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Die Bundesliga auf ran.de

Christoph Kramer exklusiv: "Brauchen einen sehr guten Tag gegen Bayern"

  • Aktualisiert: 07.01.2021
  • 12:11 Uhr
  • ran.de / Andreas Kötter
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© Imago
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Vor dem Bundesliga-Knaller gegen den FC Bayern spricht Borussia Mönchengladbachs Dauerläufer Christoph Kramer im ran-Interview über die Partie, die Auswirkungen der Corona-Krise, den Ausraster von Marcus Thuram und das Auf und Ab im Leben eines Fußballprofis.

Mönchengladbach - Vor dem Spiel der Borussen gegen den FC Bayern München (Fr., ab 20 Uhr im Liveticker auf ran.de) spricht Kramer im Exklusiv-Interview mit ran über die vergangenen, nicht nur wegen Covid-19 nervenzerreißenden Monate, über die eher durchschnittliche Bilanz der Borussen in der Bundesliga und über seine Teamkollegen Florian Neuhaus und Marcus Thuram.

ran: Herr Kramer, selbst ohne Corona wären die vergangenen Monate für die Borussen nervenzerreißend gewesen mit der späten Qualifikation für das Champions League-Achtelfinale, mit vielen späten Punktverlusten in der Bundesliga und mit dem Wirbel um ihre vermeintliche und um die tatsächliche Spuckattacke von Marcus Thuram. Wie verarbeitet man all das ohne echte Winterpause?

Christoph Kramer: Weihnachten ist ja grundsätzlich eher eine besinnliche Zeit, die Zeit scheint dann beinahe stillzustehen. Deshalb habe ich selbst diese sechs Tage doch gut nutzen können, um ein wenig runterzukommen. Mir hat das sehr gut getan. Denn dass wir alle diese Auszeit wirklich gebraucht haben, das hat man in den Spielen vor der Winterpause gemerkt.

ran: Die Welt scheint still zu stehen, vor allem auch wegen Corona. Aber der Ball rollt immer weiter. Fragt man sich bisweilen, was man da eigentlich tut?

Kramer: Der Lockdown ist ohne Frage notwendig, aber er geht auch an die Nerven, und die Zeit zuhause wird nicht unbedingt spannender. Beinahe jeder hat jetzt das Spazierengehen für sich entdeckt, aber jeden Tag spazieren zu gehen, das wird irgendwann auch langweilig. Umso wichtiger ist es, dass uns wenigstens der Fußball ein bisschen von der Normalität gibt, nach der wir uns alle sehnen. Ich selbst war zum Beispiel froh, dass ich mir am Boxing Day im TV die Spiele in der Premier League anschauen konnte. Und was die Legitimation betrifft: Die Bundesliga hat ein wirklich gutes Konzept, an dem lange gearbeitet worden ist und das einwandfrei funktioniert und alle Auflagen erfüllt.

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Kramer: Fußball als Mittel gegen den Irrsinn der aktuellen Zeit

ran: Trotzdem: Wie finden Sie sich zurecht in einer Welt, über die das Virus nicht nur die Krankheit selbst, sondern auch einen immer schneller grassierenden Irrsinn ausgeschüttet zu haben scheint?

Kramer: Das war doch schon vor Corona der Fall. Bereits damals konnte man beim Blick auf die Nachrichten und auf die politische Weltlage den Eindruck gewinnen, dass der Irrsinn mancherorts um sich zu greifen scheint. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass mittlerweile fast alle Lebensbereiche zu einer Art Zirkus verkommen sind. Auch deshalb bin ich sehr dankbar dafür, dass ich meinen Alltag nicht ganz verloren habe und weiter Fußball spielen darf. Ansonsten würde man sich wahrscheinlich - und wäre es auch nur aus bloßer Langeweile - den ganzen Tag lang doch nur mit Nachrichten über die nächste Verrücktheit beschäftigen, die gerade wieder passiert ist.

Ginter glaubt nicht an Rose-Abschied
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Ginter: Rose-Abschied wäre überraschend

Fußball-Nationalspieler Matthias Ginter von Borussia Mönchengladbach glaubt an einen Verbleib seines Trainers Marco Rose.

  • 01.01.2021
  • 18:45 Uhr

ran: Okay, zurück zu Toren und vor allem Punkten: Von denen hat Borussia laut "Bild" deutlich zu wenig, weil Führungen zu oft verspielt wurden. Nach der "Verzocker-Tabelle" des Blattes könnte man sonst sogar Tabellenführer sein.

