Formel-1-Test 2021 Bahrain: Verstappen Schnellster, Favoritenfrage geklärt?
- Aktualisiert: 09.02.2023
- 11:30 Uhr
- Motorsport-Total
Am letzten Tag der Testfahrten in Bahrain erzielte Max Verstappen für Red Bull die Bestzeit - Mercedes mit Sekunden-Rückstand, Probleme für Ferrari und Vettel
Die Zeitenjagd kam ganz zum Schluss: Am Nachmittag des dritten und letzten Tags der Formel-1-Wintertest 2021 in Bahrain fielen die Rundenzeiten deutlich. Mit 1:28.960 Minuten erzielte Max Verstappen im Red Bull RB16B die absolute Bestzeit der diesjährigen Probefahrten, mit den C4-Reifen von Pirelli.
Einen ebenfalls starken Eindruck hinterließ am Sonntag Formel-1-Neuling Yuki Tsunoda im AlphaTauri AT02, der im Rahmen einer Qualifying-Simulation mehrfach Bestzeiten aufstellte und schließlich Zweiter wurde. Er verwendete allerdings auch die weichsten Reifen, die C5-Mischung.
Der dritte Testtag verlief weitgehend störungsfrei und ohne Rotphasen oder größere Zwischenfälle. Technische Probleme ereilten am Nachmittag sowohl Carlos Sainz im Ferrari SF21 als auch Sebastian Vettel im Aston Martin AMR21. Bei Sainz streikte die Hydraulik, am Auto von Vettel stellte sich ein Druckverlust ein. Kurz vor Schluss drehte sich zudem Lewis Hamilton im Mercedes W12 eingangs der Zielgeraden.
Mit dem Ablauf der Zeit kam es noch zu einem Techtelmechtel zwischen Sainz und Kimi Räikkönen in Kurve 10: Sainz überholte innen, Räikkönen lenkte ein - und es kam zur Berührung. Anschließend schienen sich die beiden Formel-1-Fahrer noch ein Privatduell bis zur Boxeneinfahrt zu liefern.
Mick Schumacher hatte seine Testarbeit im Haas VF-21 bereits am Vormittag erledigt.
Ist Red Bull der große Formel-1-Favorit 2021?
Mercedes strauchelte bei den Testfahrten, Red Bull aber glänzte: Zieht das automatisch die Favoritenrolle für die WM-Zweiten der vergangenen Saison nach sich? Lewis Hamilton hält Red Bull in diesem Jahr für "besonders stark". Und Max Verstappen selbst spricht von einem "positiven Gefühl" mit dem RB16B.
Verstappen will die Testform von Red Bull aber auch nicht überbewerten: "Wo wir wirklich stehen, das erfahren wir erst in Q3 beim ersten Rennwochenende. Dann kann man unsere Leistung einschätzen."
Dass sein Team im Gegensatz zu früheren Jahren beim Testen aber keine nennenswerten technischen Probleme gehabt habe, sei zufriedenstellend, sagt Verstappen weiter: "So soll es idealerweise immer von Anfang an laufen."
Red-Bull-Neuzugang Sergio Perez derweil schätzt, es brauche eine gewisse Anlaufzeit, bis er sich völlig wohlfühle im Auto: "Fünf Rennen, ordentliche Rennen, das wäre gut. Sobald wir unterschiedliche Bedingungen gesehen und als Team das Auto besser verstanden haben." Und: "Das Beste, was ich tun kann, ist, geduldig zu sein und die ersten Rennen zu nehmen, wie sie kommen."
Speed und Zuverlässigkeit jedenfalls scheinen zu stimmen bei Red Bull: Das Team schaffte fast genau 2.000 Kilometer und auf der Strecke hinterließ der RB16B an allen drei Tagen einen soliden Eindruck.
Mercedes erkennt Fortschritte beim Handling
Technische Probleme sowie ein nervöses Heck samt Abflug von Lewis Hamilton hatten Mercedes am ersten und zweiten Tag der Testfahrten eingebremst. Am Sonntag wähnte sich der Titelverteidiger aber allmählich auf einem guten Weg. Valtteri Bottas jedenfalls meint: "Wir bewegen uns in die richtige Richtung."
Er sei "noch nicht zu hundert Prozent zufrieden" mit dem W12. "Das bist du aber nie zu diesem Zeitpunkt der Saison", sagt Bottas.
Und Hamilton erkennt ebenfalls keinen Grund zur Sorge: "Jetzt ist die ideale Zeit, um Probleme zu haben. Es ist doch besser, es läuft jetzt nicht rund als später dann bei den Rennen." Bedenken habe er deshalb keine. "Das lenkt nur davon ab, Lösungen zu finden."
