100 Tage vor den Winterspielen: So ist die Stimmung in den DOSB-Verbänden
- Aktualisiert: 30.10.2017
- 11:44 Uhr
- SID
Am Mittwoch in 100 Tagen beginnen in Pyeongchang die Olympischen Winterspiele.
Köln (SID) - Am Mittwoch in 100 Tagen beginnen in Pyeongchang die Olympischen Winterspiele. Die Vorfreude ist vor allem durch die angespannte Sicherheitslage auf der koreanischen Halbinsel und den noch immer nicht aufgearbeiteten russischen Dopingskandal getrübt. Sportlich jedoch stehen die deutschen Athleten ganz gut in den Startlöchern - zumindest teilweise. Der SID gibt einen Überblick:
BIATHLON: Die Aussichten sind nach der goldenen WM von Hochfilzen prächtig. Vor allem die fünffache Weltmeisterin Laura Dahlmeier soll in Südkorea wieder Edelmetall liefern, bei den Männern können die etablierten Simon Schempp, Benedikt Doll, Arnd Peiffer und Erik Lesser an einem guten Tag in jedem Rennen eine Medaille holen. Die Frage ist nur: Wie gehen die DSV-Asse mit dem Erwartungsdruck um? Fest eingeplant sind angesichts der Leistungsdichte im Team jedenfalls Medaillen mit der Staffel. Der sportliche Leiter Björn Weisheit legte den Zielkorridor auf "fünf Medaillen" fest.
BOB/RODELN/SKELETON: Der Druck auf die deutschen Schlittensportler ist wie immer groß vor den Winterspielen, doch dieses Mal wissen sie nicht so recht, wo sie stehen. Die Bobs müssen nach der historischen Schmach von Sotschi unbedingt Edelmetall holen. Seit 2014 stimmten die Ergebnisse wieder, vor allem die Weltmeister Francesco Friedrich und Johannes Lochner sind titelreif. Zudem nutzen die Deutschen parallel Bobs vom Stammhersteller FES und der österreichischen Firma Wallner, das gibt Materialsicherheit auf der neuen Bahn in Pyeongchang. Die Angst vor einem erneuten Tiefschlag auf ungewohntem Eis ist aber spürbar. Bei den Rodlern schaut alles auf Olympiasieger Felix Loch, der sich ausgerechnet im vergangenen Winter schwach wie nie präsentierte. Frauen und Doppelsitzer sind aber klar auf Goldkurs. Und im Skeleton sind die Gefühle ungewohnt positiv: Weltmeisterin Jacqueline Lölling und Vize Tina Hermann lassen auf den ersten deutschen Olympiasieg hoffen.
CURLING: Deutsche Teams sind bislang noch nicht qualifiziert. Frauen und Männer können das Korea-Ticket noch beim Turnier in Pilsen/Tschechien lösen. Bei den Frauen gehen dort sieben Länder an den Start, bei den Männern acht. Je zwei Startplätze sind noch zu vergeben. Markus Tröger, Leistungssportdirektor beim Deutschen Curling-Verband (DCV), wertet die Chancen seiner Teams als "realistisch betrachtet gut". Dagegen steht schon fest, dass am neuen olympischen Mixed-Double-Wettbewerb kein deutsches Team teilnehmen wird.
EISHOCKEY: Nach der Blamage vor Sotschi 2014 hat Bundestrainer Marco Sturm das deutsche Eishockey wieder zurück zu Olympia geführt. Qualifiziert hat sich die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) im September 2016 in Lettland. Stanley-Cup-Sieger Tom Kühnhackl schoss damals den DEB nach Südkorea. Doch er wird wie auch die anderen NHL-Stars um Leon Draisaitl fehlen, die nordamerikanische Profiliga gibt ihre Spieler nicht frei. Für das DEB-Team ist dies Schwächung und Chance zugleich, denn die internationale Konkurrenz wird von der NHL-Absage noch wesentlich härter getroffen. Die wichtigste Standortbestimmung vor den Winterspielen ist der Deutschland Cup (10. bis 12. November). Das Viertelfinale ist in Pyeongchang machbar.
