ließen - wie dieses Foto beweist. Gerade unter dem Eindruck der fehlenden Fan-Kulisse würde es besonders kurios anmuten, sollte am Ende diese Regel aus dem Europapokal für die Entscheidung sorgen.
Pro 1. FC Heidenheim: Defensivbollwerk
Doch überhaupt erst einmal ein Tor gegen Heidenheim zu erzielen, ist schon kompliziert genug. Mit 36 Gegentreffern stellt der Underdog die zweitbeste Defensive der 2. Liga nach Meister Arminia Bielefeld (30 Gegentore). In 15 seiner 33 Einsätze in den Punktspielen und dann auch im Relegationshinspiel hielt Keeper Kevin Müller seinen Kasten sauber - den ersten Wert erreichte in den drei deutschen Profiligen sonst nur ein gewisser Manuel Neuer.
Pro Werder Bremen: Starke Bundesliga in der Relegation
Auch wenn sie selbst noch nicht dazu beigetragen haben, können die Bremer auf eine Statistik bauen: Seit Wiedereinführung der Relegation zwischen Bundesliga und 2. Liga setzte sich in elf Duellen achtmal der höherklassige Klub durch. Zuletzt der VfL Wolfsburg im Nordduell gegen Holstein Kiel mit 3:1 und 2:0. Dreimal klappte das auch ohne Heimsieg im Hinspiel: Beim schon angesprochenen Doppel-Remis des Hamburger SV gegen Greuther Fürth 2014, ein Jahr darauf beim 1:1 und 2:1 nach Verlängerung der Hamburger gegen den Karlsruher SC und noch einmal zwölf Monate später beim 1:1 und 1:0 von Eintracht Frankfurt gegen den 1. FC Nürnberg.
Pro 1. FC Heidenheim: Kopfballstärke
Technisch sollten die Bremer eigentlich im Vorteil sein. Aber was heißt das schon, wenn es ums nackte Überleben geht und sich mehr im Kopf als in den Füßen abspielt. Was das Hinspiel auf jeden Fall gezeigt hat: Heidenheim hat die Lufthoheit, da übersprang sogar der kleine Kevin Sessa, der sich an seinem 20. Geburtstag mit dem Aufstieg beschenken kann, Bremens Rekordeinkauf Davy Klaassen. Während es die Hanseaten kaum mit hohen Bällen versuchten, brannte es bei entsprechenden Heidenheimer Hereingaben lichterloh. Erinnert sei nur an Timo Beermans dicke Kopfballchance in der Nachspielzeit. Die Taktik der Gastgeber könnte also in Anlehnung an ein altbekanntes Fußball-Motto lauten: Hoch spielen, knapp gewinnen.
Pro Werder Bremen: Kevin Vogt wieder an Bord
Kapitän Niklas Moisander muss wegen seiner Gelb-Roten Karte vom Donnerstag zuschauen, dafür meldet sich Kevin Vogt nach abgebrummter Gelb-Sperre wieder einsatzbereit. Die Leihgabe von 1899 Hoffenheim hat ihren Wert für die Bremer bereits mehrfach unterstrichen. Zwar agierte Vogt zuletzt auch nicht immer fehlerfrei, doch an ihn können sich die Mitspieler aufrichten. Der ehemalige U21-Nationalspieler geht voran und keinem Zweikampf aus dem Weg. Das ist genau die Mentalität, die in solchen Do-or-die-Spielen gefragt ist. Der Blondschopf sollte hochmotiviert sein, zumal er sicher nicht als Absteiger in den Kraichgau zurückkehren möchte.
Pro 1. FC Heidenheim: Außenseiter verspürt keinen Druck
Während über den Bremern der Schatten des zweiten Abstiegs der Klubgeschichte schwebt, kann der 1. FC Heidenheim eigentlich völlig befreit aufspielen. Mit Rang drei und der Relegation haben die Schwaben weit mehr erreicht, als ihnen so ziemlich jeder Experte vor der Saison zugetraut hätte. Im Grunde kann der kleine Verein aus dem Grenzgebiet zu Bayern nur gewinnen. Denn während bei Werder die Zukunft der Verantwortlichen so oder so ungewiss ist, wird es bei Heidenheim - ob Bundesligist oder weiter Zweitligist - natürlich so weitergehen, wie seit mehr als zehn Jahren: mit Trainer Frank Schmidt kommandogebend an der Seitenlinie und mit Marc Schnatterer das Team antreibend auf dem Platz.