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Gladbach-Spieler Tony Jantschke im ran-Interview

Tony Jantschke über Rose-Abschied: "Habe keinen gesehen, der weinend in der Kabine saß"

  • Aktualisiert: 12.03.2021
  • 12:00 Uhr
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© Getty Images

Kein anderer Spieler im Kader ist so lange bei Borussia Mönchengladbach wie Tony Jantschke. Noch als Jugendspieler kam Jantschke 2006 zum Klub, seit 2009 ist er Profi. Im Exklusiv-Interview mit ran.de spricht der 30-Jährige über die aktuelle Niederlagenserie, über den Abschied von Trainer Marco Rose im Sommer und über Tendenzen in der Gesellschaft, die ihn ängstigen. 

ran.de: Herr Jantschke, wie ist die Stimmung im Team nach der Niederlagen-Serie der vergangenen Wochen? Herrscht Niedergeschlagenheit vor, oder gibt es ein "Jetzt erst recht"-Gefühl?

Tony Jantschke: Ich kann natürlich nicht für alle anderen sprechen, aber bei mir ist die Stimmung so wie immer. Da ändert sich nicht so viel, wenn wir mal eine Phase haben, in der es nicht so gut läuft. Das ist andersherum übrigens genauso. Ich habe als Fußballer ja beides, gute wie auch schlechte Zeiten, etliche Male erlebt. Wichtig ist, dass man sich nicht aus der Ruhe bringen lässt und konzentriert weiter arbeitet.

ran.de: In der Tat haben Sie bei Borussia bedrohlichere Phasen erlebt, etwa den Abstieg 2007, wenn damals auch noch als Jugendspieler, oder den Beinahe-Abstieg 2011. Wo ordnen Sie die aktuelle Situation ein?

Jantschke: Das ist sehr schwer miteinander zu vergleichen. Jede Saison, jedes Jahr hat eigene Herausforderungen. Am Anfang meiner Karriere war es in der Tat der Abstiegskampf, später war es die Relegation, und es gab außergewöhnliche Jahre mit der Champions League und der Europa League. Dann folgten zwei, drei Spielzeiten, in denen wir Achter oder Neunter geworden sind und zuletzt wieder ein fantastisches Jahr mit der erneuten Champions League-Teilnahme. Im Grunde war also fast alles dabei, was man als Profi erleben kann. Deshalb ist die aktuelle Situation für mich auch nichts Besonderes, sondern bloß das, was Profi-Fußball eben auch einmal ausmachen kann, sprich eine schwierigere Phase. Dass die Medien diese Situation trotzdem aufbauschen, ist aber auch klar.

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ran.de: Heftig sind die Reaktionen mancher Fans in den sozialen Medien. Sehen Sie eine zunehmende Verrohung der Sitten?

Jantschke: Ich würde das gar nicht nur auf uns oder den Fußball per se beziehen. Ob Sport, Politik oder Kultur – sobald irgendetwas schief oder in eine andere Richtung läuft, als man selbst es gerne hätte, bricht ein gewaltiger Shitstorm aus. Die traditionellen Medien feuern eine krasse Überschrift nach der anderen heraus, und Social Media reagiert entsprechend darauf. Damit muss man klarkommen, wenn man im Profi-Fußball arbeitet. Aber man ist ja nicht verpflichtet, in den Sozialen Medien vertreten zu sein oder überhaupt nur reinzuschauen. Und ja, das war früher nicht so krass.

ran.de: Macht Ihnen das Sorge?

Jantschke: Ja, diese Entwicklung macht mir schon Sorge. Die Hemmschwelle, die es früher vielleicht einmal gegeben hat, ist durch die im Netz mögliche Anonymität gefallen, und man muss übelste Schimpfworte, Gewaltandrohungen oder Beleidigungen, die auch die eigene Familie betreffen, aushalten. Deshalb befürchte ich in der Tat eine zunehmende Verrohung der Gesellschaft.

ran.de: Sie die Chance auf einen halbwegs versöhnlichen Abschluss der Saison, gerade auch im Hinblick auf die Fans, noch ist ja beinahe ein Drittel zu spielen?