EISKUNSTLAUF: Auch wenn der Start in den olympischen Winter mit zwei zweiten Plätzen nicht optimal verlief: Die Vize-Weltmeister Aljona Savchenko und Bruno Massot sind und bleiben die einzigen olympischen Medaillenkandidaten der Deutschen Eislauf-Union (DEU). Zwar dürfte es für die mittlerweile 33-Jährige an der Seite ihres neuen Partners schwer werden, im fünften Anlauf erstmals Olympiagold zu holen, aber ein Medaillengewinn scheint realistisch. Den deutschen Startplatz in der olympischen Eistanz-Konkurrenz sicherten bereits im September die nationalen Titelträger Kavita Lorenz und Joti Polizoakis. Die Qualifikation für den Team-Wettbewerb in Pyeongchang ist noch nicht sicher, aber wahrscheinlich.
EISSCHNELLLAUF/SHORTTRACK: Das Debakel von Sotschi wirkt noch immer nach. Vor vier Jahren blieben die Athleten der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft (DESG) ohne Medaille. Der Verband stellte sich seither personell neu auf und schob Reformen an, kann aber weiterhin hauptsächlich auf die Hoffnungsträger von Sotschi setzen. Die fünfmalige Olympiasiegerin Claudia Pechstein bei ihren dann siebten Spielen, Langstreckler Patrick Beckert und Sprinter Nico Ihle sind die einzigen Läufer mit Chancen auf den Einzelstrecken. Das Trio holte schon in der Vorsaison bei der Einzelstrecken-WM drei Podestplatzierungen. Die von Pechstein angeführte Teamverfolgung der Frauen rechnet sich ebenfalls Möglichkeiten aus. Im Shorttrack richten sich die Augen vor allem auf die junge Anna Seidel, die mit 19 Jahren zum zweiten Mal bei Winterspielen starten will. DESG-Sportdirektor Robert Bartko hat "eine Medaille" als Ziel ausgerufen, dies sei "realistisch". Sein wichtigstes Anliegen: Bloß kein zweites Sotschi.
SKI ALPIN: Alpindirektor Wolfgang Maier hat bereits "für 140.000 Euro Flüge gebucht", wie er versichert, größte Medaillenhoffnungen sind Felix Neureuther und Viktoria Rebensburg. Und auch im neuen Team-Event hat der DSV gute Chancen. Neureuther machte zuletzt als Olympia-Kritiker auf sich aufmerksam, hat aber auch als frischgebackener Vater noch "echt Spaß" am Skifahren, und auch der Rücken zwickt weniger als in den vergangenen Jahren. Rebensburg hat mit dem Auftaktsieg beim Weltcup-Riesenslalom in Sölden gleich ein Achtungszeichen gesetzt.
SKI NORDISCH: Nach dem glänzenden WM-Abschneiden in Lahti (sechsmal Gold, dreimal Silber, zweimal Bronze) sind die Erwartungen riesig, im Sommer gab es aber vor allem bei den Skispringern schmerzhafte Rückschläge: Ex-Weltmeister Severin Freund zog sich erneut einen Kreuzbandriss zu und verpasst die Olympiasaison, Olympiasiegerin Carina Vogt stieg nach einer schweren Knieverletzung erst im Oktober ins Training ein. Auch Vize-Weltmeister Andreas Wellinger und der WM-Dritte Markus Eisenbichler hatten mit Rückschlägen zu kämpfen, zeigten zuletzt aber ansteigende Form. Die Kombinierer um Vierfach-Weltmeister Johannes Rydzek und Gesamtweltcup-Sieger Eric Frenzel kamen problemlos durch den Sommer, gemeinsam mit dem stark verbesserten Fabian Rießle sind sie die großen Favoriten für Pyeongchang. Kaum mehr als Achtungserfolge sind von den Langläufern zu erwarten. Düster sieht es vor allem bei den Männern aus, bei denen Tim Tscharnke als einziger Siegläufer der vergangenen Jahre seine Karriere überraschend schon vor Olympia beendete.
SNOWBOARD/SKI-FREESTYLE: Die Snowboarder gehen nach guten Ergebnissen durch ein Tal, das die Ski-Freestyler gut kennen. Weder im alpinen, noch im Cross-Bereich drängt sich ein Hoffnungsträger auf, im Slopestyle oder der Halfpipe gehören die Deutschen nicht zur Weltspitze. Anders die Ski-Freestyler: Sollte Lisa Zimmermann nach ihrer schweren Verletzung fit werden, ist sie Goldkandidatin. Im Ski-Cross darf sich Heidi Zacher etwas ausrechnen.