Kramer: Ich glaube, dass wir alle gut beraten sind, wenn wir gar nicht erst zulassen, dass dieses Muster in unseren Köpfen überhaupt herumspukt. Das führt sonst dazu, dass es sich regelrecht festsetzt in den Köpfen und dass man sich plötzlich ab der 80. Minute nur noch damit beschäftigt, bloß nicht schon wieder einen möglichen Sieg aus der Hand zu geben. Stattdessen sollten wir uns einfach sagen: Jetzt fängt ein neues Fußballjahr an. Und damit ist das Muster - oder von mir aus auch der Fluch -, eine Führung in den letzten Minuten aus der Hand zu geben, für uns kein Thema mehr. Das ist uns in Bielefeld ja bereits hervorragend gelungen.

ran: Also ist es tatsächlich so, dass sich selbst gestandene Profis von solchen Ängsten nicht ganz freimachen können?

Kramer: Ja, klar. Wenn du dir gegen Real Madrid kurz vor Schluss zwei Treffer einfängst und in einigen Bundesliga-Partien mögliche Siege in der Nachspielzeit noch aus der Hand gegeben hast, dann fängst du plötzlich an, ständig auf die Uhr zu schauen. Und dann ist es meist buchstäblich schon zu spät.

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Kramer: Bundesliga "in Sachen Ausgeglichenheit nicht zu toppen" 

ran: Ob Muster oder nicht - man hat das Gefühl, dass Borussia in der Hinrunde in jedem Spiel einen gewaltigen Kraftakt bewältigen musste, um wenigstens einfach zu punkten. Liegt das vielleicht doch an der Belastung durch die Champions League?

Kramer: Das glaube ich nicht. Ich betone schon seit drei, vier Jahren, dass die Bundesliga enorm ausgeglichen ist. Ich bin sogar überzeugt, dass sie im direkten Vergleich der besten europäischen Ligen in Sachen Ausgeglichenheit nicht zu toppen ist. In der Bundesliga ist es beinahe egal, wo du hinfährst - du kannst nie davon ausgehen, dass du die Punkte mehr oder weniger im Vorbeigehen mitnehmen wirst. Die Zeiten, in denen das möglich war, die sind längst vorbei.

Kramer: Rose-Spekulationen beeinflussen unsere Leistung nicht

ran: Könnten nicht auch die Spekulationen um die Zukunft von Trainer Marco Rose die Leistungen beeinflussen?

Kramer: Es wäre Quatsch zu behaupten, dass wir Spieler diese Spekulationen nicht mitbekommen würden. Aber wir wissen ebenso gut, dass die Medien häufig viel mehr aus einem solchen Thema machen, als es tatsächlich hergibt. Es ist absolut kein Kabinen-Thema, und niemand sitzt in der Kabine und jammert, es würden nun schwierige Zeiten auf uns zukommen. Dementsprechend beeinflusst das unsere Leistungen auch nicht. Es gibt doch auch Spieler, die im Januar noch nicht wissen, für wen sie im August vielleicht auflaufen werden. Auch das hat in der Regel keine Auswirkungen auf die Leistung.

ran: Sie selbst spielen bisher eine sehr starke Runde, und das nach einer schwierigen Vorsaison.

Kramer: Lassen wir die Ronaldos, Messis und Kroos dieser Welt mal außen vor, dann weiß ich, dass eine Fußballer-Karriere nicht immer nur steil nach oben geht. Ich hatte viele erfolgreiche und glückliche Phasen in meiner Karriere. Aber ebenso gehört dazu, auch einmal schwierigere Zeiten auszuhalten. Zeiten, in denen man auf der Bank sitzt und nicht einmal versteht, warum das so ist.

ran: Umso schwieriger muss es doch sein, die Füße still und den Mund geschlossen zu halten?

Kramer: Unter Dieter Hecking hatte ich mal eine Hinrunde, in der ich gefühlt überhaupt nicht gespielt und einfach nicht verstanden habe, warum das so war. Natürlich war ich unzufrieden mit der Situation und auch sauer. Aber ich bin keiner, der dann Stunk macht. Wenn ich so etwas bei anderen beobachte, finde ich das unsympathisch. Und so möchte ich selbst nicht wahrgenommen werden. Der eigenen Unzufriedenheit freien Lauf zu lassen, das gehört sich einfach nicht. Und zu einer Karriere von 10, 15 Jahren gehört einfach dazu, dann nicht durchzudrehen, sondern einfach so vernünftig weiterzumachen wie bisher. Diese innere Ruhe habe ich. Denn ich weiß: Wenn ich wieder spiele, bringe ich auch meine Leistung.

