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FC Bayern: Yann Sommer vermehrt in der Kritik - Ex-Profi Jörg Stiel spricht von "absolutem Schwachsinn"

  • Aktualisiert: 21.04.2023
  • 11:32 Uhr
  • ran.de
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Torhüter Yann Sommer steht beim FC Bayern München derzeit massiv in der Kritik. Auch die vergleichsweise geringe Körpergröße für einen Schlussmann wird dabei angeprangert. Der ehemalige Bundesliga-Torhüter Jörg Stiel hat sich im Exklusiv-Interview mit ran zu den Vorwürfen gegen seinen Landsmann aus der Schweiz geäußert.

Torhüter Yann Sommer steht beim FC Bayern München derzeit massiv in der Kritik. Auch die vergleichsweise geringe Körpergröße für einen Schlussmann wird nach vermeintlich haltbaren Gegentreffern in der Champions League gegen Manchester City und in der Bundesliga gegen die TSG Hoffenheim angeprangert.

Der ehemalige Bundesliga-Torhüter Jörg Stiel hat sich im Exklusiv-Interview mit ran zu den Vorwürfen gegen seinen Landsmann aus der Schweiz geäußert.

ran: Herr Stiel, wie groß sind Sie eigentlich?

Stiel: Ich bin 1,78 Meter groß. Im Vergleich zu mir ist Yann Sommer ein Riese (lacht).

ran: Ist es denn wirklich wichtig, als Keeper groß zu sein?

Stiel: Heutzutage würde ich mit meiner Größe vermutlich nicht Profi werden. Da wird vorher schon gesagt, dass man zu klein ist. Bei Weltmeisterschaften sind die Torhüter ja im Schnitt 1,90 Meter groß – die müssen es vermutlich nicht sein, aber mindestens 1,86 Zentimeter groß zu sein, ist schon mal ein Vorteil.

ran: Ist es denn ein Fehler, die kleinen Torhüter schon früh auszusortieren?

Stiel: Natürlich ist das ein Fehler. Im Grundsatz geht es nämlich nicht darum, wie groß jemand ist, sondern mit welcher Technik er ausgerüstet wird. Springt man beidbeinig oder mit einem Bein ab? Hat er durch seinen Oberkörper die nötige Wucht? Das sind die Fragen. Zudem muss man als kleiner Torhüter natürlich das Spiel besser lesen können, weil man es durch Größe nicht ausgleichen kann. Entscheidend ist aus meiner Sicht das Talent.

ran: Sie sagen, ein kleiner Keeper müsse das Spiel besser lesen. Muss ein solcher Torwart also auch intelligenter sein?

Stiel: In diesem Bereich muss man jedenfalls talentierter sein. Je höherklassig man spielt, desto besser muss man die Fußarbeit beherrschen. Das ist mittlerweile viel wichtiger als noch vor 20 oder 30 Jahren. Das Positionsspiel und das Verhalten im Aufbau müssen passen. Man muss quasi als dritter Innenverteidiger parat stehen und so weiter.

ran: Hat Yann Sommer all diese Fähigkeiten?

Stiel: Natürlich hat er die. Er ist ein extrem intelligenter Torhüter und ist beidfüßig. Mit Sicherheit hat er in der Strafraumbeherrschung gewisse Nachteile, da hat er sich in den letzten beiden Jahren schon verbessert. Auf der Linie ist er ohnehin überragend. Über seine Qualität muss man also nicht groß reden. Es gibt nicht allzu viele Keeper in der Bundesliga, die besser sind als er.

ran: Roman Weidenfeller und Dietmar Hamann haben sich sehr kritisch geäußert. Auch über Sommers Körpergröße. Ist das fair?

Stiel: Ich halte das für absoluten Schwachsinn. Allerdings funktioniert auch die heutige Presselandschaft so. Auch die Dinge, die man von Sepp Maier oder Jean-Marie Pfaff liest … 2021 war die EM, da hat man Yann Sommer das Prädikat "Weltklasse" verliehen. Er hatte damals einen wesentlichen Anteil am Erfolg der Schweizer Nationalmannschaft.

ran: Trotzdem wirkt er derzeit nicht so stark.

Stiel: Ich habe Yann auch schon besser gesehen als derzeit bei Bayern, aber ihn so zu kritisieren ist völlig verfehlt. Zumal der FC Bayern als Mannschaft ja auch andere Problemfelder hat. Wenn jetzt die fehlenden Zentimeter angesprochen werden, frage ich mich: Worüber reden wir eigentlich? Es geht doch um Technik und Taktik, nicht um Zentimeter. Dazu kommen die mentalen Aspekte …

ran: Wie meinen Sie das?

Stiel: Schauen Sie sich den Freistoßtreffer von Hoffenheims Kramaric gegen die Bayern an. Ich sage auch, dass Sommer den halten muss. Der Ball war weder wahnsinnig hoch, noch wahnsinnig scharf. Aber da kommen eben die mentalen Aspekte dazu. Yann musste medial viel einstecken und blieb vielleicht deswegen länger stehen – schließlich will er den Ball nicht ins Torwarteck bekommen. Er wartet in der Situation extrem lange und am Ende fehlt ihm dann durch dieses "Nicht-Antizipieren" das entscheidende Stück. Das hat aber nichts mit Zentimetern zu tun.

ran: Ist die Diskussion um die Körpergröße also völlig abwegig?

