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U21-Junioren-Weltmeister

Handball U21-WM: Stefan Kretzschmar: "Die perfekte Einleitung ins Jahrzehnt des Handballs"

  • Aktualisiert: 03.07.2023
  • 20:27 Uhr
  • ran.de / Marie Schulte-Bockum
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Deutschland ist U21-Weltmeister im Handball.  Das Team um MVP Nils Lichtlein und Torwart David Späth reißt vor allem die jungen Fans mit. Mit ran spricht DHB-Legende Stefan Kretzschmar über das nun angestoßene "Jahrzehnt des Handballs".

Von Marie Schulte-Bockum

ran: Herr Kretzschmar, wie haben Sie den WM-Sieg unserer U21-Nationalmannschaft erlebt?

Stefan Kretzschmar: Live vor Ort in der Berliner Max-Schmeling-Halle. Die war ausverkauft, es war überragend, wie viele junge Leute und Kinder in der Halle dabei waren. Dieses Spiel war eine Chance für unsere Sportart, sich einem jüngeren Publikum zu präsentieren. Von der Vorrunde in Hannover und Magdeburg bis nach Berlin - das hat die Mannschaft super gemacht. Viele Kinder sind in die Hallen geströmt. Es hat mich gefreut, wie wir so viele junge Leute erreichen und begeistern konnten. 

ran: Gut für die Stimmung in Deutschland war wohl auch der Erfolg der eigenen U21, oder?

Kretzschmar: Dieses Team hat seine Visitenkarte abgegeben. Die U21 ist für unsere Sportart ein großartiges Aushängeschild. Sie sind Weltmeister geworden, aber speziell die Art und Weise hat überzeugt. Die Werte, die das Team verkörpert hat: Kampf, Identifikation, Wille, Leidenschaft, Freude miteinander und absoluter Teamgeist. Diese Qualitäten haben die Fans  begeistert. 

ran: Deutschland wurde als Team Weltmeister, hat aber auch individuell bei den Einzelpreisen abgeräumt. Torwart David Späth, Kreisläufer Justus Fischer und Regisseur Nils Lichtlein wurden in die All-Star-Auswahl der ganzen WM berufen, Lichtlein gar als MVP ausgezeichnet. Sehen wir die drei schon bald in der A-Nationalmannschaft?

Kretzschmar: Grundsätzlich hätte man fast die ganze Mannschaft individuell auszeichnen können. Ob jetzt Tim Freihöfer und Florian Krantzmann auf linksaußen, Renars Uscins auf halbrechts oder Mathis Häseler auf rechtsaußen: Es kamen ganz viele Spieler für individuelle Auszeichnungen in Frage. Herausgeragt hat sicherlich das Torhüter-Gespann aus Lasse Ludwig und David Späth, der im Finale herausragend gehalten hat. 

ran: Späth war Deutschlands Held im Finale, sein Name ist jetzt in aller Munde. 

Kretzschmar: Späth bringt diese Emotionalität mit, die die Leute abholt und mitnimmt. Er  ist mit Sicherheit einer, der auch in Alfred Gislasons A-Nationalmannschaft eine Rolle spielen kann.

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David Späth will auf den EM-Zug aufspringen
News

U21-Weltmeister hoffen auf Heim-EM

Nach ihrem Sturm auf den WM-Thron feiern Deutschlands U21-Handballer eine wilde Party - und sie schielen auf die Heim-EM der Männer im Januar.

  • 03.07.2023
  • 09:33 Uhr

ran: Die internationale Konkurrenz im Handball ist enorm hoch, gerade  in der Jugend. Doch unsere U21 ist Weltmeister geworden! Was war das Erfolgsrezept vom Trainerteam um Chefcoach Martin Heuberger?