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Kramer über Neuhaus: "Jeder muss seinen Weg gehen"

ran: Aber wie funktioniert das, von null auf gleich voll da zu sein?

Kramer: Das ist für mich kein Problem. Ich bin ohnehin nicht der Typ, der ständig einen Wahnsinnsdruck verspürt. Ich habe einfach die innere Gewissheit, dass ich meine Leistung schon bringen werde. Schließlich habe ich das mein ganzes Fußballerleben lang getan. Und warum sollte es dann plötzlich anders sein?!

ran: Über Florian Neuhaus, mit dem Sie eine starke Doppelsechs bilden, haben Sie kürzlich in einem Interview gesagt, dass er bei Borussia auch den übernächsten Karriereschritt machen könne. Sprechen Sie darüber auch persönlich?

Kramer: Wir sprechen über sehr viele Dinge. Aber ich bin niemand, der glaubt, anderen unbedingt kluge Ratschläge geben zu müssen. Ich erinnere mich gut daran, dass mir mein Papa früher oft gesagt hat, dass ich meine Schulzeit genießen solle, ich würde sie irgendwann noch sehr vermissen. Das habe ich ihm damals natürlich nicht geglaubt. Dennoch ist es genauso gekommen, wie er es vorausgesagt hat. Heißt: Jeder muss seinen Weg gehen und seine eigenen Erfahrungen machen. Wenn man mich aber nach meiner Meinung fragt, dann sage ich sie auch.

ran: Ein Spieler für mögliche weitere Karriereschritte ist eigentlich auch Marcus Thuram. Wie kann die Mannschaft ihm helfen nach seinem Ausraster?

Kramer: "Tikus" weiß selbst am besten, dass das, was da passiert ist, absolut inakzeptabel war. Darüber gibt es keine zwei Meinungen. Aber es muss ja irgendwie weitergehen und da braucht er jetzt sicherlich ein dickes Fell. Er muss akzeptieren, dass es eine unangenehme Zeit werden kann und dass ihn manch einer nun vielleicht mit anderen Augen sehen und für einen Typ halten wird, der er überhaupt nicht ist. Tatsächlich ist "Tikus" ein lustiger, wohlerzogener Mensch, der sich wahrscheinlich selbst nicht wiedererkennt, wenn er sich die Bilder noch einmal anschauen sollte. Letztlich aber gilt auch für ihn das alte Sprichwort von der Zeit, die alle Wunden heilt.

Kramer: "Borussia hat sich enorm entwickelt"

ran: Noch mal zum übernächsten Karriereschritt: Kann Borussia den mittlerweile tatsächlich bieten?

Kramer: Ich bin fest davon überzeugt, dass der Verein mittlerweile in Sphären angelangt ist, wo es das Gesamtpaket - sportlich und finanziell - hergibt, auch diesen übernächsten Schritt, wenn nicht sogar alle Karriereschritte machen zu können. Borussia hat sich enorm entwickelt, ist in der Top Sechs der Bundesliga angekommen und ich glaube, dass die Entwicklung damit noch längst nicht beendet ist.

ran: Jetzt steht der Klassiker gegen den FC Bayern an, der zwischenzeitlich so wirkte, als könne man ihm erstmals seit vielen Jahren die Meisterschaft wieder streitig machen. Was ist drin für Borussia?

Kramer: Zunächst einmal wird der Weg zum Titel auch in diesem Jahr definitiv wieder über die Bayern führen. Bringen sie ihr bestes Tennis auf den Platz, werden sie ohne Wenn und Aber Meister. Daran habe ich keinen Zweifel. Was unser Spiel betrifft: Wir haben in der jüngeren Vergangenheit oft genug gezeigt, dass wir die Münchner ärgern können. Und wir werden alles daran setzen, dass uns das erneut gelingt. Klar ist aber auch, dass wir dafür einen sehr guten Tag brauchen. Und die Bayern dürfen nicht ihren allerbesten haben.

Interview: Andreas Kötter

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