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Fan-Experte Gabriel im Exklusiv-Interview: Darum haben Fans Angst von Geisterspielen

  • Aktualisiert: 13.05.2020
  • 22:56 Uhr
  • ran.de/Oliver Jensen
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© imago images/Mika Volkmann
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Michael Gabriel weiß als Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte, wie die Fußball-Anhänger ticken. Mit ran.de spricht er darüber, warum viele Fans Geisterspiele ablehnen, wovor die Fans Angst haben und wie groß am Wochenende die Gefahr von Ansammlungen vor den Stadien ist.

München - Am Samstag, 16. Mai 2020, geht die Bundesliga und 2. Bundesliga nach der Zwangspause durch die Corona-Pandemie mit Geisterspielen weiter. Diese Form der Saison-Fortsetzung stößt nicht nur auf Zustimmung, vor allem bei einigen Fangruppierungen. 

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So laufen die Geisterspieltage in Corona-Zeiten ab

Geisterspiele und Co. - so läuft der Spieltag in Corona-Zeiten ab

Am Wochenende findet der Restart der Bundesliga statt – allerdings unter speziellen Bedingungen. Nur 300 Personen haben Zugang zum Stadion. Spieler und Trainer müssen Verhaltensregeln berücksichtigen. ran.de verrät, wie die Spieltage nun ablaufen sollen.

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  • 13.05.2020
  • 12:29 Uhr

Michael Gabriel weiß als Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte, wie die Fußball-Anhänger ticken. Mit ran.de spricht er darüber, warum viele Fans Geisterspiele ablehnen, wovor die Fans Angst haben und wie groß am Wochenende die Gefahr von Ansammlungen vor den Stadien ist.

Herr Gabriel, mit welchen Gefühlen blickt die Fanszene dem "Geisterspieltag" entgegen?

Michael Gabriel: Mit sehr gemischten Gefühlen. Kein Fan findet Geisterspiele gut. Alle sehnen sich nach dem Gemeinschaftserlebnis im Stadion. Wenn die Spiele am Wochenende nun laufen und sie nicht dabei sein können, ist das für die aktive Fanszene eine emotional schwierige Situation.  

Andererseits bestand die Chance, dass Zuschauer zu den Spielen dürfen, ohnehin nicht. Warum stoßen Geisterspiele trotzdem auf so viel Unverständnis?

Gabriel: Letztendlich ist der Fußball unverschuldet in diese Situation geraten. Niemand hat Schuld an der Corona-Pandemie. Für die Corona-Pandemie kann man den Fußball ja nicht verantwortlich machen. Dass der Profifußball genauso wie jede andere Branche versucht, die Geschäftstätigkeit wieder aufzunehmen, ist ihm nicht vorzuwerfen. Zumal ansonsten die Insolvenzen von Traditionsvereinen drohen. Mein Eindruck ist, dass es in der Fanszene ein recht weit verbreitetes Verständnis für das Agieren der Vereine gibt. Für die Zwänge gibt, in denen die Vereine gerade stecken.

Aber?

Gabriel: Aber die aktive Fanszene sieht sich völlig zurecht als Mitgestalter des Fußballereignisses. Daher spricht man von dem zwölften Mann oder und der zwölften Frau. Durch die Geisterspiele wird eine tiefsitzende Angst der Fans berührt, dass sie nicht mehr gebraucht werden. Diese Angst setzt auf viele andere Erfahrungen auf, die die Fans in den vergangenen Jahren mit den Verantwortlichen im Fußball gemacht haben.

Inwiefern?

Gabriel: Oft musste die Fanszene bei den Vereinen sehr stark darum kämpfen, dass sie wahrgenommen, wertgeschätzt und eingebunden werden. Es gab auch falsche Versprechungen. Dadurch entstand ein Misstrauen gegenüber den Fußball-Verantwortlichen. Sie haben das Gefühl, dass sie teilweise gar nicht gewollt sind. Diese Angst verstärkt sich durch die Geisterspiele.

Und deshalb wäre es vielen Fans lieber gewesen, der Fußball würde erst dann wieder stattfinden, wenn Fans wieder in die Stadien dürfen?

Gabriel: Ja, diese Forderung wurde ja auch gestellt. Der Schwachpunkt daran ist, dass niemand weiß, wann der Fußball wieder mit Fans stattfinden kann. Und je länger kein Spielbetrieb stattfinden würde, desto größer ist die Gefahr, dass die Vereine das nicht überleben. 

Viele Fans kritisieren, dass die Fußballvereine schlecht gewirtschaftet haben, sodass sie nun keine Reserven haben. Andererseits haben Fans in den vergangenen Jahren oft gefordert, dass ihre Vereine auf dem Transfermarkt zuschlagen und Geld für gute Spieler bezahlen. Ist die Diskussion etwas scheinheilig?

Gabriel: Das ist natürlich ein gewisser Widerspruch. Diese Diskrepanz in den Erwartungen macht auch die Schwierigkeit der Vereinsverantwortlichen deutlich: Sie sollen erfolgreich arbeiten und investieren, gleichzeitig aber die wirtschaftliche Substanz des Vereins erweitern. Das ist mit der Erwartungshaltung vieler Fans oft nicht in Übereinstimmung zu bringen. Allerdings scheint mir, dass Vereine, in denen auf der Führungsebene wenig Personalwechsel stattfinden, bessere Voraussetzungen haben, sportlich und wirtschaftlich gleichermaßen erfolgreich zu sein. In eine wirtschaftliche Gefahr geraten eher Vereine, bei denen ständig die Strategie verändert wird und die dadurch schneller in Gefahr geraten können. Und das ist etwas, was die Fans nicht möchten.  

Blicken wir noch einmal auf den Spieltag am Wochenende: Wie groß schätzen sie die Gefahr ein, dass versammelte Fans vor den Stadien auftauchen werden?

Gabriel: Ich schätze die Gefahr sehr gering ein. Alle Signale aus der organisierten Fanrichtung sprechen dafür, dass es keine Fan-Ansammlungen geben wird. Die Fans haben sich in den letzten zwei Monaten so verantwortungsvoll verhalten, dass das ein totaler Widerspruch wäre. Man kann natürlich nicht ausschließen, dass es den einen oder anderen Fan individuell in die Nähe des Stadions zieht. Letztendlich könnte auch niemand etwas dagegen sagen, wenn einzelne Personen rund um das Stadion einen Spaziergang machen. Organisierte Fanansammlungen werden wir aber mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht sehen.   

Letzte Frage: Glauben Sie, dass einige Fans sich durch die aktuelle Situation vom Fußball distanzieren werden?

Gabriel: Ich bin zuversichtlich, dass das nicht passieren wird. Für die Fan-Kultur hat das Gemeinschaftserlebnis im Stadion eine Bedeutung, die über den Sport hinausgeht. Daher gehe ich davon aus, dass die aktive Fanszene dem Fußball erhalten bleibt.   

Das Interview führte Oliver Jensen

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