Jantschke: Eben! Und wir versuchen immer das Maximum herauszuholen. Was dabei herauskommt, werden wir am Ende sehen. Aber ich bin nicht bereit, von "versöhnlich" nur dann zu sprechen, wenn ein bestimmter Tabellenplatz erreicht wird. Wir gehen stets ganz bewusst in eine Saison, ohne dass wir vorher beispielsweise die Champions League-Teilnahme als Ziel ausgeben. Dafür werden wir zwar bisweilen belächelt, aber das ist okay. Vergangenes Jahr haben wir gefühlt hinten raus alles gewonnen und am Ende die Champions League erreicht. Jetzt läuft es gerade etwas weniger gut. Trotzdem wäre es völlig falsch, schon einen Haken an die Saison zu machen. Sollte es aber am Ende doch so sein, dass das Ergebnis nicht ganz zufriedenstellend ist, wird man sich zusammensetzen und überlegen, wie man es in der kommenden Saison wieder besser machen kann. So und nicht anders sollte man umgehen mit einer Situation, wie wir sie aktuell erleben.

ran.de: Für manche Fans ist die Entscheidung von Marco Rose, zum BVB zu wechseln, der Grund für diese Situation. Aber kann man es sich wirklich so einfach machen?

Jantschke: Nein, das glaube ich nicht. Der Punkt ist, dass wir Spieler wieder bessere Leistung bringen müssen. Wir sind die, die auf dem Platz stehen und die Spiele gewinnen müssen. Aber seit dem Derby gegen den 1. FC Köln haben wir die Leistungen, zu denen wir fähig sind, nicht abrufen können. Und da gilt es anzusetzen.

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ran.de: Täuscht der Eindruck, dass sich Borussia trotz einiger herausragender Partien, gerade auch in der Champions League, insgesamt schwerer tut, den Fußball der Vorsaison auf den Platz zu bringen?

Jantschke: Das kann durchaus sein. Aber wie gesagt, jede Saison ist für sich zu betrachten. Und es gibt keine Garantie, dass eine Saison gut läuft, nur weil die Vorsaison gut gelaufen ist. Im Übrigen gab es auch damals Phasen, wo es etwas schwieriger war. Da haben wir bisweilen ebenfalls nicht gut gespielt, aber die Ergebnisse stimmten meistens noch. Und Fußball ist nun mal ein Ergebnis-Sport.

ran.de: Hat sich das Gefühl für die Zusammenarbeit mit dem Trainer verändert, seitdem sein Abschied bekannt ist?

Jantschke: Warum sollte das so sein? Ich verstehe nicht, was in der Öffentlichkeit diskutiert und von manchen auch suggeriert wird. Der Trainer hat einen Vertrag bis Sommer. Punkt. Und ganz ehrlich, ich habe bei uns noch keinen gesehen, der weinend in der Kabine gesessen hätte, seitdem der Wechsel bekannt ist. So ist nun mal das Profigeschäft. Überspitzt gesagt: Ich weiß doch auch nicht, ob der, der in der Kabine heute noch neben mir sitzt, in der nächsten Saison auch noch da ist. Vielleicht sage ich vor der Sommerpause zu manch einem "Tschüss, bis in fünf Wochen", sehe den dann aber nie wieder. Deshalb ändert sich aber doch nichts an der aktuellen Arbeitsweise. Und ich habe beim Trainer keine Veränderung feststellen können. Er macht seine Arbeit so, wie er es in den anderthalb Jahren zuvor auch getan hat.

ran.de: Als jemand, der seit 15 Jahren bei Borussia ist – bedauern Sie, dass es keine Gewissheit gibt, ob der Kabinennachbar von heute morgen noch da ist?

