Deutschlands Keeper in Bestform
Handball-WM 2019: Der unbequeme Wolff dreht auf
- Aktualisiert: 22.01.2019
- 15:12 Uhr
- ran.de
Bei Großereignissen blüht Andreas Wolff regelmäßig auf. Der Torwart ist längst das Gesicht des deutschen Handballs - gerade auch weil er sein Herz immer auf der Zunge trägt.
München - Dieser Mann bringt die Gegner zur Verzweiflung. Torwart Andreas Wolff ist einer der Hauptgründe dafür, dass die deutsche Nationalmannschaft bereits nach zwei Hauptrundenspielen vorzeitig das Halbfinal-Ticket bei der WM 2019 gelöst hat. Gegen Island parierte der 27-Jährige unglaubliche zwölf Würfe. Auch gegen die Kroaten waren seine sieben Paraden mitentscheidend.
Der Held der EM 2016
Große Turniere scheinen dem Torhüter zu liegen. Bereits bei der siegreichen Europameisterschaft 2016 war Wolff der überragende Mann zwischen den Pfosten, wurde daher auch in das Allstar-Team des Turniers gewählt und mutierte zum neuen Gesicht des deutschen Handballs.
Ein Grund für seine Popularität: Wolff lebt seine Emotionen frei aus, bejubelt seine Paraden zum Beispiel mit geballten Fäusten und einem lauten Freudenschrei. "Andi ist extrovertiert und macht die Halle zu seiner Bühne. Er explodiert und die Halle explodiert", sagt DHB-Co-Trainer Alexander Haase in der "Handballwoche".
Externer Inhalt
Medientermine mit Neuer und Klitschko
Kein anderer aktiver Handballspieler ist in den deutschen Medien so präsent wie der Schlussmann. Er trat in Fernsehshows wie "Schlag den Star" oder der Quiz-Show "Wer weiß denn sowas?" auf, hatte gemeinsame Medientermine mit Superstars anderer Sportarten wie zum Beispiel Manuel Neuer oder Wladimir Klitschko.
Der Torhüter nimmt bereitwillig seine Rolle in der Öffentlichkeit an. Nicht nur weil er gerne im Scheinwerferlicht steht, sondern weil er auch seiner Sportart damit einen Dienst erweist: "Das ist unglaublich wichtig, um den deutschen Handball wieder nach vorne zu bringen. So hat man nicht nur einen Stefan Kretzschmar als Gesicht unseres Sports, sondern vielleicht auch meins."
Immer nach dem Maximum streben
Genauso wie Handball-Legende Kretzschmar ist auch Wolff jemand, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält. Offen sagt er, "der beste Torhüter der Welt" sein zu wollen, strebt immer nach dem Maximum.
Ein gutes Beispiel: Als Wolff 2016 zum THW Kiel kam und Trainer Alfred Gislason aufgrund des Umbruchs den Titeldruck senken wollte, posaunte Wolff bei der gleichen Pressekonferenz nur wenige Minuten später raus, das Triple holen zu wollen. Es interessiert ihn herzlich wenig, was andere Menschen über seine Ansichten denken - er spricht sie einfach aus.
Dazu passt auch, dass er nach dem Sieg gegen Kroatien, als im Hintergrund Fans und Spieler noch euphorisch feierten, im "ZDF" die "blöden Fragen" kritisierte, die sich sein kroatischer THW-Mannschaftskamerad Domagoj Duvnjak gefallen lassen musste.
Beim THW Kiel zeitweise nur Ersatz
Trotz seiner Qualitäten liefen die letzten Jahre für Andreas Wolff nicht immer rund. Mag er bei der deutschen Nationalmannschaft die unumstrittene Nummer 1 sein, so verkam er bei seinem Verein THW Kiel zeitweise zum Bankdrücker. Speziell in den wichtigen Partien bekam der dänische Nationaltorhüter Niklas Landin oft den Vorzug - sehr zum Missfallen von Wolff.
Der Torhüter legte sich vor eineinhalb Jahren nach gescheiterten Vertragsverhandlungen öffentlich mit dem damaligen Geschäftsführer Thorsten Storm an, unterschrieb zudem fast zwei Jahre im Voraus einen ab Sommer 2019 gültigen Vertrag beim polnischen Spitzenverein KS Kielce.
Wolff winkt Gehaltssprung in Kielce
In Polen dürfte er deutlich mehr kassieren als die geschätzten 20.000 Euro, die er beim THW als Monatsgehalt einstreichen soll. Auch wenn Wolff natürlich sportliche Gründe für den Wechsel anführte: "Das ist ein unglaubliches Projekt in Kielce. Mit dieser starken Mannschaft will ich spielen und Erfolge einfahren. Hier wird Handball mit Herzblut gespielt."
Die Klarheit über seine Zukunft hatte einen positiven Nebeneffekt: Er konnte sich seitdem voll auf den Handball fokussieren, zeigte im Verein konstantere Leistungen und bekam beim THW wieder mehr Einsätze.
Als Weltmeister nach Polen?
Gerne würde er in einem halben Jahr als frischgebackener Weltmeister nach Kielce kommen.
Dass speziell die Defensivabteilung der deutschen Nationalmannschaft die Qualität dafür mitbringt, steht außer Frage. Der Innenblock, praktisch das Herzstück der Verteidigung, zählt mit Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler zu den besten der Welt - zumal Wolff beide vom THW Kiel kennt und daher mit ihnen eingespielt ist.
"Er macht Bewegungen, die nicht jeder macht"
Wenn doch ein Gegenspieler an der Abwehr vorbeikommt, ist Wolff mit seiner unorthodoxen Spielweise zur Stelle. Mattias Andersson, sein Torwarttrainer beim THW Kiel, sagt: "Andreas arbeitet mit seiner Größe, agiert spektakulär, ist unglaublich schnell bei den Hüftbeugen, setzt seine langen Beinen gut ein und macht Bewegungen, die nicht jeder Torwart macht."
Selbst sein dänischer Vereinskollege Landin, vielleicht der beste Torwart der Welt, findet bei Wolff Qualitäten, die er selber gerne hätte: "Seine Aggressivität bei Siebenmeter-Würfen ist super. Er macht sich groß und nutzt seine Arme und Beine richtig gut."
Es ist also davon auszugehen, dass Wolff bei dieser WM noch einige Gegner zur Verzweiflung bringen wird.
Oliver Jensen
Die komplette Handball-WM der Männer gibt es live und on demand auf Sportdeutschland.TV. Alle Informationen, Highlights und Livestreams rund um die WM sind hier zu finden: http://sportdeutschland.tv/wm-maenner-2019