Von Bestzeiten war Mercedes in Bahrain meist weit entfernt. Hamilton fehlte am Ende eine Sekunde auf die Spitze, Bottas über 1,2 Sekunden. Tatsächlich hat sich Mercedes in der jüngeren Vergangenheit bei Testfahrten aber häufig zurückgehalten und nicht alles gezeigt.
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Mick Schumacher fühlt sich "bereit"
Formel-1-Neuling Mick Schumacher hat am Sonntag weitere 78 Runden abgespult und kommt damit nach drei Halbtagen im Haas-Ferrari VF-21 auf eine Gesamtdistanz von 970 Kilometern, nach 15 Runden am Freitag und 88 Runden am Samstag.
"Am ersten Tag sind wir leider nicht viel zum Fahren gekommen", sagt Schumacher, "aber das haben wir an den beiden anderen Tagen gut wettgemacht." Haas habe sein weiteres Programm "ohne Probleme" abgespult, betont er. Schumachers Fazit: "Jetzt fühle ich mich bereit."
Ihm hätten die drei Testtage in Bahrain dabei geholfen, ein Gefühl für den VF-21 zu entwickeln. "Ich fühle mich wohl [im Fahrzeug] und habe den Eindruck, ich kann die Unterschiede spüren, wenn wir etwas am Auto ändern", erklärt Schumacher. "Ich glaube auch, ich kann die Rückmeldung geben, die es braucht, um Fortschritte zu machen."
Letzteres hat Haas-Teamchef Günther Steiner für Schumacher und dessen Teamkollege Nikita Masepin bereits bestätigt: "Wichtig ist uns, dass sie lernen. Ihre Rückmeldung war sehr gut. Das hat mich beeindruckt", so Steiner. Positionen und Rundenzeiten seien für Haas bei den Wintertests hingegen zweitrangig gewesen.
In der Gesamtbetrachtung der Testfahrten nehmen Masepin und Schumacher die Positionen 17 und 19 unter 21 Fahrern ein, mit mehr als 2,5 Sekunden Rückstand auf die Bestzeit. Dafür aber passt die Laufleistung: Haas kam auf 2.132 Kilometer.
Am Schlusstag hatte das Team unterschiedliche Frontflügel-Varianten getestet und sowohl Long-runs als auch kürzere Fahrten auf weichen Reifen unternommen. Schumacher war am Vormittag auf Position sechs gefahren.
Ferrari: Topspeed ist kein Problem mehr
Nach den Formel-1-Wintertests in Bahrain wähnt sich Ferrari mit dem SF21 besser aufgestellt als mit dem Vorjahresauto SF1000. Teamchef Mattia Binotto sagte in der Pressekonferenz: "Bisher ging es gut. Und der Topspeed auf den Geraden passt. Es scheint keinen so großen Nachteil mehr zu geben wie 2020."
Binotto aber betont: Es habe zuletzt nicht nur am Motor gelegen. "Es ging auch um den Luftwiderstand des Fahrzeugs. [Verbesserungen an Motor und Chassis] haben dazu beigetragen, dass wir jetzt eine höhere Endgeschwindigkeit auf den Geraden haben."
Allerdings: Als Charles Leclerc im Ferrari SF21 zur gleichen Zeit wie Kimi Räikkönen im Alfa Romeo C41 eine Rennsimulation absolvierte, bewegten sich beide auf ähnlichem Niveau. Wobei wie üblich beim Testen unklar ist, wer mit welchem Programm unterwegs war.
Klar ist indes: Der Ferrari von Carlos Sainz wurde am Sonntagnachmittag von einem Hydraulikdefekt heimgesucht. Das zwang Sainz zunächst zu einer Schleichfahrt im vierten Gang, ehe er knapp eine Stunde vor Schluss in der Ferrari-Box verschwand. Das Team schickte ihn später noch einmal hinaus. Mit C4-Reifen erzielte Sainz beim Testabschluss die drittschnellste Zeit.
Aston Martin kämpft mit der Technik
In den Händen von Lance Stroll lief der Aston Martin am Sonntagvormittag, aber bei Sebastian Vettel stellten sich am Nachmittag erneut technische Probleme ein. Dieses Mal lag es an Ladedruck-Verlust, dass der AMR21 mit der Nummer fünf vorzeitig in der Box verschwand. Vettel verpasste deshalb die letzte Stunde der Testfahrten, spricht aber trotzdem von einem "produktiven Tag", an dem er 56 Runden schaffte.
