Von der Idee bis heute: Die Geschichte der Extreme E
Die Geschichte der Extreme E
Die Extreme E (live auf ProSieben MAXX und ran.de) trägt 2022 ihre zweite Saison aus. Die Rennserie für Elektro-SUVs hat eine bewegte - und rasante - Entwicklung hinter sich. ran blickt auf die Geschichte der Extreme E, von der Idee bis heute.
Wie alles begann
Ohne ihn wäre die Extreme E nicht denkbar: Alejandro Ajag hat schon die Formel E entwickelt und zum Erfolg geführt, und überhaupt könnte die Vita des Spaniers kaum beeindruckender sein. Als Politiker saß der studierte Betriebswirtschaftler im Parlament seines Heimatlandes sowie im Europa-Parlament, später dann machte er als Unternehmer Karriere, nicht zuletzt mit seinem Engagement im Formel-Rennsport.
Schrittmacher Formel E
Mit der Formel E (live auf ProSieben und auf ran.de) konnte Agag seine Vision einer Rennserie ohne Verbrennungsmotoren bereits verwirklichen. Mittlerweile befindet sich die Rennserie, die auf Stadtkursen ausgetragen wird, bereits in ihrer siebten Saison und darf jetzt den Namen ABB FIA-Formel-E-Weltmeisterschaft tragen. Und doch war dem Spanier der sich anbahnende Erfolg längst nicht genug. Was Agag noch fehlte, war ein Schock-Effekt bei den Zuschauern vor den Fernsehschirmen. Der Moment, in dem sie sehen würden, was der Mensch der Natur (an den späteren Austragunsgorten) in den vergangenen Jahrzehnten angetan hat.
"Elon Musk des Motorsports"
Agag weiß aus dem Effeff, wie Politik, Wirtschaft und Sport funktionieren, und dass die größten Visionen nichts sind ohne entsprechende Überzeugungskraft. Über die verfügt der eloquente Spanier ebenso wie über das nötige Durchsetzungsvermögen, das zeigt der Erfolg der Formel E eindrucksvoll. Erfolg, der Agag in den Medien die Spitznamen "Elon Musk des Motorsports" und "Bernie Ecclestone der Elektromobilität" eingebracht hat.
Die Motivation des Machers
"Die Menschheit hat ein Problem. Es ist wirklich dumm, was wir unserer Umwelt antun. Dafür will ich mich einsetzen, weil der Planet für Menschen schon bald nicht mehr bewohnbar sein wird", so Agag (hier mit Leonardo DiCaprio) 2019 im Gespräch mit dem Online-Portal "4X4Schweiz". Agag, der beseelt ist vom Gedanken, die Menschen für die wohl größte Krise der Erdgeschichte zu sensibilisieren, weiß, dass aufregender, leidenschaftlicher Rennsport das nahezu perfekte Medium ist, um dieses Ziel zu erreichen.
Elektromobilität als Mittel zum Zweck
Schon Mitte 2017 war in Agag und seinem Freund und Partner Gil de Ferran (Foto), einem früheren Indianapolis-Sieger, die Idee gereift, mit der Extreme E eine radikal gedachte Gelände-Elektrorennserie an den durch den Klimawandel gefährdetsten Orten der Welt auszurichten. Elektromobilität ist für den Unternehmer aber kein Selbstzweck. Vielmehr sieht er darin das Mittel der Wahl, um dem Klimawandel auf breiter Front etwas entgegenzusetzen. "Ich war schon immer sehr daran interessiert, diese Technologie voranzutreiben und umweltfreundliche Lösungen für Transport und Verkehr zu finden, die einen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten", erklärt Agag.
RMS St. Helena
Zunächst kaufte Agag das ehemalige britische Postschiff RMS St. Helena. Während der Saison bringt die St. Helena die gesamte Crew, Fahrzeuge und Equipment an die jeweiligen Austragungsorte und dient dort jeweils als schwimmendes Fahrerlager.