Stiel: Ich verstehe diese Debatte nicht. Gerade wenn ich dann ehemalige Torhüter höre, die sich kritisch äußern, frage ich mich, ob die alle schon vergessen haben, welche Fehler sie in ihrer Karriere gemacht haben. Gerade Roman Weidenfellers aktive Zeit liegt doch noch gar nicht allzu weit zurück. Bei Jean-Marie Pfaff und Sepp Maier ist die Karriere schon länger vorbei, aber diese Situationen hatte doch jeder von uns Keepern.

ran: Sind die Experten also zu streng?

Stiel: Das hat etwas mit Berufsethik und auch ein bisschen mit Moral zu tun. Die lächerlichste Frage ist in dem Zusammenhang, ob Manuel Neuer solche Bälle gehalten hätte. Einen solchen Schwachsinn habe ich noch nie gehört. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Der Konjunktiv schießt weder Tore, noch hält er Bälle. Alle Beteiligten würden sich einen Gefallen damit tun, sich ein wenig zurückzuhalten. Da sage ich: Solch harte Kritik ist nicht der richtige Weg.

ran: Sie als Schweizer müssen das ja sagen.

Stiel: Das hat damit nichts zu tun. Schauen Sie sich den ersten Spieltag an. Manuel Neuer verspringt der Ball, aber Bayern gewinnt 5:1. Da kritisiert natürlich niemand den Torhüter. Zudem muss man sich doch die gesamte Mannschaft ansehen. Wenn Bayern mit dieser offensiven Kraft gegen Hoffenheim nicht mehr als ein Tor zustande bringt, würde ich lieber das mal hinterfragen. Gegen Manchester war das Defensivverhalten der Münchner – gelinde gesagt – ziemlich schlecht. Das muss man auch betrachten.

ran: Wie wird es im Tor der Bayern im Sommer weitergehen?

Stiel: Manuel Neuer hatte einen Schienbeinbruch. Es ist fraglich, ob er das leistungsmäßig von Tag eins an wieder hinkriegt. Man braucht mitunter sehr lange Zeit und viele Spiele, um wieder in einen Rhythmus zu kommen. So eine Verletzung ist nicht vom Tisch, nur weil sie ausgeheilt ist. Ich weiß nicht, warum Yann Sommers Kritiker ihn so angehen. Er hat alle Chancen auf die Nummer 1.

ran: Kommt diese deutsche Diskussion denn in der Schweiz an?

Stiel: Natürlich kommt die an. Ich finde es richtig, dass Nationaltrainer Murat Yakin seinen Torhüter in Schutz nimmt. Was da in Deutschland gerade passiert, kann es nicht sein. Manche Experten sollten sich mal hinterfragen, ob sie sich überhaupt zu gewissen Themen äußern sollten. Was redet zum Beispiel Didi Hamann über Torhüter? Stand er jemals im Tor? Ich finde das fast schon anmaßend. Ich als ehemaliger Torwart überlege mir auch, ob ich mich zu allen Themen äußern muss. Da fehlt den Kritikern die Demut und der Respekt. Gerade wenn man kein Torhüter war, finde ich das schlimm. Die sollen sich zurückhalten und sich darauf konzentrieren, was sie können. Man muss nicht zu allem etwas sagen.

ran: Was wird Yann Sommer jetzt aus dieser Situation machen?

Stiel: Er ist nicht in einem Tief, ihm fehlt aber vielleicht die Souveränität aus Gladbacher Zeit. München ist nun mal in allen Belangen ein ganz anderes Pflaster. Gladbach ist ein europäischer Traditionsverein, aber Bayern München ist ein Weltklub. Nach so vielen Jahren bei den Fohlen, in denen Yann seinen Status hatte, hat er jetzt in München natürlich Druck. Dass der mit einem Menschen etwas macht, weiß jeder. In Gladbach war es bequemer für ihn.

ran: Wird ihm der Druck zu viel?

Stiel: Er wird sich daran gewöhnen. Ich bleibe dabei: Die überzogene Kritik ist ein Unding. Es muss niemand Hurra rufen, wenn er ein Tor kassiert, aber was sollen diese Angriffe bringen? Yann wird es mit seinem Torwarttrainer besprechen und da rauskommen. Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt.

ran: Wo sehen Sie denn die Probleme der Bayern?

Stiel: Dass jetzt so viele Leute den Mund aufreißen, finde ich schlimm. Es sollten sich auch andere hinterfragen. Wenn ich höre, dass Didi Hamann sagt, Yann Sommer habe Upamecano in Manchester so sehr verunsichert, dass dieser schließlich den Fehler gemacht hat, ist das unnötig. Was für ein Schwachsinn! Upamecano stand im WM-Finale und hat zahlreiche Champions-League-Spiele – was hat denn dann ein Yann Sommer damit zu tun, wenn er den Ball verliert? Da muss man mehr differenzieren und die gesamte Mannschaft in die Pflicht nehmen. Bei all der Kritik an Yann Sommer geht es aber nun mal auch immer um Manuel Neuer – und das ist falsch.

ran: Ist das Thema in München und Deutschland einfach zu politisch aufgeladen?

Stiel: Ich weiß es nicht, da mische ich mich nicht ein. Ich sehe mir die Spiele an und bewerte das, was ich sehe. Ich kenne die internen Dinge nicht, also äußere ich mich nicht. Das unterscheidet mich von denjenigen, die Yann Sommer so harsch kritisieren.

ran: Herr Stiel, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Stefan Kumberger


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