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Legende als Aushilfskraft: Überraschendes Comeback für Weiß
Eigentlich hatte Kathleen Weiß mit ihrer Erstligakarriere schon "zu 100 Prozent abgeschlossen". Damals, vor über sechs Jahren, entschied sich die zweimalige Vizeeuropameisterin gegen den Volleyball und für eine abgesicherte Zukunft bei der Polizei. Dass sie nun, mit 41 Jahren zwischen Familienleben und Job, plötzlich wieder in der obersten deutschen Spielklasse auf dem Feld steht, hätte sie wohl selbst kaum für möglich gehalten.
Doch beim Aufsteiger ETV Hamburger Volksbank Volleys ist Weiß seit ihrem Comeback Anfang Dezember gegen die Binder Blaubären TSV Flacht (1:3) wieder mittendrin. "Es war ungewohnt", erzählt sie im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID). Lediglich zwei Mal hatte die Zuspielerin vor ihrer Rückkehr in die Volleyball Bundesliga (VBL) trainiert, doch im Spiel "war direkt wieder ein bisschen Adrenalin da".
Ihr Comeback sei "super kurzfristig" gewesen, berichtet Weiß, die in den vergangenen Jahren noch in der 2. und 3. Liga aktiv gewesen war. Aber als die Anfrage aus Hamburg nach der Verletzung von Zuspielerin Luise Klein kam, habe sie "nicht gezögert". Wie lange sie die Mannschaft unterstützen wird, ist noch offen. "Der Plan ist erstmal, dass ich bis einschließlich Januar im Rahmen meiner Möglichkeiten aushelfe", sagt Weiß, die vor allem bei Heimspielen dabei sein wird. Schließlich hat sich bei ihr in der Zwischenzeit einiges getan.
Da sind zum einen ihre beiden Kinder, knapp zwei und fünf Jahre alt. Zum anderen steht Weiß als Polizeivollzugsbeamtin der Landespolizei Mecklenburg-Vorpommern mittlerweile voll im Berufsleben. Hinzu kommt die mehr als einstündige Fahrt mit dem Auto von ihrem Dorf bei Schwerin ins Training. Mit einem 40-Stunden-Job und der Familie funktioniere das nicht öfter als zwei Mal die Woche: "Da geht einfach nicht mehr."
Hamburg vertraut dennoch auf Weiß - denn schließlich hat diese im Volleyball schon alles erlebt. Nach vier deutschen Meisterschaften und drei Pokalsiegen mit dem SSC Palmberg Schwerin zog sie quer durch die europäischen Ligen von den Niederlanden über Aserbaidschan, Italien, Tschechien und Polen bis Bulgarien. Im Nationaltrikot bestritt sie währenddessen 311 Länderspiele, gewann 2011 und 2013 jeweils EM-Silber - die bislang größten Erfolge der deutschen Volleyballerinnen nach der Wiedervereinigung.
Vor sechs Jahren war dann die Rückkehr in die VBL geplant gewesen, ihr Engagement bei Allianz MTV Stuttgart war schon in trockenen Tüchern. Doch wenig später kam es zur Vertragsauflösung. "Ich hatte damals vor, neben dem Volleyball auch meine berufliche Laufbahn voranzutreiben. Es war ein Wunsch von mir, zur Polizei zu gehen", erzählt Weiß. Mit damals 35 Jahren aufgrund von Altersbeschränkungen in der Beamtenlaufbahn allerdings nicht so einfach.
In Stuttgart habe sich alles "dann leider doch ein bisschen schwieriger" gestaltet, erzählt Weiß, die sich trotz offener Fragen innerhalb kurzer Zeit für oder gegen den Vertrag entscheiden musste. In Mecklenburg-Vorpommern erhielt sie derweil eine Ausnahmegenehmigung für das Studium - eine Chance, die sie nicht verstreichen lassen konnte.
Der Schritt sei "super emotional", doch am Ende "eine Kopf- und keine Bauchentscheidung" gewesen, erzählt Weiß. Eine abgesicherte Zukunft, dazu der Familienwunsch - "ich wusste aufgrund der Umstände, dass ich das für mich machen muss." Sechs Jahre später schlägt sie dennoch - wenn auch nur kurzzeitig - wieder in der Bundesliga auf.