Mesut Özil am Tiefpunkt: Ab wann ging eigentlich alles schief?
- Aktualisiert: 24.03.2022
- 21:21 Uhr
Mesut Özil ist ein begnadeter Fußballer. Obwohl der Weltmeister von 2014 erst 33 Jahre alt ist, geht es mit seiner Karriere jedoch schon seit Jahren bergab. Die Suspendierung bei Fenerbahce Istanbul ist der bisherige Tiefpunkt. Wie es mit Özil weitergeht, ist völlig offen.
München - Die Geschichte ist legendär.
Ein Hotel-Mitarbeiter lieferte Anfang der 1970er-Jahre Champagner auf das Zimmer von George Best. Als der Fußballer die Tür öffnete, erblickte der Zimmerbursche leere Flaschen und zahlreiche Geldscheine auf dem Boden, die Best im Casino gewonnen hatte. Auf dem Bett saß eine spärlich bekleidete frühere Miss World.
Nachdem der Hotel-Bedienstete von Best ein üppiges Trinkgeld erhalten hatte, konnte er sich einen Kommentar nicht verkneifen. Er schüttelte den Kopf und fragte: "Where did it all go wrong, Georgie?".
Nun ist es sicher nicht fair, den dem Alkohol verfallenen, extrovertierten Superstar George Best mit Mesut Özil zu vergleichen. Doch gewisse Parallelen lassen sich einfach nicht von der Hand weisen. Wie Best verfügt auch Özil über ein fußballerisches Talent, dass ihn befähigen müsste, einer der besten Spieler der Welt zu sein. Spieler wie Lionel Messi und Cristiano Ronaldo, die besten ihrer Generation, sollten eigentlich der Maßstab sein.
Fenerbahce Istanbul sortiert Mesut Özil aus
Doch die Karriere von Özil befindet sich seit Jahren in einem steilen Sinkflug. Mit gerade einmal 33 Jahren scheint er nun am Tiefpunkt angekommen zu sein. Am Mittwoch wurde der Mittelfeldspieler bei Fenerbahce Istanbul aus dem Kader gestrichen, die genauen Gründe dafür sind noch nicht bekannt. Türkische Medien spekulieren über einen Streit mit Trainer Ismail Kartal.
Ab wann ist eigentlich alles schiefgegangen, Mesut? Die Frage hat durchaus ihre Berechtigung.
Tatsächlich scheinen bei Özil der Karrierehöhepunkt und der Beginn des Abstiegs zeitlich relativ nah beieinander zu liegen. Nämlich irgendwann im Sommer 2014, als Özil mit der Nationalmannschaft in Brasilien die Weltmeisterschaft gewann und in allen sieben Spielen in der Startelf stand. Auch wenn Özil aus Löws Mannschaft nicht wegzudenken war, drückte er dem Turnier nicht so sehr seinen Stempel auf, wie man es vielleicht hätte erwarten können.
Externer Inhalt
Özil reiste als Top-Vorlagengeber der Premier League zur WM 2014
Schließlich reiste Özil als Top-Vorlagengeber der Premier League nach Brasilien. Im Jahr zuvor war er von Real Madrid zum FC Arsenal gewechselt, eine Ablösesumme von geschätzten 50 Millionen Euro machten ihn zum damals teuersten Spieler der Klubgeschichte. Der Hype um Özil in London war riesig, schließlich war der Linksfuß in Madrid ein Fixpunkt der Mannschaft und spanischer Meister und Pokalsieger geworden. Als Real ihn überraschend nach London verkaufte, beschwerte sich Cristiano Ronaldo höchstpersönlich, dass die Königlichen seinen bevorzugten Assistgeber ziehen ließen.
Bis zu diesem Zeitpunkt war es für Özil nur bergauf gegangen. Aus Schalkes Jugend hatte er es in das Bundesliga-Team geschafft, nach Unstimmigkeiten bei den Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung wechselte Özil im Januar 2008 zu Werder Bremen. Unter Thomas Schaaf wurde er zu einem der besten Spielmacher der Bundesliga und zum Nationalspieler. Bei der WM 2010 und bei der EM 2012 bereitete Özil jeweils die meisten Treffer vor.
Einen ersten Knick gab es im Herbst 2014, als Özil wegen einer Knieverletzung mehrere Monate aussetzen musste. Auch wenn er mit Arsenal zum zweiten Mal den Pokal gewann, war die zweite Saison in England nicht mehr so gut wie die erste. In der Saison 2015/2016 bereitete der Linksfuß zwar 20 Tore für die Gunners vor, doch zu diesem Zeitpunkt begannen private Probleme mehr und mehr das Geschehen auf dem Platz zu überstrahlen.
WM 2018: Özil fühlte sich als Sündenbock und trat zurück
Özil wurden von seinem Vater und Berater Mustafa verklagt, die Trennung von Ex-Freundin und Pop-Star Mandy Capristo nach der WM 2014 sorgte ebenfalls für Schlagzeilen. Zwei Jahre später ermittelten dann die spanischen Steuerbehörden gegen den Mittelfeldspieler. Im Vorfeld der WM 2018 führte schließlich ein Foto mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Erdogan zu einer wohl einmaligen Kontroverse in der Geschichte des DFB.
Sportlich lief es längst nicht mehr rund, die Leichtigkeit seines Spiels war Özil abhandengekommen. Nach der völlig missratenen WM in Russland und heftiger, teilweise überzogener öffentlicher Kritik fühlte er sich als Sündenbock und trat aus dem Nationalteam zurück.
Fast zeitgleich geriet der Linksfuß bei Arsenal auf das Abstellgleis. Im Sommer 2018 löste Unai Emery Langzeit-Coach Arsene Wenger ab, der neue Trainer konnte mit dem sensiblen Spielmacher nichts anfangen. Immer seltener war der Weltmeister auf dem Platz zu sehen, stattdessen widmete sich Özil offenbar intensiv dem Online-Shooter "Fortnite".
Die Erwartungen nach dem Wechsel zu Fenerbahce Instanbul waren riesig
Zum letzten Mal für Arsenal auf dem Platz stand Özil im März 2020, in der Saison 2020/21 schaffte er es nicht mal in den Kader der Gunners. Als er im Januar 2021 dann zu Fenerbahce wechselte, schien endlich zusammenzufinden, was zusammengehört. Der verlorene Sohn und seine Heimkehr in die Türkei, die Erwartungen waren einmal mehr riesig. Begeisterte Fans erwarteten ihn am Flughafen.
Seine Leichtigkeit hat Özil aber auch am Bosporus nicht wiedergefunden, die Erwartungen konnte er nicht erfüllen. Das steht spätestens nach seiner Suspendierung am Mittwoch fest. Wie es mit ihm nun weitergeht, ist völlig offen.
Aber selbst wenn sich die Wege von Mesut Özil und Fenerbahce dauerhaft trennen sollten, selbst wenn er keinen neuen Verein finden sollte, wäre er sicher nicht gescheitert. Dafür hat Özil in seiner Karriere einfach viel zu viel erreicht und gewonnen. Und doch ist da das Gefühl, dass noch sehr viel mehr möglich gewesen wäre. Ganz ähnlich wie bei George Best.
Ab wann ist eigentlich alles schiefgegangen, Mesut? Die Frage hat durchaus ihre Berechtigung.
Christian Stüwe
Du willst die wichtigsten Fußball-News, Videos und Daten direkt auf Deinem Smartphone? Dann hole Dir die neue ran-App mit Push-Notifications für Live-Events. Erhältlich im App-Store für Apple und Android.