Jantschke: Wie gesagt, das ist Profi-Fußball. Okay, Max Eberl, Patrick Herrmann oder auch ich sind schon sehr lange in diesem Verein. Aber es gibt eben auch andere Karrieren. Manche Spieler suchen vielleicht alle zwei Jahre nach einer neuen Herausforderung. Das eine muss aber nicht schlechter sein als das andere. Bloß ist es einer der Gründe dafür, dass ich die Dinge eben immer nur von Saison zu Saison betrachte.

ran.de: Sollte der kommende Trainer eine ähnliche Vorstellung von Fußball mitbringen, wie sie der jetzige hat?

Jantschke: Schwierige Frage. Schon deshalb, weil ich mich damit im Moment gar nicht beschäftigen kann. Wir haben jetzt alle genug damit zu tun, den Karren wieder in Schwung zu bringen. Da ist es mir aktuell schnuppe, welche Philosophie ein neuer Trainer vielleicht haben mag. Darüber kann ich mir im Sommer immer noch Gedanken machen.

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ran.de: Wie sehen Sie Ihre Zukunft bei Borussia, auch nach der aktiven Karriere?

Jantschke: Zunächst mal habe ich im Winter ja für weitere zwei Jahre unterschrieben. Und in diesen zwei Jahren werde ich versuchen, der bestmögliche Spieler für Borussia Mönchengladbach zu sein. In der Tat haben wir aber fixiert, dass ich auch nach meiner aktiven Karriere bei Borussia bleiben werde. Ich halte das für sinnvoll angesichts der langen Zeit, die ich nun schon hier bin. In welchem Bereich das dann sein wird, das werden Max Eberl und ich zu gegebener Zeit besprechen.

ran.de: 17 Jahre als Spieler und dann weitere in anderer Position – was macht Borussia für sie so besonders, dass Ihnen der Verein nie langweilig geworden ist?

Jantschke: Borussia Mönchengladbach ist ein sehr familiärer Klub. Deshalb habe ich mich vor 15 Jahren für Borussia entschieden. Und daran hat sich trotz der vielen Veränderungen in der Gesellschaft an sich, im Fußball und bei Borussia selbst, etwa in Bezug auf die Infrastruktur mit Hotel, 'Fohlenstall' und so weiter nichts, nichts geändert. Die grundsätzliche Philosophie, dass man eine Familie ist, die hat nach wie vor Bestand. Und das ist es, was diesen Klub mit allem, was dazugehört, mit Spielern, Staff, Mitarbeitern, Fans und Sponsoren, ausmacht.

ran.de: Noch mal zu den Fans: Hat man sich mittlerweile daran gewöhnt, vor leeren Rängen zu spielen?

Jantschke: Nein, ich glaube, daran wird sich keiner von uns jemals gewöhnen. So wie es jetzt ist, das ist nicht das, warum man Fußballer geworden ist. Natürlich spielt Geld eine große Rolle. Und doch spielst du vor allem deshalb Fußball, weil du die Emotionen spüren willst, die die Fans auf dich übertragen, wenn du zum Beispiel mal jemanden weggrätschst oder vielleicht sogar ein Tor erzielst. Klar, man macht seinen Job, so gut man kann, auch ohne Fans. Aber sich daran gewöhnen? Niemals!

ran.de: Ist es aktuell nicht vielleicht sogar ganz gut, dass die Fans buchstäblich außen vor sind?

Jantschke: Ich verstehe worauf Sie hinaus wollen, aber ich persönlich sehe es eher als Nachteil. Gerade, wenn es mal nicht läuft, kann ein bisschen Feuer von außen, von den Rängen, etwas bewirken. Wie man damit letztlich umgeht, liegt wohl in der jeweiligen Persönlichkeitsstruktur. Grundsätzlich bleibe ich aber dabei: Jeder, der ein Freund des Fußballs ist, will die Fans wieder im Stadion sehen!

Das Interview führte Andreas Kötter

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