Extrem und radikal
Weiter und radikaler hat E-Rennsport noch niemand gedacht: Die Extreme E, die den Anspruch von Radikalität in gewisser Weise schon im Namen trägt, findet in einigen der extremsten Regionen der Erde statt, etwa in Grönland, Saudi-Arabien, Argentinien und im Senegal. Das aber geschieht nicht aus Geltungssucht, sondern um die Folgen des Klimawandels und der Umweltzerstörung - schmelzende Eiskappen, rasant schwindende Gletscher, Wüstenbildung, Abholzung des Regenwaldes sowie ein stetig steigender Meeresspiegel und die Vermüllung der Meere durch Plastik - für jeden sichtbar zu machen.
Dorthin gehen, wo es weh tut
Die Arktis, die Wüste der Sahara oder der Amazonas-Regenwald - im doppelten Sinne geht die Extreme E dorthin, wo es weh tut. Denn Schmerzen bereiten wird es den Pilotinnen und Piloten ganz sicher, an diesen extremen Orten um den Sieg zu kämpfen. Und weh tun auch die extremen Bilder, die den Zuschauern vor den TV-Geräten die bittere Wahrheit über die stetig voranschreitende Umweltzerstörung live und als Doku-Serie ins Wohnzimmer bringen. Verantwortlich für diese Bilder: der US-Schauspieler, -Regisseur und -Produzent Fisher Stevens (Foto), dessen Produktion "Die Bucht", ein Doku-Ökothriller über die mehr als fragwürdigen Umstände der grausamen Delfin-Jagden japanischer Fischer, 2010 den Oscar als bester Dokumentarfilm gewann.
Bewusstsein schaffen
"Anders als die Formel E, die in Städten stattfindet, gehen wir mit der Extreme E an die am meisten zerstörten Orte auf unserem Planeten", sagt Agag. "Es ist also nicht so, dass wir durch die Natur heizen und diese zerstören. Nein, wir gehen dorthin, wo der Wald bereits zerstört ist. Wir wollen das Bewusstsein der Öffentlichkeit schärfen. Und nehmen wir unser Rennen am Küstenabschnitt von Senegal: Dort werden wir nach dem Rennen den Strandabschnitt von Unrat und Plastikmüll befreien." Das sei zwar immer noch zu wenig, so Agag, aber "wenigstens ein Anfang".
Ein positives Vermächtnis
"Wir wollen und werden nicht zerstören, sondern aufbauen. Die Rennen hinterlassen keine ökologischen Spuren, dafür aber ein Erbe, das auf den jeweiligen Ort zugeschnitten ist. Im Amazonasgebiet forsten wir beispielsweise jedes Jahr Bäume auf", so Agag. "Wenn wir in die Arktis gehen, können wir die arktische Eiskappe leider nicht wieder aufbauen. Aber wir werden die grönländische Regierung dabei unterstützen, die Bevölkerung mit hundert Prozent erneuerbarer Energie zu versorgen. Wir hinterlassen keine Spuren, sondern ein positives Vermächtnis. Das ist die Mission der Extreme E."
Politische Überzeugungsarbeit
Klimaneutrale Rennen in der Wüste, in der Arktis, im Regenwald, um den Menschen zu zeigen, wie weit die Zerstörung der Umwelt schon fortgeschritten ist - auf dem Papier eine überzeugende Idee. Aber würden die entsprechenden Regierungen auch mitspielen? Hier war Agag als Politiker gefragt. Und auch hier war er erfolgreich. "Wir waren überrascht, wie offen die Regierungen sind. Die Resonanz ist fantastisch", freut sich der Spanier 2019 in einem Interview. "Wir stellten fest, dass die betroffenen Länder ihre Probleme nicht verbergen wollen - im Gegenteil, sie wollen aktiv Hilfestellungen zu Lösungen bieten."
