Verschlossen und verfallen: Kein Sport in Rios Olympiastätten
- Aktualisiert: 18.01.2017
- 10:05 Uhr
- SID
Fünf Monate nach den Sommerspielen sind die Eingänge zentraler Olympia-Schauplätze verriegelt. Das Maracana bietet ein tristes Abbild dieser Agonie.
Rio de Janeiro (SID) - Rio de Janeiro (SID) Der Rasen verbrennt ohne Beregnung im sommerlichen Glutofen Rio de Janeiro, Luftaufnahmen zeigen schwarze Löcher, wo Sitzschalen aus den blaugelben Tribünenreihen herausgerissen sind, vor wenigen Tagen nahmen Diebe die kupferne Büste des Stadion-Namensgebers Mario Filho aus einem Innenraum mit, weil Türen nicht mehr verschlossen werden und Wachpersonal gekürzt wurde. Der Fußballtempel Maracana ist heute ein buchstäblich verlassener Ort.
Und nicht der einzige Schauplatz in der Cidade Maravilhosa, der vor fünf Monaten noch glanzvoll die Olympischen Sommerspiele beherbergte, und seitdem Sport und Publikum den Riegel vorschiebt. Wie die zahlreichen Arenen im umzäunten Parque Olímpico von Barra da Tijuca. Wie der abgesperrte Parque Radical, dessen zum Schwimmbad umfunktionierte Kanuslalom-Strecke die Anwohner in und um den Stadtteil Deodoro bis vor wenigen Tagen noch abkühlendes Freizeitvergnügen bot.
Die Gründe: Der öffentlichen Hand fehlen für die Betreibung der Sportstätten in der schweren Wirtschaftskrise des Landes die Gelder, den privaten Investoren die Lust ohne Aussicht auf Gewinn. Dies auch, weil Vereine selbst im beliebten Basketball oder Volleyball wegen der geforderten hohen Miete in alte Hallen oder gar andere Städte ausweichen. Die Arenen werden mittlerweile wie Schwarze Peter herumgeschoben.
Beispiel Maracana: Mit einem dreistelligen Millionenbetrag für die Fußball-WM 2014 umgebaut, vergab der damalige Gouverneur Sérgio Cabral die Betreiberrechte für 35 Jahre an ein Konsortium um den Bauriesen Odebrecht, der Eventgesellschaft AEG und dem Selfmade-Milliardär Eike Batista. Cabral und Firmenchef Marcelo Odebrecht sind im Mega-Korruptionsskandal Lava Jato verstrickt, der auch Schmiergelder beim Maracana-Umbau offenbarte. Beide sitzen in Haft. Batistas Imperium ist wie eine Seifenblase zerplatzt.
Zurück blieb ein Stadion, in dem sich Deutschlands Fußballer vor zweieinhalb Jahren zum Weltmeister krönten, Brasiliens Selecao danach ihr erstes Olympiagold gewann, und das Comitê Rio 2016 für die Sommerspiele und Paralympics bis Ende Oktober vergangenen Jahres das Hausrecht hatte. Die entkräftete Betreibergruppe sieht nun die Chance, das defizitäre Stadion loszuwerden. Aufgegeben hat sie es schon lange.
Deshalb gehört Schlechtmachen zur Firmenpolitik. Das Dach sei vom olympischen Feuerwerk beschädigt, es fehlten Sitzschalen, überall Müll und Schutt von den Festspielen der Jugend der Welt. Also zurück zum Eigentümer. Doch auch das Bundesland Rio will vom "Groschengrab" nichts wissen. Derweil bleiben Rechnungen für Strom, Wasser und Telefon unbezahlt, dringend benötigtes Personal für Reinigung, Unterhalt und Bewachung wird nicht eingestellt.
Und die Stadt Rio? Die hat seit 1. Januar einen neuen Bürgermeister. Und einen neuen Fokus. Weniger Bauten, mehr Dienstleistung für den Carioca. Und deshalb gab die Stadt den Olympiapark in Barra an das ebenfalls klamme Bundesministerium für Sport ab. Auch weil sich auf die Ausschreibung zur privaten Betreibung bis Ende November nur eine Firma gemeldet hatte. Und dies noch ohne die verlangte Kaution, also ohne finanziellen Rückhalt.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es aber auch: Das Olympiastadion, heute unter dem Namen Nilton Santos auf Hochglanz, sprich in den schwarz-weißen Vereinsfarben des Mieters Botafogo gebracht. Der Fußball-Erstligist hat nun ein Schmuckkästchen, in dem Usain Bolt sein drittes Olympia-Sprint-Triple perfekt machte.
Noch mehr profitieren die Cariocas von den neuen Verkehrswegen: den Busschnelllinien und Umgehungsstraßen wie der Transolímpica, der Stadtbahn VLT, der Metrolinie 4. Oder der Flaniermeile am Boulevard Olímpico, der in wenigen Tagen ein neues Karnevalsherz Rios sein will. Beides gut für die umtriebigen Touristen, die im vergangenen Jahr gleich 18.000 Betten mehr zur Verfügung gestellt bekamen.
Auf Fußball im Maracana, Volleyball oder Basketball im Maracanazinho, gleich welcher auch Sport im Parque Olímpico oder nur Wasserspaß in Deodoro müssen derweil alle verzichten. "Dabei sein ist alles" gilt an Rios Olympia-Schauplätzen (noch) nicht.