Kretzschmar: Deutschlands Prunkstück war die bärenstarke Abwehr. Der Innenblock aus Christian Wilhelm und Justus Fischer hat eine unfassbare Beinarbeit geleistet, hohe körperliche Bereitschaft gezeigt. Fischer hat fast das ganze Turnier durchgespielt, das war eine große Energieleistung. Die Abwehr im Allgemeinen war die Grundlage für alles andere. Wille, Leidenschaft, Bereitschaft - das hat die Defensive in nahezu jedem Spiel gezeigt. 

ran: Und was sagen Sie zur Offensive der U21?

Kretzschmar: Unsere Stärke war die Breite. Es waren immer andere, die dem Spiel ihren Stempel aufgedrückt haben. Wir konnten adäquat wechseln - jedes Mal kam einer rein, der internationale Qualität hat. Der Rückraum der ersten Sieben mit Niclas Heidkamp, Nils Lichtlein und Renars Uscins hat durch die Bank weg ein starkes Turnier gespielt. Die drei haben im Zusammenspiel mit Justus Fischer am Kreis gute Lösungen gefunden. Lichtlein ist verdient zum besten Spieler der ganzen WM gewählt worden. 

ran: Wo sehen Sie die deutsche Mannschaft im internationalen Vergleich?

Kretzschmar: Man muss schon sagen, dass wir den meisten Nationen tatsächlich voraus sind. Daher wurden wir in meinen Augen dann auch zurecht Weltmeister. Die Mannschaft hat den WM-Titel deutlich und souverän gewonnen. Das deutsche Spiel hatte viel Struktur. Wenig Gerammel, wenig Eins-gegen-Eins, sondern gute Spielzüge und gute Taktiken. 

ran: Nils Lichtlein von den Füchsen Berlin ist nicht nur Turnier-MVP, sondern auch Linkshänder. Deutschland hatte sogar vier Linkshänder im Kader. Ist das beim Handball von Vorteil?

Kretzschmar: Das ist eine ganz allgemeine Frage. Diese vier Linkshänder, die wir mit Lichtlein, Uscins, Scholtes und Beneke haben - das ist dann schon eine Stärke. Sie haben unser Angriffsspiel mitgestaltet und dominiert. So viele Linkshänder hatten wir in Deutschland nicht immer, da können wir froh sein. 

ran: Wo liegt konkret der taktische Vorteil, beziehungsweise, wo spielen die Linkshänder?

Kretzschmar: Rein taktisch gesehen ist die halbrechte Position oder die des Rechtsaußens für Linkshänder gut geeignet. Nils Lichtlein war aber auch auf der Rückraum-Mitte-Position als Linkshänder unheimlich wichtig. Und überhaupt: Linkshänder gibt's bekanntlich weniger auf der Welt. Entsprechend selten sind die Talente mit den Voraussetzungen für diese Positionen. Deutschland hatte mit Elias Scholtes und Max Christoph Beneke noch zwei Linkshänder hinter Uscins, die auch internationales Niveau haben. 

ran: Spricht der Erfolg der deutschen U21 für die Qualität der Handball-Bundesliga? 

Kretzschmar: Mit dem WM-Titel der U21 geht für die Handball-Bundesliga eine unglaubliche Saison zu Ende. Die Füchse Berlin haben die European League gewonnen und der SC Magdeburg hat dann zur Krönung die Champions League gewonnen. Magdeburg ist im vergangenen Herbst sogar Klubweltmeister geworden. Das ist ein Gütesiegel für die Handball-Bundesliga

ran: Muss man die deutsche Nationalmannschaft und die Handball-Bundesliga getrennt betrachten? 

Kretschmar: Dass die U21 Weltmeister ist, steht auf einem anderen Blatt. Aber es zeugt auch davon, dass wir hier sehr gute Nachwuchsarbeit leisten. In erster Linie in den Nachwuchsleistungszentren. Aber auch dank der vielen ehrenamtlichen Jugendtrainer, die in den kleineren Vereinen einen guten Job machen. Sie sind ein Synonym dafür, dass Deutschland Handballland ist. Der Deutsche Handball-Bund ist mit über 700.000 Mitglieder der größte Handball-Verband der Welt. Wir haben den Verband lange kritisiert, aber jetzt trägt die Investition in den Nachwuchs seine Früchte.

ran: Gibt es Bundesliga-Klubs, deren Nachwuchsarbeit besonders heraussticht?

