Motorsport Formel 1
Warum Max Verstappens erste Rundenzeit gestrichen wurde
"Warum wurde mir die Rundenzeit aberkannt? Ich habe doch gelupft!" - Max Verstappen verstand im Qualifying zum Grand Prix von Singapur die Welt nicht mehr. Nach dem Abflug von Carlos Sainz in der letzten Kurve fuhr er mit einem Lupfen über die Ziellinie, Sekundenbruchteile später kam die Rote Flagge raus.
Verstappen machte alles richtig. Er ging deutlich hörbar vom Gas, bevor er die Ziellinie überquerte. Dennoch war die Runde gut genug für die Bestzeit zu diesem Zeitpunkt. Verstappen meldete sofort über Funk: "Ich habe gelupft!"
Doch nur wenige Augenblicke später wurde ihm die Rundenzeit wieder gestrichen, was Verstappen nicht glauben konnte. Letztlich ging aber alles mit rechten Dingen zu, denn Verstappen wurde von einer Regeländerung aus dem Jahr 2021 eingeholt.
Damals war es der Grand Prix der Türkei und das Qualifying fand bei regnerischen Bedingungen auf abtrocknender Strecke statt. Fernando Alonso fuhr auf seiner letzten schnellen Runde durch einen Sektor mit doppelt geschwenkten gelben Flaggen, verbesserte sich aber trotzdem um drei Sekunden auf der Runde.
Nun war dieses Rennen für seine schreckliche Rutschpartie bekannt und Alonso rechtfertigte sich damit, auf seiner ersten schnellen Runde extrem vorsichtig gewesen zu sein. Er kam ohne Strafe davon.
Alonso-Vorfall bewirkt Regeländerung
Diese Situation hatte jedoch eine Regeländerung zur Folge, denn solche Diskussionen wollte sich die Formel 1 in der Folge ersparen. In einem Gespräch mit dem damaligen Renndirektor Michael Masi einigten sich die Teams einstimmig darauf, Rundenzeiten, die unter doppelt geschwenkter gelber Flagge gefahren wurden, komplett zu streichen.
Fahrer, die einen Sektor mit doppelt geschwenkter gelber Flagge durchfahren, müssen ihre Geschwindigkeit deutlich reduzieren und sich auf einen Richtungswechsel oder das Anhalten vorbereiten", so Masis damaliges Statement.
"Damit die Stewards davon ausgehen können, dass ein Fahrer diese Bedingungen erfüllt hat, muss eindeutig nachgewiesen werden, dass er nicht versucht hat, eine aussagekräftige Rundenzeit zu erzielen. Aus Praktikabilitätsgründen wird jedem Fahrer, der einen Sektor mit doppelt geschwenkter gelber Flagge durchfährt, die Rundenzeit aberkannt."
Fahrer und Teams begrüßten die Regeländerung damals fast einhellig, weil nun alles schwarz auf weiß stand und es keine Grauzonen mehr gab wie bei Alonsos Verbesserung auf der Strecke in der Nähe von Istanbul 2021.
Sekundenbruchteile gaben den Ausschlag
Im Falle Verstappens war die Situation nun schwierig, da er sehr schnell nach dem Abflug von Sainz an der Unfallstelle eintraf. Vor der letzten Doppel-Links waren noch keine Flaggensignale zu sehen. "Ich konnte das Auto erst sehr spät sehen", funkte Verstappen daher auf seiner Auslaufrunde.
Doch der letzte Posten vor der Unfallstelle, quasi direkt vor Sainz' Wrack, zeigte bereits doppelt Gelb. Verstappen ging daher deutlich vom Gas. Es waren Sekundenbruchteile, aber die Flagge war draußen, als Verstappen die Unfallstelle passierte. Damit war bereits zu diesem Zeitpunkt klar, dass die Rundenzeit gestrichen werden musste.
Offenbar hatten einige Teams und Fahrer die vor drei Jahren eingeführte Regeländerung wieder vergessen. Denn nicht nur Verstappen war verwundert, auch Helmut Marko zeigt sich gegenüber Sky überrascht: "Wir sind ein bisschen unglücklich, weil die erste Zeit von Max gestrichen wurde, obwohl er gelupft hat. Da hat er eineinhalb Zehntel liegen lassen."
Er glaubt, dass Verstappen die Pole hätte holen können, wenn die Zeit stehen geblieben wäre: "Ich denke, das hätte für die Pole gereicht, und vor allem hätte er im zweiten Versuch mehr riskieren können. Man kann auf einer Runde mehr riskieren, wenn man schon eine relativ gute Zeit stehen hat."
Dauerthema doppelt gelb geschwenkte Flaggen
Doppelt gelbe Flaggen sind im Motorsport schon lange ein Thema, weil Fahrer dieses Flaggenzeichen oft unterschätzen - oder es im modernen Motorsport gar nicht mehr leisten können, wo es um Hundertstel- und Tausendstelsekunden geht, so verzögern, wie es der Internationale Sportkodex der FIA in Anhang H, Absatz 2.5.5 vorsieht: zum Anhalten bereitmachen.
Dies zeigte sich bei einem Rennen des ADAC Formel Masters 2012 auf dem Sachsenring, als zwei Fahrzeuge unter doppelt Gelb in ein Streckensicherungsfahrzeug rasten. Auch der tragische Unfall von Jules Bianchi in Suzuka 2014 ereignete sich unter doppelt geschwenkten gelben Flaggen. Dennoch verklagte die Familie Bianchi die FIA, was zu erhöhter Wachsamkeit im Anschluss führte.
Auch in der Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) wurde zuletzt genauer hingeschaut. Unter anderem wurde der ehemalige Formel-1-Pilot und heutige Toyota-Werksfahrer Kamui Kobayashi in Austin mit einer Durchfahrtsstrafe belegt, die ihn den Sieg kostete. Toyota reagierte mit Unverständnis auf die Strafe, da man zuvor nicht so streng gewesen sei.
Verstappen kam um eine Strafe herum, weil das Lupfen mehr als offensichtlich war. "Wenn, dann hätten wir mit einer Reinstallation dieser Zeit gerechnet", bemerkt Marko. Der Titelverteidiger qualifizierte sich schließlich als Zweiter hinter Polesetter Lando Norris.