Motorsport Formel 1
Warum Max Verstappen einen Racing-Bulls-Test ausschließt
Es ist eines der interessanteren Gedankenexperimente der Formel-1-Saison 2025: Wie gut würde Max Verstappen wohl abschneiden, wenn er nicht für Red Bull Racing, sondern für die Racing Bulls fahren würde? Zumal Experten wie Ralf Schumacher glauben, dass die Basis bei den Racing Bulls "dieses Jahr eine bessere ist als beim Red Bull".
"Ich würde fast so weit gehen, dass Max theoretisch sogar um die WM fahren könnte mit dem Auto", sagt der Sky-Experte in der aktuellen Ausgabe des Podcasts Backstage Boxengasse. Er begründet das damit, dass "das Auto einfach breiter aufgestellt ist, sodass man damit auf jeder Rennstrecke klarkommt."
Außerdem vermutet Schumacher, dass Verstappen bei den Racing Bulls seine ganze Erfahrung einbringen könnte, und damit wäre die technische Weiterentwicklung des Autos "vielleicht eine ganz andere" gewesen.
Vergleicht man jeweils das in der WM schlechter platzierte Auto der beiden Teams miteinander, stützen die nackten Zahlen Schumachers Theorie: Liam Lawson hat für die Racing Bulls bisher 20 Punkte eingefahren, Yuki Tsunoda für Red Bull Racing hingegen nur neun.
Warum ein Fahrzeugtausch für Red Bull kein Thema ist
Aber Verstappen zeigt an einem solchen Fahrzeugtausch kein Interesse: "Ich muss mich ehrlich gesagt auf mein eigenes Auto konzentrieren und darauf, wie wir es besser machen können." Auf Nachfrage, ob er mit den Racing Bulls Rennen gewinnen könnte, wie einige in den Raum stellen, winkt der viermalige Weltmeister ab: "Ich würde damit nicht gewinnen. Es reicht im Moment nicht, um McLaren zu schlagen. Daher denke ich darüber derzeit gar nicht nach."
Dass Red Bull nicht zumindest einen Test mit Verstappen im VCARB 02 in Betracht zieht, liegt wohl auch daran, dass die Konkurrenz inzwischen sehr genau darauf achtet, dass die Unabhängigkeit der beiden Teams, die mit der Red Bull GmbH den gleichen Eigentümer haben, gewahrt bleibt. Ein Verstappen-Test im B-Team würde die Position von Red Bull, dass die beiden Teams voneinander unabhängig geführt werden, ad absurdum führen.
"More-Than-Equal"-Botschafter David Coulthard glaubt nicht, dass ein Verstappen-Test im VCARB 02 großen Nutzen hätte: "Sie haben Daten. Die Daten basieren auf allen Fakten. Also werden sie wissen, wie sich die beiden Autos anhand all dieser Daten schlagen. [...] Das Einzige, was ihnen fehlt, ist Max' Input. Ob er im RB vielleicht eine halbe Sekunde schneller wäre oder ob das Auto ihm vielleicht nicht so liegt."
Dass Verstappen bei den Racing Bulls brillieren würde, davon ist der ehemalige Formel-1-Pilot hingegen überzeugt: "Max würde nur zwei Runden brauchen, um aus jedem dieser Autos das Maximum herauszuholen. Ich glaube, er würde so performen wie in jedem Auto: unglaublich schnell und für seinen Teamkollegen extrem schwer zu schlagen."
Mekies: Ein Test würde nichts bringen
Helmut Marko hat derartige Gedankenexperimente jedoch stets im Keim erstickt. Auf die Frage, ob man je darüber nachgedacht habe, Verstappen mal in den VCARB 02 zu stecken, antwortet er ohne zu zögern: "Nein." Weil man seiner Meinung nach daraus auch nichts lernen könnte. Das Design der beiden Autos sei völlig unterschiedlich.
Die Unterschiede seien einfach zu groß, als dass man nach so einem Test "irgendetwas von einem Auto auf ein anderes übertragen könnte", erklärt Red-Bull-Teamchef Laurent Mekies im Interview mit Sky und betont: "Das ist die Formel 1 von heute: zehn unabhängige Teams, die jeweils mit ihren eigenen Ideen kommen, wie sie das Auto entwickeln [...]. Und da gibt es nichts, was man von einem Auto auf ein anderes übertragen könnte."
Wahr ist allerdings, was in TV-Übertragungen und Medienberichten oftmals beschrieben wird, nämlich dass der Racing Bull ein gutmütigeres Auto zu sein scheint als der Red Bull. Der scheint zwar das größere Peak-Potenzial zu besitzen - aber eben auch ein viel schmaleres Fenster. Und mit diesem schmalen Fenster kann bisher augenscheinlich nur Verstappen wirklich umgehen.
Alan Permane, Mekies-Nachfolger bei den Racing Bulls, widerspricht teilweise: "Es wurde viel darüber gesprochen, dass es ein leicht zu fahrendes Auto sei. Viele haben das erwähnt und darauf hingewiesen, wie die Fahrer damit zurechtkommen. Aber in Wahrheit denke ich, dass es eher ein Auto ist, das es den Ingenieuren leicht macht, es aerodynamisch ins optimale Fenster zu bringen. Wir können mit dem Set-up genau das tun, was wir brauchen, und so das Maximum herausholen. Und das verschafft uns einfach Performance."
"Ich denke, wenn wir ein Auto haben, bei dem alles passt, können wir an der Spitze des Mittelfelds fahren", sagt Permane. Das habe man 2025 ja schon ein paar Mal gesehen: "Wir müssen das Set-up richtig hinbekommen, die Fahrer müssen ihre Leistung bringen, das Auto muss zur Strecke passen. Dann können wir vorne mitmischen."
VCARB: Ein Auto mit Rookie-DNA?
Zuletzt in Zandvoort kam Hadjar nach 72 Runden weniger als zwei Sekunden hinter Verstappen ins Ziel. Da fragen sich natürlich viele: Hätte Verstappen im Auto des kleinen Schwesterteams womöglich einen noch besseren Job gemacht?
Aber Permane bestreitet die Darstellung, dass der Racing Bull quasi per technischer DNA ein gutmütiges, für Rookies konzipiertes Rennauto ist: "Das glaube ich ehrlich gesagt nicht. Ich denke, das ist etwas, das wir im Winter von letztem auf dieses Jahr herausgefunden haben. Wir haben ein Auto gebaut, und ja, das hilft zweifellos, wenn man Rookies hat. Aber ich vermute, es ist auch ein Auto, mit dem sich ein Topfahrer wohlfühlen würde und aus dem er ebenfalls die Performance herausholen könnte."
Die spannende Fantasie vieler Fans, Verstappen einmal im VCARB 02 zu sehen, wird demnach eine Fantasie bleiben. Selbst wenn die Red-Bull-Chefs das insgeheim gern einmal ausprobieren würden, einfach um interessante Referenzen zu erhalten: Ein solcher Test würde den Anschein erwecken, dass die beiden Teams nicht sportlich unabhängig sind - und ist damit de facto unmöglich.
Das war in der Vergangenheit übrigens nicht immer so. Im September 1997 testete Michael Schumacher, damals schon Ferrari-Werksfahrer, in Fiorano einen Sauber C16. Sauber wollte Schumachers Meinung über das Auto einholen, und Schumacher und Ferrari willigten ein, den Test zu machen. Auch, weil Sauber damals Ferrari-Motorenkunde war. Und die Unabhängigkeit der einzelnen Teams noch nicht so im Fokus stand, wie das heute, fast 30 Jahre später, der Fall ist.