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ranSicht: Tobias Drews sieht Pianeta im "Southpaws"-Duell im Vorteil

  • Aktualisiert: 11.07.2015
  • 14:34 Uhr
  • ran.de/Tobias Drews
Article Image Media
© SAT.1 / Martin Saumweber
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Der Schwergewichtskampf gegen WBA-Weltmeister Ruslan Chagaev (22.45 Uhr in SAT.1 und auf ran.de) ist nicht nur eine historische Chance für Franceso Pianeta, sondern auch eine echte Premiere. Erstmals boxen zwei Rechtsausleger in einem WM-Kampf bei den "schweren Jungs" gegeneinander. ran-Boxen-Kommentator Tobias Drews macht dem Herausforderer Mut.

München - Eine Weltmeisterschaft im Schwergewicht wirft immer besonders lange Schatten. Die "Königsklasse" des Boxens, die ihre Titelträger dann beinahe ehrfurchtsvoll "Meister aller Klassen" nennt, hat seit jeher einen Sonderstatus.

Und nun treffen in Magdeburg mit WBA-Weltmeister Ruslan Chagaev und Francesco Pianeta (22.45 Uhr in SAT.1 und auf ran.de) auch erstmals in der langen Geschichte des Schwergewichts, dessen erster Titelkampf nach modernen Regeln im September 1892 ausgetragen wurde, zwei "Southpaws", sprich: Rechtsausleger, aufeinander.

Schon die Wortwahl führt zu Verwirrungen: Ein Linkshänder boxt also in der Rechtsauslage. Das bedeutet dann im Kampf, dass die linke Hand die Schlaghand ist und die rechte als Führhand benutzt wird. Klingt einfach, war aber lange Zeit sehr exotisch und ist heutzutage auch noch etwas besonderes.

Eine kleine Kulturgeschichte der Rechtsauslage:

1. Linkshänder gelten ja allgemein als besonders kreativ. In der Gesamtbevölkerung in Europa liegt der Anteil bei 10-15% Linkshändern. Im Spitzensport liegt der Anteil aber zwischen 40 und 50 Prozent.

2. Früher galten Kämpfe mit einem Rechtsausleger als grundsätzlich "langweilig", mittlerweile hat sich diese Einschätzung durch viele Boxer (z.B. Manny Pacquiao) nachhaltig geändert. Aber beliebt waren die Southpaws lange Zeit nicht. Einer der besten Boxer aller Zeiten, Willie Pep, hat häufiger in Kämpfen Probleme mit der falschen Auslage seiner Gegner, daher fand er: "Man sollte alle Rechtsausleger in einen großen Sack stecken und diesen Sack in einen Fluss schmeißen."

3. Es gibt eine Reihe von umgelernten Linkshändern, die also im "normalen" Leben Linkshänder waren, im Ring aber in der Normalauslage boxten. So zum Beispiel: Oscar de la Hoya (USA), Olympiasieger und mehrfacher Weltmeister in insgesamt 6 Gewichtsklassen (vom Superfedergewicht bis zum Mittelgewicht).

4. Es hat lange gedauert, bis der erste Rechtsausleger um eine Weltmeisterschaft im Schwergewicht geboxt hat. "Unser" Karl Mildenberger boxte im September 1966 im Frankfurter Waldstadion gegen Muhammad Ali um die Krone im Schwergewicht. Ali gewann in der 12. Runde. Auf die Frage, ob er denn erneut gegen einen Rechtsausleger antreten wolle, sagte Ali: "Nie wieder!"

5. Der erste Rechtsausleger, der Boxweltmeister werden konnte, war Mittelgewichtler Al McCoy im Jahre 1914. Im Schwergewicht dauerte das deutlich länger. Hier ist Michael Moorer der erste, schaffte das Kunststück 1992. Weitere Titelträger in der Rechtsauslage im Schwergewicht waren seitdem: Sultan Ibragimov, Corrie Sanders, Chris Byrd und Ruslan Chagaev.

6. Im Schwergewicht ist der Kampf von Chagaev gegen Pianeta historisch: nie zuvor trafen zwei Rechtsausleger in einem WM-Kampf aufeinander. In anderen Gewichtsklassen hat es bereits öfter Duelle zweier Rechtsausleger gegeben, aus deutscher Sicht sticht da vor allem die Weltmeisterschaft im Halbschwergewicht von Henry Maske gegen Graciano Rocchigiani (1995) hervor.

7. Auch die Trainer der heutigen Hauptakteure sind Rechtsausleger: Pianeta-Trainer Dirk Dzemski war erfolgreicher Amateur und bestritt 29 Profikämpfe. Arthur Grigorian war früher Weltmeister im Leichtgewicht (WBO) und steht nun in der Ecke bei Chagaev.

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Zwei Boxer kennen beide Protagonisten aus dem Ring

Die Einschätzung:

Es gibt zwei Gegner, gegen die sowohl Chagaev als auch Pianeta angetreten sind. Gegen Waldimir Klitschko verloren beiden vorzeitig (Chagaev in Runde 9; Pianeta in Runde 6). Gegen Matt Skelton schaffte Chagaev einen Punktsieg, Pianeta erzielte einen vorzeitigen Sieg in Runde 8.

Und ebendieser Matt Skelton, der gegen beide Protagonisten angetreten ist und somit die direkte Ringerfahrung hat, sieht es wie folgt: "Dieser Kampf ist schwer einzuschätzen, da ja Chagaev zuletzt eher inaktiv war. Hat er noch den Hunger, den man braucht, um erfolgreich zu sein? Oder hofft er nur noch auf ein paar gute Zahltage? Ich kann mir gut vorstellen, dass Pianeta den Kampf für sich entscheidet, weil er es mehr will und eben der hungrigere der beiden ist."

Drews setzt auf neuen deutschen Weltmeister

Meine Prognose:

Das wird ein enger Kampf. Chagaev hat die größere Erfahrung und die besseren Gegner und größeren Namen in seinem Kampfrekord. Aber die letzten Fights von ihm haben mich nicht vollends überzeugt, das er nochmal an sein altes Leistungsvermögen wird anknüpfen können. Pianeta hat sich in den letzten Jahren ständig weiterentwickelt. Wären die beiden an ihren jeweils besten Tagen aufeinander getroffen, hätte Chagaev klar gewonnen. Er war Amateur-Weltmeister, besiegte den legendären Felix Savon und viele andere Top-Boxer. Zum Vergleich: Pianeta wurde bei den Amateuren Westfalenmeister.

Aber die glorreichen Tage liegen hinter dem Weltmeister, der zudem in den letzten Auftritten eher uninspiriert wirkte.

Ich glaube: Form schlägt Klasse. Francesco Pianeta macht auf mich den Eindruck, dass er es mehr will und – wie Matt Skelton sagte – der "hungrigere" ist. Pianeta gewinnt nach Punkten und wird neuer Weltmeister. 

Den kompletten Kampfabend überträgt ran.de im kostenlosen Livestream - los geht's schon um 19:00 Uhr. Das Vorprogramm bietet unter anderem den Schwergewichtskampf um die WBO-Europameisterschaft zwischen Michael Wallisch und Fabio Tuiach.


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