Kretzschmar: In der deutschen U21 waren sechs Spieler der Füchse Berlin dabei. Ich muss daher Bob Hanning erwähnen, der im Nachwuchs der Füchse Berlin einen ganz großen Anteil am Erfolg hat. Die Handball-Akademie der Füchse ist sein Baby. Er hat die Berliner Akademie über viele Jahre hinweg aufgebaut. Er hat selber Jahre lang jeden Morgen um 7 Uhr, noch vor seinem Berufstag, die A-Jugend trainiert. 

ran: Wie kommen junge Talente überhaupt in die Nachwuchsleistungszentren?

Kretzschmar: Unsere Basis sind ganz klar die Ehrenamtlichen. Die Leute, die das mit so viel Leidenschaft und Überzeugung machen, weil Handball für sie der geilste Sport der Welt ist. Die unteren Ebenen werden oft vergessen. Dabei beginnt die Nachwuchsarbeit in den Schulen, in der F- und E-Jugend. Diese kleinen Kinder vom Handball zu überzeugen: Das ist die Basis, die gerade jetzt gewürdigt werden muss. Und diese Basis bilden die Ehrenamtlichen. 

ran: Waren in der Siegergruppe der U21-WM denn auch Spieler aus kleinen Klubs oder Handball-untypischen Regionen dabei?

Kretzschmar: Wenn du siehst, wo die alle herkommen, die am Sonntag Weltmeister geworden sind! Die kommen ja nicht alle aus Berlin, aus Kiel oder Mannheim. Da sind welche aus Würzburg und Baden-Baden dabei, das sind keine Handball-Metropolen. Aber dort wird der Nachwuchs von Ehrenamtlichen im Verborgenen groß geschrieben, gepflegt und gehegt. 

ran: Der Fußball ist in der Sommerpause, die deutsche A-Nationalmannschaft und -U21 haben zuletzt enttäuscht. Ist das auch eine Chance für den deutschen Handball, ein paar neue Fans vom Fußball abzuwerben?

Kretzschmar: Wenn ich sehe, dass unsere Handball-U21-Nationalmannschaft am Tag nach dem Finale bei der "Bild" auf der Titelseite ist: Ich finde das großartig. Natürlich sehen wir auch, was im Fußball passiert, dass es dort bei der Nationalmannschaft gerade nicht so läuft. Normalerweise scheue ich den Vergleich zum Fußball. Wir haben ja genug Selbstbewusstsein, unsere eigene Sportart zu promoten, ohne uns andauernd mit dem großen Bruder zu vergleichen. Aber dieser U21-Titel ist die Einleitung des Jahrzehnts des Handballs. Dieser Erfolg ist unser Startschuss.

ran: Dem Deutschen Fußballbund (DFB) graut es vor der Heim-WM 2024. Aber die Handball-EM 2024 daheim kommt eigentlich gerade recht, oder?

Kretzschmar: Wir haben im Januar 2024 die Europameisterschaft der Männer im eigenen Land. Wir haben 2025 die WM der Frauen im eigenen Land. Wir haben 2027 die WM der Männer im eigenen Land und, und, und! Das macht uns  sehr optimistisch.

ran: Wie praktisch, dass kurz vor den anstehenden Heim-Turnieren der Männer-Nachwuchs glänzt!

Kretschmar: Ich habe so viele Zuschriften bekommen, wie sympathisch unsere U21-Mannschaft rüberkommt, was die Jungs für Werte verkörpern. Die Menschen schätzen das. Unsere U21-Männer sind großartige Botschafter für unsere Sportart. Sie haben dem deutschen Handball einen Riesen-Gefallen getan. Das ist die perfekte Einleitung in das Jahrzehnt des Handballs. 


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