Umweltschutz und Gleichstellung
Die Extreme E ist also mehr als nur ein weitere Elektro-Rennserie. Jedes Rennen soll ein lauter Aufschrei gegen die Umweltzerstörung sein. Aber noch etwas treibt Agag an: die Gleichstellung von Männern und Frauen. Deshalb besteht jedes der zweiköpfigen Teams aus einer Pilotin und einem Piloten. Für Team X44 von Besitzer Lewis Hamilton zum Beispiel starten Rallye-Rekordweltmeister Sebastien Leob und Cristina Gutierrez (Foto). Die Spanierin konnte bei der Rallye Dakar in der Kategorie "Lightweight Vehicles" im Januar das Auftaktrennen gewinnen. Damit ist sie die erste Dakar-Etappensiegerin seit Jutta Kleinschmidt 2005.
Ein starker Partner
"Gemeinsam ist man stärker", das gilt auch für die Extreme E. Mit Continental konnte ein starker Partner gewonnen werden, der alle Fahrzeuge der Rennen für die unterschiedlichen und anspruchsvollen Einsätze ausrüstet. Für Agag ein wahrer Glücksfall: "Wir sind sehr dankbar für das Engagement von Continental. Nicht nur, weil sich das Unternehmen uns schon sehr früh als Gründungspartner angeschlossen hat, sondern auch, weil wir dieselbe Sicht haben auf das, was in diesem Augenblick mit dem Planeten geschieht." Man sei sich einig, "dass jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten Verantwortung übernehmen muss, um die anstehenden Herausforderungen für mehr Nachhaltigkeit gemeinsam zu bestehen", so der Extreme-E-Chef.
"Dream-Team" hinter den Kulissen
Unsere westliche Gesellschaft ist eine "Celebrity Society", das weiß Agag. Heißt: Je bedeutender die Namen sind, die für eine Sache stehen, desto größer ist die Aufmerksamkeit, die dieser Sache zuteil wird. Und größere Namen als die, die sich für die Extreme E stark machen, hätten Agag und Co. wohl kaum mit ins Boot holen können. "Ich bin fest davon überzeugt, dass die Extreme E dazu beitragen kann, die Welt schneller nachhaltig zu gestalten. Und wir haben ein Dream-Team, um dieses Ziel zu verwirklichen", freut sich Agag, dass mit Rekordchampion Lewis Hamilton und dem Weltmeister von 2016, Nico Rosberg, zwei der ganz Großen der Formel 1 als Rennstallbesitzer (Team X44 und Rosberg Xtreme Racing) dabei sind.
Glaubwürdigkeit dank großer Namen
"Dream-Team" nennt Agag die Besetzung hinter den Kulissen mit Hamilton und Rosberg zu Recht. Er weiß: Dass sich die beiden Stars über ihre sportliche Kompetenz hinaus schon sehr viel länger für den Umweltschutz engagieren, macht ihr Engagement umso glaubwürdiger. So hatte zum Beispiel Rosberg bereits 2019 am Rande des Weltwirtschaftsforum in Davos leidenschaftlich gefordert: "Die Formel 1 muss elektrisch werden."
Erste Tests
Im Frühjahr und Herbst 2020 testeten renommierte Rennfahrer - darunter auch F1-Pilot Valtteri Bottas, der nicht bei der Extreme E an den Start gehen wird - den Einheits-SUV der Rennserie. Und der rund 550 PS starke "Odyssey 21" fand großen Anklang. So zeigte sich der zweimalige Formel-E-Champion Jean-Eric Vergne begeistert und überrascht zugleich: "Vor allem die Leistung hat mir gefallen, das war sehr beeindruckend. In den ersten Runden musste ich aber das Autofahren regelrecht neu lernen, das ist vollkommen anders als im Formel-Auto."
Auf die Plätze, fertig, los!
Im April 2021 war es dann so weit: Die Extreme E startete in ihre erste Saison. Nach fünf aufregenden Rennwochenenden stand im Dezember dann schließlich Team Rosberg als Sieger fest. Ob 2022 die Titelverteidigung gelingt?