Insgesamt kommt Vettel nach drei Testtagen und etlichen technischen Defekten auf nur 117 Runden in Bahrain. Das entspricht etwas mehr als zwei kompletten Renndistanzen. Zum Vergleich: Kimi Räikkönen fuhr im Alfa Romeo alleine am Schlusstag mehr als 160 Runden.
Vettel selbst räumt ein, der Test sei insgesamt "nicht nach Plan gelaufen". Aufgrund des Zeitverlusts habe er zum Beispiel auch keine Qualifying-Runde ausprobieren können. Das schlug sich im Ergebnis nieder: Mit 4,7 Sekunden Rückstand war Vettel der schwächste Stammfahrer der Testwoche.
McLaren und Alpine nochmal mit Neuteilen
McLaren hat am Schlusstag der Testfahrten einen neuen Heckflügel eingeführt, der ein gebogenes Hauptprofil aufweist. Für Diskussionen im Fahrerlager sorgt derweil der Diffusor des MCL35M, den McLaren besonders innovativ gestaltet hat.
Bei Alpine kamen am Sonntag unterschiedliche Versionen des Unterbodens zum Einsatz. Das Team geht bei der Aerodynamik einen ganz eigenen Weg, mit sehr kleinen Seitenkästen, aber einer sehr großen Motorhaube. Das wirkt sich nachteilig auf den Schwerpunkt des A521 aus, doch Teamdirektor Marcin Budkowski beteuert: "Die Aerodynamik ist wichtiger. Und es funktioniert für uns."
Und der A521 scheint ebenfalls gut zu funktionieren: Zwar machte Alpine mit Formel-1-Rückkehrer Fernando Alonso und Esteban Ocon nicht mit Topzeiten auf sich aufmerksam, aber mit insgesamt 2.143 Kilometern an drei Tagen. Das ist Platz vier in der Laufleistung-Rangliste.
Dreher von Tsunoda, aber auch heiße Runden
Einer der wenigen Zwischenfälle am dritten Testtag ereignete sich ausgangs Kurve 10 auf der Gegengeraden: Formel-1-Neuling Yuki Tsunoda drehte sich im AlphaTauri AT02 weg, vermutlich irritiert von Räikkönen im Alfa Romeo, den er an dieser Stelle überholen wollte. Tsunoda ruinierte sich bei seinem Abflug den Reifensatz, steuerte aber aus eigener Kraft wieder die Box an.
Insgesamt steht AlphaTauri gut da, behauptet Tsunoda-Teamkollege Pierre Gasly: "Es gibt gute Gründe, begeistert zu sein. Ich hoffe, wir kriegen gleich zu Saisonbeginn ein paar starke Leistungen hin. Das wäre wichtig."
Die drei Testtage seien "wirklich positiv" verlaufen für das Team. "Man kann natürlich immer noch was verbessern, aber wir stehen jetzt schon besser da als vergangenes Jahr in Barcelona nach der gleichen Zeit auf der Strecke." Außerdem wisse AlphaTauri um die eigenen Schwachstellen. "Die können wir hoffentlich noch abstellen", sagt Gasly. Er erhoffe sich ein konkurrenzfähiges Auto und "gute Punkte".
Tsunoda unterstrich diese Ansage mit seiner Qualifying-Simulation am Sonntagnachmittag, bei der er wiederholt ausgezeichnete Runden mit C5-Reifen erzielte und sich mit Verstappen (C4) um die Bestzeit balgte.
Die Bestleistungen der Testwoche
1.283 Kilometer hat Pierre Gasly zwischen Freitag und Sonntag im AlphaTauri AT02 zurückgelegt, mehr als jeder andere Formel-1-Fahrer im gleichen Zeitraum.
Die geringste Distanz aller Stammfahrer bekam Sebastian Vettel im Aston Martin AMR21 zusammen, nämlich nur 633 Kilometer - gerade mal die Hälfte. Selbst Roy Nissany, der bei Williams einen Tag den FW43B steuerte, erreichte eine Distanz von 449 Kilometern.
Die größte Distanz teilen sich AlphaTauri und Alfa Romeo mit je 2.284 Kilometern oder 422 Runden auf dem Bahrain International Circuit. Am wenigsten weit kam der Mercedes W12: Die WM-Titelverteidiger bewegten ihren Neuwagen für 304 Runden oder 1.645 Kilometer.
Interessant: Alle drei Ferrari-Teams befanden sich in den Top 5 der inoffiziellen Distanzwertung, die vier Mercedes-Teams dagegen reihten sich ab Position sechs in diese spezielle Rangliste ein.
Die Formel-1-Saison 2021 beginnt am 28. März mit dem Bahrain-Grand-Prix in Sachir.